Montag, 26. August 2019

Havelurlaub (II) - an der Seidenstraße


Unsere Waldsiedlung wird nach Norden durch die Bahnlinie von Potsdam nach Brandenburg begrenzt. Die Züge von Potsdam rauschen durch die tiefen Kiefernwälder auf unsere Siedlung zu und treten auf dem Bahndamm, der zur Brücke über die Havel führt, sichtbar und gut hörbar ins Freie etwa 200 m von unserem Haus entfernt. Die Brücke ist kurz, weil es an dieser Stelle schon vor dem Bau der Eisenbahn eine natürliche Verengung der Havel gab. Man musste nur zwei kurze Dämme aufschütten und mit einer eisernen Brücke  verbinden, um die Bahnstrecke hier über die Havel zu führen.
Autos können die Brücke nicht benutzen, in Planung ist aber eine neue Fahrradbrücke, die den schmalen Fußgängersteg neben der Eisenbahn ersetzen soll.

Unser Vermieter berichtet, dass man hier immer wieder endlose Züge aus China vorbeifahren sieht. Er redet ein wenig geheimnisvoll von der „Seidenstraße“, zu der also auch dieser nach Magdeburg und weiter in Richtung Niedersachsen führende Abschnitt gehört.

Ganz abwegig ist dieser Gedanke nicht – und überhaupt, dass die neuen Millionenstädte, die derzeit in China überall in kürzester Zeit entstehen, ihre Produktion nicht in großen Mengen in die Welt transportieren wollen, ist kaum denkbar. Ich habe dann heute morgen auch bei einer Beobachtung mit dem Fernglas einen sehr langen Zug gesehen, der fast ausschließlich mit Containern der Firma CDiRS geladen war. Ein kurzer Blick ins Internet genügte, um herauszufinden, dass dies die Firma Cheng Du International Railway Service, Co. Ltd. ist, die von Cheng Du, der Hauptstadt des Landes Sezuan / Szechuan / Sichuan, aus einen regelmäßigen Linienverkehr mit Güterzügen nach Lodz, Tilburg, Nürnberg, Mailand und anderswohin betreibt.

In meiner Kinderzeit waren die Produkte aus China meistens Spielzeug – Wasserpistolen oder Gummienten mit Made in Hongkong drauf. Heute werden in den Containern wohl eher Bauteile für Autos oder für Kommunikationsnetze der Firma Huawei stecken. Vielleicht stecken auch Tütensuppen darin, deren Geschmacksrichtungen ich in den letzten Wochen zu testen begonnen habe.

Ihr Geheimnis scheint in der Freude zu bestehen, welche die spiralenförmigen Spaghetti-Suppennudeln erzeugen, sobald sie ihren Tanz im Mund beginnen. "Spaghettis machen fröhlich" hat Alfred Biolek gelehrt. Sie wurden bekanntlich von den Chinesen erfunden und der Legende nach von Marco Polo nach Italien gebracht.

Einen zusätzlichen Zauber erhalten die Nudelsuppen, wenn man mit Wikipedia annimmt, dass zu ihrer Herstellung das Wasser des Kan-Sees in der Inneren Mongolei benutzt wird. So steht es im Bericht über die japanischen Ramen-Suppen, die auf chinesische Ursprünge zurückgehen.

Mit der Seidenstraße gleich hinter dem Haus wird uns solcher Zauber demnächst en gros geliefert.


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