Dienstag, 28. August 2012

Zum Thee bei K.

Travemünde, 28. August 2012



In den Tagebüchern von Thomas Mann, dessen Buddenbrook-Haus in der Lübecker Mengstraße ich heute zum ersten Mal in meinem Leben sehen werde, findet sich häufig der Eintrag "zum Thee bei K.". Thomas Mann stattete seiner Frau Katja geborene Pringsheim in seinen großen Häusern regelmäßig solche Tee-Visiten ab, von denen der ehrfurchtsvolle Leser den Eindruck gewinnt, der Dichter habe sich dazu über eine größere Distanz bewegt, in einen fremden Haushalt sozusagen. Spärlich sind die Zeugnisse, dass er es sich dort auch gemütlich gemacht hat. "Geschlechtliche Nacht" notierte er dann, was allerdings seltener eingetragen wurde als die Vermerke "zum Thee".

Von T.M.s Tagebüchern kann man lernen, sorglos mit der Rechtschreibung umzugehen. Ich weiß nicht, ob man noch bis weit ins 20. Jahrhundert tatsächlich das Wort "Tee" mit Th schrieb, aber T.M. wird es ebenso gefallen haben, wie die schon immer falsche Schreibweise "Litteratur" mit zwei T.

Thomas Mann hat in meinem Leben einige Weichen gestellt, nachdem ich ihn mir in der zwölften Klasse (Unterprima sagte man 1966 noch) als den Autor aussuchte, über den ich im Abitur geprüft werden wollte. In der Folge habe ich fast alles von ihm gelesen, überweigend nach dem Abitur, habe alle seine Romane und Teile seiner Tagebücher gelesen und besitze eine repräsentative Anzahl seiner Bücher. In einem wichtigen Punkt habe ich versucht, mich mit Haut und Haaren seinem Einfluss zu verschreiben: in seinem Humor. Der Humor bei Thomas Mann hieß ein Buch über ihn, das ich las und in welchem die große Spannung seines Lebens - die des Gegensatzes zwischen der schlichten vitalen Kraft und dem Streben nach Vergeistigung - unter dem Vorzeichen eines als göttlich zu verstehenden Humors gelöst wurde. Wer wie T.M. alles durchleidet, dann aber auch alles versteht, kann sich am Ende getrost über die Dinge stellen und lachen.

Möglicherweise habe ich in meinem jugendlichen Hochmut manchen dummen Scherz schon als aus einem solchen göttergleichen Gelächter geboren angesehen und nicht das gemerkt, was man mir viel später sagte: dass sich hinter dem Humor eines Menschen oft eine große Unsicherheit versteckt. Ich besitze eine Reihe von alten Briefen von mir, deren ironischer Tonfall mir heute unerträglich ist. Und trotzdem ist immer noch vieles, was ich heute besonders im Internet schreibe weiterhin in der Ironie verfasst, die ich mir damals angewöhnt habe. Und der große Thomas Mann nickt aus weiter Ferne weise dazu und sagt: mach weiter so, mein Sohn!

Hier in Travemünde spielt im Sommer 1845 die unglückliche Liebesgeschichte von Tony Buddenbrook und Morten Schwarzkopf, ich las sie gestern noch einmal nach. Tony und ihr ernster Bruder Thomas dürfen nicht ihrem Herzen folgen und müssen standesgemäß heiraten. Der Hamburger Kaufmann Bendix Grünlich mit seinen blonden Favoris muss es sein, und der reist nach ersten Meldungen über Tonys Liebschaft mit dem Sohn des Lotsenkommandanten in Travemünde an und setzt seine "Rechte" an Tony im Stil eines Gerichtsvollziehers durch.

In einer kleinen Nebenszene ist der Übergang vom Sommer zum Herbst hier an der Küste schön beschrieben. Den erleben wir in diesen Tagen ähnlich.

1 Kommentar:

Peter Oberschelp hat gesagt…

... sein Humor. - Wenn ich es recht bedenke, gefällt er mir am besten in der Erzählung, die den Hund Bauschan als Protagonisten hat. Zu seinem Menschenpersonal hin hat er leicht etwas Gönnerhaftes, wenn ihm auch das Erbarmen sicher nicht fehlt.