Donnerstag, 26. Juni 2008

Mittwoch, 25. Juni 2008

Fußball III: Türkei gegen Deutschland



Vor dem Türkei-Spiel heute abend soll an die vielen Zeichen der Verbundenheit zwischen Türken und Deutschen erinnert werden, die in diesen Tagen überall auftauchen. Am besten gefällt mir das Bild von den verknoteten Fahnen beider Länder, das die New York Times heute brachte.

Schön auch die türkische Version der deutschen Nationalhymne "Aynischkayt un Räscht un Firayhayt", die mein Neffe Lukas auf dem mp3-Player hatte. Türkische Musik dazu:



Was den Abend betrifft, so hatte ich Necattin Topel, einen türkischen Apotheker aus Solingen zum Fernsehgucken bei mir zu Hause eingeladen, aber er hat die Einladung herumgedreht, und so werde ich den Abend in Solingen verleben, in einem türkischen Verein, zusammen mit türkischen Jugendlichen.

Sonntag, 15. Juni 2008

Fußball II: Als Auslandskorrespondent tätig




In Istanbul betreibt mein Freund Erkan Saka einen vielbesuchten Blog. Ich lernte diesen Blog und später in Istanbul dann auch Erkan selbst kennen, nachdem ich bei der Vorbereitung unserer Türkei-Reise 2007 bei Google die Worte "istanbul" und "blog" eingegeben hatte. Nun hat Erkan mich zum zweiten Mal eingeladen, einen Gastbeitrag für seinen Blog zu schreiben, und ich habe meine bewährte Übertreibungstechnik eingesetzt, um aus der laufendes Europameisterschaft und dem "End of History" eine einheitliche Idee zu entwickeln.

Das Ergebnis steht seit heute in Erkans Blog.

Sonntag, 8. Juni 2008

Fußball I: Welttheater





Ich gestehe hiermit offiziell , daß ich den Plan* habe, mir alle 31 Spiele der Europameisterschaft im Fernsehen anzuschauen, die vier Spiele ausgenommen, die man nicht komplett life sehen kann, weil sie am Ende der Gruppenphase parallel ausgetragen werden. Meine Arbeitsrückstände im Büro sollen mich nicht davon abhalten (die 18-Uhr-Spiele will ich im Büro sehen und dabei weiterarbeiten), allenfalls ein Familientreffen am zweiten Wochenende der Europameisterschaft, wo ich aber auf Vettern und Cousinen hoffe, mit denen man sich zum Viertelfinalspiel Nr. 3 (mein Tip: Italien gegen Schweden) in ein Seitenzimmer mit Fernsehgerät wegstehlen kann.

Große Fußballturniere mit Nationalmannschaften sind für mich die Orte, an denen sich die Herzen der Menschen auf unvergleichliche Weise friedlich miteinander vereinen. Dabei denke ich weniger an die bunten Massen von Fans, die sich so verkleidet und bemalt haben, daß sie wie ein afrikanischer Medizinmann in die Lage versetzt sind, den Ball ins gegnerische Tor zu zaubern. Ich denke mir eher eine Bäurin im Berner Oberland, die gestern auf ihrem alten Fernseher wieder und wieder die Szene ins Haus gespielt bekam, in der eine kleine Stelle im rechten Knie des Schweizers Alexander Frei verletzt wurde. Die Tränen des Mannes haben Millionen Schweizer ganz tief in ihren Herzen geteilt, und der Rest der Welt hat wie ich einen Moment innegehalten und gesagt "Die armen Schweizer!"

Aber dann später auch der Jubel der Portugiesen, das Elend der unter Preis verkauften Türken - das alles hallt wie ein Echo um die ganze Welt. Und ich sitze mitten in dieser Welt, lasse das Echo von den Bergen widerhallen und freue mich daran.

Das Bild ganz oben zeigt ein von mir verwaltetes Haus mit den Fahnen von Polen, Deutschland und der Türkei. Im Hintergund sieht man auch Kroatien. Auf anderen Seiten der Häuser war Griechenland, Spanien und Portugal zu sehen, das ging nicht alles aufs Bild.

* ihn aber nach drei Tagen als unrealistisch aufgegeben habe, arbeiten und fernsehen geht nicht parallel, also will ich bei den meisten 18-Uhr-Spielen doch lieber arbeiten.

