Vor ein paar Tagen bin ich auf Einladung einer christlichen Gruppe in einem Jugendgefängnis gewesen und habe vor etwa 40 Gefangenen etwas über meinen Glauben gesagt. Man hatte mich gebeten, angesichts eines hohen muslimischen Anteils unter den Jugendlichen etwas über das zu sagen, was ich vom Islam weiß, wobei natürlich die Aufgabe blieb, für den christlichen Glauben zu werben.
Ich habe mich offen gestanden ein wenig davor gefürchtet, am Ende von der christlichen Gruppe denselben Vorwurf zu hören, den ich gelegentlich von meiner Frau und auch von meinem Freund und Pastor Lothar Leese bekomme, daß ich nämlich zu tolerant dem Islam gegenüber sei und bereits auf halbem Weg, eines Tages dahin zu konvertieren. Trotz meiner diesbezüglichen Befürchtungen habe ich einfach damit begonnen, von meiner Freundschaft zu Nureddin Öztaş* zu erzählen und von meinem großen Respekt, den ich vor seinem Glauben habe. Ich habe gesagt, daß Nureddin und ich uns gemeinsam bewußt sind, aus zwei sehr verschiedenen Dienstanweisungen in Form von Bibel und Koran zu leben, habe dann aber vor allen Dingen das hervorgehoben, was wir gemeinsam glauben.
Dabei habe ich mit großem Ernst etwas sagen können, was ich in dieser Form noch niemals in einer christlichen Öffentlichkeit gesagt habe: eine der wichtigsten Botschaften des Korans ist die Lehre vom Gericht am Ende der Tage. Wenn ich es mit meinen eigenen Worten sage, so lehrt der Koran eine große individuelle Verantwortung des Menschen vor Gott, der ihn im jüngsten Gericht einem strengen Urteil unterziehen wird.
Die Bibel lehrt das auch, nur haben sich die Christen in den letzten Jahren mehr und mehr abgewöhnt, davon zu reden. Im Gefängnis war es natürlich leicht, den ja allesamt durch ein Gericht verurteilten Jugendlichen einen allumfassenden Richter vorzustellen, der nicht nur über eine einzelne Handlung sondern über unser ganzes Leben zu urteilen hat. Das wird für uns alle, fromm und unfromm, brav erzogen oder rauh, eine äußerst unangenehme Situation werden.
Gleichzeitig können wir auf die Barmherzigkeit dieses Richters hoffen. Die erste Eigenschaft Gottes, die im ersten Vers der ersten Sure des Korans angerufen wird, ist seine Barmherzigkeit. Ich habe die Sure 1 zitiert und mich dann eigentlich erst an dieser Stelle meiner kurzen Predigt vom Islam entfernt und die Barmherzigkeit Gottes festgemacht am Glauben an Jesus Christus.
Gott hat die Welt geliebt und seinen Sohn gesandt, so daß alle, die an ihn, den Sohn, glauben nicht verloren gehen, sondern ewiges Leben haben (Johannes 3,16). Er ist einen letzten, bitterem Weg hinauf ans Kreuz gegangen und dort (nicht durch einen Doppelgänger ersetzt, wie es der Koran lehrt) elend gestorben. Meine Hoffnung im letzten Gericht ist es, daß ich mich darauf berufen kann, an den Sohn und sein Werk der Versöhnung mit Gott geglaubt zu haben.
Später habe ich mich ein wenig über meine Gerichtspredigt gewundert. Ich kann mich wie gesagt nicht daran erinnern, jemals unter Christen so ernst über dieses Thema gesprochen zu haben. Ich habe im Grunde genommen den Koran und seine ernste Lehre von der Verantwortung des Menschen als Basis für meine Predigt genommen und erst ganz zum Schluß eine christliche Antwort auf die hier aufgeworfenen Fragen gegeben.
Ich hatte das Gefühl, daß die Jugendlichen meinen kurzen Worten sehr aufmerksam gefolgt sind und daß ich Ihnen nichts über eine zusätzliche Belastung durch eine Kontrollinstanz oben im Himmel gesagt habe, dafür aber etwas über ihre eigene Würde als Menschen, die sich in der Verantwortung Gott gegenüber ausdrückt.
Vielleicht wird man in Zukunft öfter solche Predigten hören, von Christen, die sich vom großen Ernst ihrer muslimischen Nachbarn anstecken lassen und nun ihrerseits den ganzen Ernst der christlichen Gerichtsvorstellungen aber auch den ganzen Reichtum der Gnade predigen.
* der in Wirklichkeit anders heißt, aber für das Internet diesen Alias-Namen erhalten soll
Montag, 26. April 2010
Eine Predigt aus dem Koran
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