Unsere Waldsiedlung wird nach Norden durch die Bahnlinie von
Potsdam nach Brandenburg begrenzt. Die Züge von Potsdam rauschen durch die tiefen
Kiefernwälder auf unsere Siedlung zu und treten auf dem Bahndamm, der zur
Brücke über die Havel führt, sichtbar und gut hörbar ins Freie etwa 200 m von
unserem Haus entfernt. Die Brücke ist kurz, weil es an dieser Stelle schon vor
dem Bau der Eisenbahn eine natürliche Verengung der Havel gab. Man musste nur
zwei kurze Dämme aufschütten und mit einer eisernen Brücke verbinden, um die
Bahnstrecke hier über die Havel zu führen.
Autos können die Brücke nicht benutzen, in Planung ist aber
eine neue Fahrradbrücke, die den schmalen Fußgängersteg neben der Eisenbahn
ersetzen soll.
Unser Vermieter berichtet, dass man hier immer wieder
endlose Züge aus China vorbeifahren sieht. Er redet ein wenig geheimnisvoll von
der „Seidenstraße“, zu der also auch dieser nach Magdeburg und weiter in Richtung
Niedersachsen führende Abschnitt gehört.
Ganz abwegig ist dieser Gedanke nicht – und überhaupt, dass
die neuen Millionenstädte, die derzeit in China überall in kürzester Zeit
entstehen, ihre Produktion nicht in großen Mengen in die Welt transportieren wollen,
ist kaum denkbar. Ich habe dann heute morgen auch bei einer Beobachtung mit dem Fernglas
einen sehr langen Zug gesehen, der fast ausschließlich mit Containern der Firma
CDiRS geladen war. Ein kurzer Blick ins Internet genügte, um herauszufinden,
dass dies die Firma Cheng Du
International Railway Service, Co. Ltd. ist, die von Cheng Du, der
Hauptstadt des Landes Sezuan / Szechuan / Sichuan, aus einen regelmäßigen
Linienverkehr mit Güterzügen nach Lodz, Tilburg, Nürnberg, Mailand und
anderswohin betreibt.
In meiner Kinderzeit waren die Produkte aus China meistens
Spielzeug – Wasserpistolen oder Gummienten mit Made in Hongkong drauf. Heute
werden in den Containern wohl eher Bauteile für Autos oder für Kommunikationsnetze
der Firma Huawei stecken. Vielleicht stecken auch Tütensuppen darin, deren
Geschmacksrichtungen ich in den letzten Wochen zu testen begonnen habe.
Ihr Geheimnis scheint in der Freude zu bestehen, welche die
spiralenförmigen Spaghetti-Suppennudeln erzeugen, sobald sie ihren Tanz im Mund
beginnen. "Spaghettis machen fröhlich" hat Alfred Biolek gelehrt. Sie
wurden bekanntlich von den Chinesen erfunden und der Legende nach von Marco
Polo nach Italien gebracht.
Einen zusätzlichen Zauber erhalten die Nudelsuppen, wenn man
mit Wikipedia annimmt, dass zu ihrer Herstellung das Wasser des Kan-Sees in der Inneren Mongolei benutzt wird. So steht es im Bericht über die japanischen
Ramen-Suppen, die auf chinesische Ursprünge zurückgehen.
Mit der Seidenstraße gleich hinter dem Haus wird uns solcher
Zauber demnächst en gros geliefert.
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