Mittwoch, 19. November 2014

Briefwechsel mit einem atheistischen Freund (XIV und vorläufiges Ende)

Lieber Christian -

vielen Dank für dieses Erlebnis einer öffentlichen Diskussion. Ich bin neugierig, was Dritte gedacht haben. Wie weit unsere Vorstellungen auseinander liegen, mögen diese Dritte bewerten.

Dienstag, 18. November 2014

Briefwechsel mit einem atheistischen Freund (XIII)


Faradayscher Käfig
Lieber Martin,

mich beschleicht das Gefühl, dass ich mit meinem Latein am Ende bin und Dich um eine Pause bitten muss. Am Ende unseres Gespräches sind wir nicht, aber an einem Punkt, von dem es erst einmal irgendwie nicht weiter geht.
 
Du beantwortest die Frage nach dem Mut zum Sein mit einem Hinweis auf die Größe und Arbeitsweise unseres Gehirns und drängst damit den eigentlichen Sinn der Frage an den Rand. Manche Fragen sind ja auch dann gut und richtig, wenn sie nicht im Zusammenhang mit unserer stammesgeschichtlichen Entwicklung stehen. Mir fällt hier eine etwas humoristische Variante ein, die Frage Woody Allens, „wo bekomme ich ein vernünftiges Steak?“ Sie lässt sich natürlich sehr gut mit unserer Geschichte als Fleischfresser verbinden und von ihren Motiven her erleuchten, aber wir verärgern mit solchen Erklärungen doch eher den Fragenden als dass wir ihm helfen.

Sonntag, 16. November 2014

Briefwechsel mit einem atheistischen Freund (XII)


Lieber Vetter, dessen Name Programm ist…
Du wiederholst die Frage nach dem 'Mut zum Sein' und suchst für die Antwort nach einer äußeren Quelle. Warum? Warum fehlt Dir das Selbstvertrauen zu Dir, zu Deinen Mitmenschen diesen 'Mut zum Sein' in Dir zu finden? Warum muss eine äußere, übergeordnete, sinnstiftende Figur (ein 'Etwas') ins Spiel gebracht werden? Warum muss diese Figur die Sinnstiftung übernehmen, zu vielen anderen (schwierigen) Aufgaben, die ihr (von Dir) antragen werden?

Meine Antwort, dass die menschliche Vorliebe für diese 'Art des Denkens' der Evolution unserer Denkstrukturen geschuldet ist, muss Dich unbefriedigt lassen. Wir Menschen handeln Sinn/Zweck- getrieben. Wir projektieren diese Denkvorliebe auf unsere Umwelt... „es muss doch Sinn machen“; alleine die Abläufe zu verstehen, zu genießen, zu bestaunen lässt viele Menschen unzufrieden.

Samstag, 15. November 2014

Briefwechsel mit einem atheistischen Freund (XI)




Ganymed
Lieber Martin,
den Prometheus musste ich in der Schule auswendig lernen, bedecke deinen Himmel, Zeus, mit Wolkendunst. Parallel dazu lernten wir auch das Gedicht vom Götterliebling Ganymed, aufwärts an deinen Busen, alliebender Vater.
Unser Lehrer interpretierte die beiden Goethe-Gedichte so, dass Goethe das Sich-Abgrenzen von Gott und das Hingezogensein zu ihm wie das Aus- und Einatmen der Seele angesehen und entsprechend beides für Teile unseres Lebens gehalten habe. Bei Charles Taylor fand ich jetzt ein Ganymed-Erlebnis des jungen Bede Griffiths, welches Taylor zur Illustration dafür nimmt, dass der Mensch Erlebnisse der "fullness" haben kann, die in sich einen Hinweis auf Transzendenz tragen.

Freitag, 14. November 2014

Briefwechsel mit einem atheistischen Freund (X)

Prometheus
Lieber Vetter dessen Name Programm ist...

lass mich die Antwort auf dein letzten Brief im Blog mit drei Bemerkungen beginnen.

Ersten, ich vermute, dass meine Antwort auf Deine Frage, woher kommt der „Mut zum Sein“, Dich wieder enttäuschen wird.