Sonntag, 1. Juni 2008

Enthusiasmus als Lebensprinzip











Vor etwa zwei Jahren ist im Spiegel ein Interview erschienen, in welchem eine amerikanische Professorin, Kay Jamison, über ihre Erfahrungen mit Depressionen berichtet hat. Sie ist in ihrer Heimat eine angesehene Person, weil sie ihre psychologischen Theorien nicht nur lehrt (an der John Hopkins University in Baltimore und an der University of St Andrews in Schottland), sondern sie auch mit ihrem eigenen Leben und Leiden bestätigt. Das Interview trug den Titel "Champagner der Gefühle" und beschrieb das Besondere der Erfahrungen von Kay Jamison: sie war in die finstere Nacht einer Depression abgestürzt, nachdem sie lange Zeit auf den hellen Höhen eines stark von Enthusiasmus geprägten Lebens gelebt hatte.

Sie beschreibt diesen Enthusiasmus als eine häufig anzutreffende Charaktereigenschaft, die man vielleicht besonders in den USA findet, aber sicherlich nicht nur dort, und sie nennt prominente Beispiele wie die Präsidenten Bill Clinton und Teddy Roosevelt. Und sie erzählt von sich selbst und ihrem eigenen Enthusiasmus.

Enthusiasten (im Bild auf dem Pferd der Präsident Roosevelt) erleben an jedem Tag etwas Besonderes. Sie haben die Fähigkeit, in den Begegnungen mit anderen Menschen immer wieder etwas Einmaliges und Spezielles zu sehen und dem Gegenüber das Gefühl zu geben, daß es ein Glück ist, mit ihm in diesem Moment zusammen zu sein. Jamison liebt den Begriff "Enthusiasten" und erwähnt, daß er sich etymologisch wohl auf "en theos", in Gott, zurückführen läßt. Damit weist Enthusiasmus auf eine Art von göttlichem Funken im Wesen des Begeisterten hin.

Daß gerade solche Menschen in die Tiefen einer Depression abstürzen können, ist für einen Menschen wie mich, der gerne an die Möglichkeit einer göttlichen Inspiration für jeden Menschen glauben möchte, ein schwer erträglicher Gedanke. So habe ich ihn in den Monate nach dem Lesen des Artikels immer wieder in meinem Kopf hin und her gewälzt, und habe an die Zahl von christlichen Enthusiasten in meiner Verwandtschaft gedacht und daran, wie der eine oder andere unter ihnen tatsächlich depressive Phasen in seinem Leben überstehen mußte. Warum war das so, und war es unausweichlich?

Wenn es Gott gibt und wenn er einzelne Menschen, viele, möglicherweise alle, mit einem solchen Funken seiner kreativen Macht ausstattet, dann, so habe ich gedacht, ist der Absturz in eine Depressionen eine häßliche Nebenwirkung dieser Macht, und man könnte geneigt sein, sich ein Leben zu wünschen, das niemals mit ihr in Berührung kommt.

Im Gespräch mit einem psychologisch ausgebildeten Fachmann, der nicht an einen göttlichen Funken im Menschen glaubt, habe ich dann später auch eine andere, säkulare Erklärung bekommen, die das von Jamison beschriebene enthusiastische Verhalten auf eine "narzißtische Kränkung" zurückführt und nicht auf eine göttliche Inspiration. Vereinfacht gesagt hat hier wohl eher eine mißgünstige Mutter dem kleinen Kind einen Löffel weggenommen (und damit eine selbstverliebte Gegenreaktion hervorgerufen) als daß eine Gottheit ihm an seiner Wiege einen besondern Glanz über seinem Leben verheißen hat. Ich mag diese Erklärung nicht besonders, weil sie, wie alle materialistischen Erklärungen, der Welt etwas von ihrem Zauber nimmt.

