Adam Begleys Biografie von 2014 |
Seine Art zu
glauben beinhaltete auch die Angewohnheit, Menschen eher mit einer jungenhaften Freude am Leben
als mit den finsteren Seiten der Existenz zu konfrontieren. Er wolle sich „seinen Weg in das
Herz der amerikanischen Leser singen,“ hat er schon als junger Mann formuliert.
Und es ist ihm sicherlich auch gelungen.
Er wollte
auch Zeit seines Lebens der country boy
aus Shillington/Pennsylvania sein, was ihm aber Bewunderer wie Kritiker nie
ganz abgenommen haben, dafür war er, der Harvard- und Oxford-Absolvent viel zu
großstädtisch verfeinert. Immerhin hat er es aber zu Beginn seines Berufslebens nur etwa
ein Jahr ausgehalten, in New York zu leben, und ist dann für immer zurück aufs Land
gezogen.
Er fühlte
sich in New York „überfüllt, körperlich und geistig“ durch der Stadt „grässliche
Mengenhaftigkeit, ihre unerschöpfliche und endlos wiederholte urbane Vielheit."
(crowded, physically and spiritually by the city's
ghastly plentitude, its inexhaustible and endlessly repeated urban
muchness.)
Er benötigte
Stille zum Schreiben. Es war für ihn eine ernste Selbstprüfung, und es war deshalb
meistens auch autobiografisch. Seine Nächsten mussten sich wohl oder übel daran
gewöhnen, in immer neuer Weise in seinen Romanen und Kurzgeschichten vorzukommen.
Er hatte sich
dabei besonders zum Ziel gesetzt und dieses Ziel zweifellos auch erreicht, “über
Sex auf dem gleichen Niveau zu schreiben, so explizit und sorgfältig und
liebevoll, wie man über etwas anderes schrieb." (...write about
sex on the same level, as explicitly and carefully and lovingly as one wrote
about anything else.)
Viele meiner
Bekannten haben wegen dieses Expliziten die Bücher Updikes gemieden und meine
Liebe zu ihm mit allerlei Fragezeichen versehen. Selbst seine erste Frau Mary
hat über das Buch "Ehepaare" (eins seiner größten Verkaufserfolge)
gesagt, sie habe sich beim Lesen „erstickt in Schamhaaren“ gefühlt
(smothered in pubic hair).
Natürlich
waren seine vielfältigen erotischen Eskapaden und sein christlicher Glaube nur
schwer miteinander zu versöhnen. Das hat er gewusst und auch offen darüber geschrieben.
Geholfen haben ihm hier die Bücher des Schweizer Theologen Karl Barth, von dem
er wusste, dass dieser ebenfalls viel Vergebung nötig hatte, da auch er mit
einer Geliebten lebte, so wie Updikes Helden es eigentlich beständig tun.
Im Werk von
Karl Barth hat er viel über Vergebung gelesen. Er hat dort gelernt, dass es Sünden
gibt, die auf paradoxe Weise die Majestät des Glaubens offenbaren (sins that
reveal, paradoxically, the majesty of faith).
"Um mir
Helligkeit und Luft zu geben", schrieb er, " habe ich Karl Barth gelesen
und mich in die Frauen anderer Männer verliebt." ("To
give myself brightness and air I read Karl Barth and
fell in love with other men's wives.")
Man muss das
nicht gut finden. Aber ich muss bekennen, dass an einigen Stellen in seinen
Büchern die Freude am Glauben und der Gefallen an einem weiblichen Körper auf
die angenehmste Weise zusammenkommen. So beschreibt er einmal einen
Theologiestudenten, der, als Bademeister angestellt, sich nach den vielen Frauen, die er zu bewachen hat, verzehrt.
"Lust betäubt
mich wie die Sonne", sagt er, und konzentriert sich auf die Quelle dieser
Lust: "Die Arabeske der Wirbelsäule! Die Kurve, mit welcher der Rücken hinüber
in den Po moduliert!" Und er fügt hinzu, "Es ist hier, wo Gnade sitzt
und den Körper einer Frau bewegt."
"Lust
stuns me like the sun", he says, and zeroes in on its source: "The
arabesque of the spine. The curve by which the back modulates
into the buttocks." He adds, "it is here that Grace sits and rides a
woman's body."
Mit Worten
wie diesen hat er sich auch in mein Herz gesungen und wird darin bleiben,
solange ich lebe.
5 Kommentare:
Vielen Dank für Deinen ebenso warmherzigen wie leidenschaftlichen Versuch, uns Deinen Lieblingsschriftseller noch ein Stück näher zu bringen. Allerdings kann ich nicht verhehlen, daß mich das zitierte Urteil seiner Frau Mary (smothered in pubic hair) besonders beeindruckt hat.
Ja, Peter, das habe ich geahnt. Aber schau doch gelegentlich mal von dort weg und auf den Punkt der "curve by which the back modulates into the buttocks." Sonst verpasst Du die Gnade...
Bless your heart, my brother! Freu dich an Updike. Es ist wunderbar, wenn man so etwas schreiben kann und wenn einen ein Autor in der Weise begeistert. - Ich teile allerdings den Eindruck von Peter Oberschelp und finde das, was dich begeistert, besonders abstoßend. Schade, denn ich würde gerne mit dir diese Begeisterung teilen...
Esther, manchmal gehört das zusammen, das Abstoßende und die Gnade. Es ist ja auch eine große Ehrlichkeit darin, das Abstoßende in wahrhaftigen Worten zu schildern. Und Ehrlich ist die Bedingung der Gnade.
Christian, Gnade ist für mich die falsche Kategorie. Gnade gilt einer moralischen Verfehlung oder einer Schuld. Ich verurteile Updike nicht, weil was er schreibt moralisch verwerflich wäre... Dann müsste ich aufhören Filme zu sehen und Romane zu lesen.
Aber ehrlich ist ja auch Charlotte Roche. Und genau wie bei ihr finde ich diese Art von Ehrlichkeit nutzlos. Wem dient so was? Ist es heilend oder befreiend, angregend oder schön?
Doch wohl nicht. Gruß, Esther
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