Sonntag, 16. November 2008

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Präsident Bush und ich





Wenn am 20. Januar 2009, wenige Tage nach meinem sechzigsten Geburtstag Georg Bush seine achtjährige Amtszeit beendet, wird er wahrscheinlich der letzte amerikanische Präsident sein, der älter war als ich. Ob man jemals wieder einen Präsidenten wählen wird, der vor 1949 geboren wurde, wird von mal zu mal fraglicher, bei der nächsten Wahl müßte schon ein 64jähriger antreten, dann ein 68jähriger etc.

Insofern ist mir Bush also mehr verbunden als andere Präsidenten vor ihm, Clinton ausgenommen, der wie Bush 1946 geboren wurde.

Diese etwas eitle Einleitung soll dazu dienen, das vorsichtige Bekenntnis vorzubereiten, daß ich, wäre ich Bürger der Vereinigten Staaten, zu der Minderheit von weniger als 25% gehören würde, die Bush nicht als den großen Versager ansehen, als den ihn jetzt die Mehrheit der Amerikaner und wohl auch die Mehrheit der Welt in die Geschichte eingehen lassen will.

Ich habe dafür zwei Gründe. Der erste lautet: für die gegenwärtige finanzielle Misere kann er nichts. Ich denke, es wird sich recht bald herausstellen, daß die angeblich von ihm vorbehaltlos unterstützten Selbstregulierungskräfte des Marktes auch in Zukunft die einzig wirklichen Dämme sein werden, die den Strom der über die Welt fließenden Gelder in sinnvolle Bahnen lenken können. Gegen den Ankauf eines faulen Wertpapiers hilft am Ende nur ein kritischer Käufer.

Die Finanzkrise ist ja im Kern die Krise eines Teils des amerikanischen Immobilienmarktes, nicht die Krise von Aktien, Derivaten, Hedgefonds oder anderen „Gier“-Papieren. Von den Hedgefonds etwa operieren immer noch viele mit beneidenswerten Gewinnen. In der New York Times, die ich nicht genug als Informationsquelle loben kann, gab es vor ein paar Tagen einen Artikel, der Spuren vom Anfang der Misere, die aus dem faulen Hypotheken entstanden ist, in der Wohnungspolitik der Clinton-Regierung gefunden hat.

Man hat damals damit begonnen, die staatlichen Garantien zu vereinfachen, die ärmeren Familien zum Erwerb eines Hauses gewährt wurden. Bald hat man sich darüber gefreut, daß die steigenden Immobilienpreise eine wirkungsvolle Sozialpolitik für diese Familien erlaubte, die außerdem den Vorteil hatte, daß sie den Staat kein Geld kostete. Noch später haben demokratische Politiker die halbstaatlichen Garantiegeber wie Fannie Mae and Freddie Mac dazu gedrängt, gegen die Warnungen aus deren Kreditabteilungen noch großzügiger mit Hypotheken für arme Familien umzugehen.

Übrigens sitzt einer der Leute aus dem Aufsichtsrat von Freddie Mac jetzt als Stabschef im Weißen Haus, Rahm Emanuel. Da wird sich also wenig ändern. Ärgerlich ist allerdings, daß Obama als Agent des „change“ gewählt wurde, was wohl von Anfang an eher eine Erfindung seiner Werbeagentur war und im Übrigen dafür spricht, daß es zu Bushs Politik wenig Alternativen gibt.

Der zweite Grund ist der noble Einsatz der Amerikaner für die Freiheit der Menschen im Irak. Daß sie dabei alles richtig gemacht haben, behaupten auch die Leute von Bush nicht. Es war vermutlich gar nicht möglich. Aber daß sie es zumindest gewagt haben, kann ein Ruhmesblatt in ihrer Geschichte werden, wenn die Irakis aus dieser Freiheit etwas machen, wofür einiges spricht.

In unserem Land ist das Eintreten für diese Freiheit fast unmöglich. Selbst gutmeinende Leute wirken so, als ob sie ein Vermögen auf das Scheitern der irakischen Demokratie gesetzt haben und deshalb jetzt außerstande sind, den Ahmets und Mohammeds da unten auch nur einen einzigen freundlichen Gedanken oder guten Wunsch zu widmen. Die Zeitungen, besonders die sozialdemokratischen, berichten aus Bagdad überwiegend im Stil der Prawda. Es gibt keinen Fortschritt, wo man ihn nicht haben will.

Wenn ich persönlich etwas zu Bush sagen sollte, dann, daß er mir eigentlich sehr viel stärker vorkam als sein Vater, dessen übergroßem Wesen er angeblich so psychopathisch nacheifert. Dem Senior - ich füge pflichtgemäß ein: dem wir Deutsche viel Dank für seine Hilfe bei der Wiedervereinigung schulden - wurde immer nachgesagt, daß er ein wenig steif sei und eigentlich kein echter kämpferischer „Leader“, der auch mal eine kritische Sache aus dem Feuer holen konnte. Irgendwer hat damals in die Welt gesetzt, Bush sen. behalte beim Liebesakt die Socken an, das sagt alles. Sein Sohn war da nach meinem Eindruck anders, frischer und elastischer.

Daß er auf eine kindliche Art und Weise an Gott glaubt, ist ihm oft zum Vorwurf gemacht worden. Man hat vor allen Dingen angenommen, er würde sich morgens bei der Andacht von Gott dahingehend Weisungen holen, ob die Einkommenssteuer 35% oder 38% betragen solle, oder auch ob er Bagdad von Süden oder von Westen angreifen solle. Ich habe in den USA einige Politiker ein wenig aus der Nähe sehen können und habe festgestellt, daß sie die Wirkung des Glaubens ganz anders sehen. Sie können deshalb sogar ihre politischen Konkurrenten mit großer Offenheit und Freude als Schwesetern und Brüder im Glauben anerkennen. Auch die beten ja morgens und bekämen dann, deutschen Theorien zu Folge, entsprechend einen Einkommensteuersatz von 32% geoffenbart.

Darum ging es aber weder dem einen noch dem anderen. Nein, man betet dafür, daß man die Kraft hat, seine Arbeit vernünftig zu machen. Was dagegen der Inhalt dieser Arbeit ist und wie man Einzelheiten so regelt, daß am Ende ein gutes Ergebnis übrig bleibt, das muß man selbst herausfinden.

So verabschiede ich mich also mit Respekt von diesem Präsidenten. Ich hoffe optimistisch, daß auch sein Nachfolger Barack Obama ein paar gute Eigenschaften mit in sein Amt bringt, damit ich in vier oder acht Jahren mit der gleichen Dankbarkeit auf seine Amtszeit zurückblicken kann, wie auf die acht Jahre Bush.

P.S. Condoleezza Rice hat in der New York Times eine nachdenkliche Zusammenfassung ihrer Arbeit während der Bush-Administration geschrieben.