Ich habe dann über das alte gnostische Weltsystem nachgedacht, das sich auf die Vorstellung gründet, Gott habe die Menschen tatsächlich mit kleinen Funken, die aus einem großen Urfeuer stammen, in die Welt entlassen und sorge sich darum, daß diese Funken nicht verglimmen. Er schickt in der Folge einen Erlöser in die Welt, dessen Aufgabe darin besteht, die verstreuten Funken erneut zu einem großen Feuer zu versammeln, denn nur in der Gemeinsamkeit und räumlichen Nähe der vielen Funken kann sichergestellt werden, daß jeder einzelne Funke sein Feuer behält. Die Gnostiker haben sich mit solchen Gedanken meist am Rande der Kirche bewegt, weil man ihnen darin nicht folgen wollte, daß es eine von Gott geschaffene Welt gibt, die den göttlichen Funken feindlich gegenüber steht. Trotzdem hat man die Gedanken der Gnostiker sicherlich nicht immer nur ungern gehört, besonders dann, wenn sie liebevoll-milde und eher in Andeutungen anklangen, wie etwa im Johannes-Evangelium*.

Vielleicht gilt für die mythischen Bilder der Gnostiker ganz allgemein das, was der Papst in seinem Jesus-Buch über alle Mythologien gesagt hat: sie warten auf ihre Erfüllung in Christus. Deshalb beanspruche ich vorsichtig das Recht, weiter ein wenig gnostisch glauben zu dürfen und also anzunehmen, daß der Enthusiasmus als Charaktereigenschaft, die auf einen göttlichen Funken zurückgeht, eine positive menschliche Möglichkeit ist, in dieser Welt zu leben. Daß sie gleichzeitig eine Gefährdung begründet, macht sie nicht wertlos, im Gegenteil.

Noch später dann habe ich den Ansatz für einen Ausgleich gefunden zwischen gnostischen Hoffnungen und ihren Enttäuschungen in der Realität. Er findet sich in der Bibel an einer prominenten Stelle**, an der vorhergesagt wird, wie der endzeitliche Messias handeln wird, um das menschliche Dasein zu bewahren und zu schützen. Ganz ähnlich wie in den gnostischen Vorstellungen ist auch hier von einem verlöschenden Feuer die Rede, aber anders als bei den Gnostikern geht es nicht um eine rettende Sammlung der versprengten kleinen Lichter, sondern eigentlich nur um ihrem Schutz. Und selbst diese Aussicht auf Schutz wird nur andeutungsweise und ohne messianische Glorie zugesagt: "Den glimmenden Docht wird er nicht auslöschen“, so schreibt Jesaja etwa 600 v. Chr. über den „Gottesknecht“, eine eigenartig messianische Gestalt, die bisweilen selbst zu schwächeln scheint und in ihrer Erscheinung viele Deutungen zuläßt.

Wie auch immer man den Knecht ansehen mag, viele Generationen von Menschen, die Jesajas Worte später in den unterschiedlichsten Krisen ihres Lebens gelesen haben, fanden eine Art von Garantieerklärung in dem Gedanken an ihn. Sie glaubten, daß Gott den Kern ihrer Existenz unangetastet und geschützt erhalten wird, möglicherweise über ihr physisches Ende, ja ihre Vernichtung hinaus.

Im Lichte von Jesaja möchte ich am Ende also den Enthusiasmus als ein Lebensprinzip ansehen, dessen Ursprung auf göttliche Grundrechte zurückgeht, die er jedem Leben auf dieser Welt mit auf den Weg gegeben hat. Daß der Bruder Enthusiasmus immer wieder mit der Schwester Melancholie im Gefolge auftritt, gehört vielleicht zu den Geheimnissen, mit denen der Schöpfer diese Welt im Gleichgewicht hält.


* in Johannes 12, 32 "Wenn ich erhöht werde von der Erde, so will ich alle zu mir ziehen", oder in Kapitel 10,27 "Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie, und sie folgen mir."

** In der ersten von vier Reden über den endzeitlichen Gottesknecht, Jesaja 42:
1 Siehe, das ist mein Knecht - ich halte ihn - und mein Auserwählter, an dem meine Seele Wohlgefallen hat. Ich habe ihm meinen Geist gegeben; er wird das Recht unter die Heiden bringen.
2 Er wird nicht schreien noch rufen, und seine Stimme wird man nicht hören auf den Gassen.
3 Das geknickte Rohr wird er nicht zerbrechen, und den glimmenden Docht wird er nicht auslöschen. In Treue trägt er das Recht hinaus.
4 Er selbst wird nicht verlöschen und nicht zerbrechen, bis er auf Erden das Recht aufrichte; und die Inseln warten auf seine Weisung.