Montag, 31. Juli 2023

Ein böser Ausrutscher


Der 26. Juli 2023 wird mir vermutlich als einer der dunkelsten Tage in meiner persönlichen Geschichte in Erinnerung bleiben. Ich hatte mit etwas schlechtem Gewissen eingewilligt, mit meinem bei uns für eine Woche in Ferien lebenden Enkel Jakob, 11, in das berühmte Stadion von Borussia Dortmund zu fahren. Es liegt eine halbe Stunde von Remscheid entfernt und fasst über 80.000 Zuschauer. Es ist damit das größte Stadion in Deutschland. Mein schlechtes Gewissen war darin begründet, dass ich meinem Enkel eigentlich etwas anbieten wollte, was er gerne für immer mit dem Besuch bei seinem Großvater verbinden könnte – eine Kirche, ein Museum, eine Bibliothek oder so. Stattdessen nun also den Tempel eines unterhaltsamen, aber gleichzeitig auch sehr geldgierigen und fragwürdigen Kommerzes. Das war nicht so ganz in meinem Sinne, und das hat vielleicht auch dazu geführt, dass ich am Ende in die Probleme geraten bin, von denen ich erzählen will.

Es fing damit an, dass ich auf meinem Navi (Google Maps auf dem Handy) die unmittelbare Adresse des Stadions angegeben hatte, nicht die Adresse der vielen Parkplätze im Bereich des Stadions. Ich hatte vermutet, dass die Besucher während der Woche genügend Parkraum direkt am Stadion vorfinden würden. Später habe ich gesehen, dass das wohl auch stimmte.

Das Navi zeigt mir nun aber keine Straße direkt zum Stadion, sondern einen Seitenweg, der von der vierspurigen Straße, auf der ich mich befand, dem "Krückenweg", abbog und dann geradewegs zum Stadion führte. Zunächst habe ich den Weg gar nicht gefunden, weil er sehr schmal war und nur als Zufahrt zu einer Kleingartenanlage beschildert war. Als ich dann beim zweiten Versuch in diesem Weg einbog, war er zunächst mit Betonpflaster versehen, im weiteren Verlauf dann sauber geschottert und führte an einem Parkplatz vorbei, der für die Kleingartenanlage eingerichtet war. Danach wurde er schmaler und endete nach etwa 200 m an einem rot-weiß lackierten Stab, der den Weg versperrte.

Seitlich vom Stab war noch etwas Platz, so dass ich - "dies muss doch ein Weg sein, wenn Google es sagt" - versucht habe, daran vorbei zu fahren. Der entscheidende Fehler war dann wohl, dass ich die Griffigkeit des Schotterbelages überschätzt habe und bei der Korrektur meines sinnlosen Vorhabens beim vorsichtigen Zurücksetzen seitlich abgerutscht bin. Ich kam in der Nähe einer Hecke in einem Graben zum stehen. Von dort war es dann leider nicht mehr möglich, wieder auf dem Weg zu kommen, weil die Räder auf dem losen Schotterbelag durchdrehten. Nach einigem hin und her habe ich den ADAC angerufen und von einer sehr freundlichen Telefonzentrale, den Kontakt zu einem Abschleppdienst bekommen.

Zwischenzeitlich hatte Regen eingesetzt, und ich war beim Versuch, einiges außen am Auto zu verändern, bis auf die Unterwäsche nass geworden. Außerdem war ich ausgerutscht und beim Sturz bis auf den Boden des Grabens gefallen. Die Situation war verzweifelt und erniedrigend – auch weil ich nicht sicher war, ob der Abschleppdienst hier eine Lösung finden würde, was ich dann tatsächlich auch als sehr zweifelhaft erwies. 

Nach langem Warten, kam dann auch ein Abschleppwagen, der allerdings Mühe hatte, auf dem Schotterweg bis zu mir durchzukommen. Er blieb etwa 30 m von mir entfernt stehen und versuchte mithilfe einer Seilwinde, die er noch durch mehrere Bänder verlängerte, bis zu meinem Wagen zu kommen.

Das gelang schließlich auch, wobei die Befestigung nur an einem meiner Räder möglich war, und zwar in den Löchern der Felge. Das Anziehen mit der Winde, brachte aber keinen Erfolg, weil sich das Auto nicht bewegte und die Winde mangels ausreichender Kraft stockte.

Der freundliche Fahrer, ein Libanese namens Mohammed, hat dann versucht, mit allerlei Unterlagen, darunter zwei etwa 2 m langen Aluminiumrampen, die normalerweise zu dem Abschleppfahrzeug gehörten, meinem Auto wieder einen griffigen Untergrund zu geben.

Als auch dies nicht half, versuchte Mohammed, mit einem Wagenheber die rechte Hälfte des Autos, die tief im Graben hing, soweit anzuheben, dass mehr Gewicht auf der linken Hälfte lag, so dass die linken Vorderräder auf dem ausgelegten Blech besser griffen.

Auch das half nur wenig, und auch die Steine und Bretter, die eine freundliche Nachbarsfrau aus der Kleingartenanlage zur Verfügung stellte, waren keine besondere Hilfe.

Im Nachhinein weiß ich nicht, was am Schluss dazu geholfen hat, das Auto Millimeter um Millimeter nach oben auf den Weg zu bringen. Aber etwa 3 Stunden, nachdem ich in den Graben gerutscht war, stand das Auto wieder auf dem Weg und ich konnte meine Fahrt fortsetzen, nachdem ich meinen treuen Mohammed umarmt und in bar entlohnt hatte.

Bei allem musste mein lieber Enkel Jakob entweder geduldig im Wagen warten oder am Lenkrad des Abschleppfahrzeuges tatkräftig mitwirken, indem er dort die Fußbremse fest hielt. Was er über seinen viel zu wagemutigen Großvater gedacht haben mag, wird er mir vielleicht in der Zukunft einmal verraten Gelernt hat er auf jeden Fall, dass in solchen Situationen eine äußere Ruhe notwendig ist, in der ich mir übrigens mit Mohamed dem Libanesen einig war, wie wir später festgestellt haben, als wir die ganze Sache noch einmal besprochen haben. Er ist mit uns auf Anweisung seines Chefs zu einer Sparkasse gefahren, wo ich einen recht namhaften Geldbetrag aus dem Automaten geholt habe, um die Rechnung des Abschleppdienstes sogleich zu bezahlen.

Auf dem Rückweg sind wir dann in unmittelbarer Nähe des Stadions vorbeigekommen, und Jakob konnte ein paar Bilder machen, die er seinem Freund versprochen hatte, der seinerseits das Stadion von Bayern München für Jakob fotografiert hatte. Insofern war die Fahrt nicht ganz erfolglos.

Mittlerweile steht das Auto bei einem Lackierer, der versuchen wird, zwei kleine Beulen von innen heraus zu drücken und dann Teile der zerkratzten rechten Auto Seite neu zu lackieren. Auch den abgebrochenen Rückspiegel wird er erneuern, die Folgen werden also recht bald beseitigt sein.

Ich bin am Tag darauf erwacht mit dem Gefühl, einer der dümmsten Menschen auf der Welt zu sein, und das nicht zum ersten Mal, denn mein trotziges Bestehen darauf, einmal eingeschlagene Wege auch bis zum Ende zu fahren, das ich von meinem Vater geerbt habe, hat mich auch früher schon öfter in ausweglos scheinende Situationen gebracht.

Dass ich trotz allem die Zuversicht behalten habe, wieder irgendwie aus der Situation heraus zu kommen, hat mich gefreut. Aber so durchnässt ich war, so mutlos war ich zwischendurch auch.