Dienstag, 11. November 2014

Briefwechsel mit einem atheistischen Freund (IX)

Lieber Vetter Martin,

habe ich versucht zu missionieren? Meine Absicht war eigentlich eine andere: ich wollte, innerlich gefüllt mit den säkularen Betrachtungen Charles Taylors, einem friedlichen Gedanken nachgehen. Kann man als in einem immanent frame lebender Christ den ebenfalls dort lebenden Atheisten in der entspannten Freude begegnen, dass wir alle unterschiedslos in einer „entzauberten Welt“ leben und den größten Teil unsere Überlegungen tatsächlich immanent betreiben?

Montag, 10. November 2014

Briefwechsel mit einem atheistischen Freund (VIII)


Lieber Christian

wir hatten uns, zumindest implizit, darauf geeinigt, dass wir in diesem Dialog jedem seine Weltsicht lassen würden; also wir üben "Missionierungsverzicht". Deswegen hatte ich "historisch formuliert": "Abstrakte theologische Konzepte sind in der Regel aufwendige Versionen einfacher und ansteckenden „spiritueller“ Volksvorstellungen. Und im Gegenzug, atheistische Konzepte sind aufwendige De-Konstruktionen dieser einfachen Vorstellungen und ihrer aufwendigen Weiterentwicklungen der Weltreligionen.

Freitag, 7. November 2014

Briefwechsel mit einem atheistischen Freund (VII)

Lieber Vetter Martin,

Illustration zu "Aus dem Leben eines Taugenichts" (der mir
als ein in die Welt Hinaustretender in den Sinn kam).
lass uns langsam vorgehen. Bevor wir die Vorstellungen und Erklärungsmodelle der Christen dekonstruieren, sollten wir uns die Konstruktion des Denkmodells ansehen, das wir alle benutzen - und zwar lange vor der Zeit, in der wir anfangen, überhaupt irgendetwas zu erklären.

Ich nehme einmal das einfache Bild, dass wir aus dem Haus gehen müssen, um die Welt zu sehen und dann zu erklären. Dann frage ich: warum gehen wir überhaupt aus dem Haus, was gibt uns den Mut dazu? Hier sehe ich das „Etwas“ am Werk, von dem Du ebenfalls schreibst. Wir benötigen es, sagst Du, weil es uns Menschen hilft zu überleben. Erst wenn wir dieses „Etwas“ haben, können wir aus dem Haus gehen, etwas erfahren und es dann zu erklären versuchen.

Mittwoch, 5. November 2014

Briefwechsel mit einem atheistischen Freund (VI)




Lieber Vetter dessen Name Programm ist...

Es freut mich, dass das lange Zitat aus dem Buch Lin Yutangs Dich angesprochen hat, obwohl es machen “starken Tobak” für Dich enthalten mag. Seitdem ich das Buch Weisheit des Lächelnden Lebens als Jugendlicher in der Bibliothek meiner Eltern fand, ist es mit mir umgezogen.

Es sind die Abschnitte über das Erwachsen sein, die mich damals und heute ansprechen: „...Es kommt aber der Augenblick, wo der Heide auf die vielleicht wärmere und heitere christliche Welt mit dem Gefühl blickt, dass sie doch auch kindlicher, ich möchte beinahe sagen: weniger erwachsen ist. Sie mag farbiger und schöner anzusehen sein, sie ist aber eben deshalb nicht so von Grund auf wahr und darum gewissermaßen von geringerem Wert. Die Wahrheit muss dem Menschen einen gewissen Preis wert sein, und man darf sich nicht scheuen, ihre Konsequenzen auf sich zu nehmen ... “.

Dienstag, 4. November 2014

Briefwechsel mit einem atheistischen Freund (V)



Lin Yutang
Habe Dank für die Vermittlung der Bekanntschaft mit dem Chinesen Lin Yutang. Ich habe es nicht unsympathisch gefunden, wie er in seinem Leben nach und nach seine Menschlichkeit steigert, auch wenn es um den Preis geschieht, dass er seine Religiosität aufgibt.

Ganz am Ende seiner Ausführungen kommt er zu einem Punkt, der uns beide betrifft, jeden auf seine Weise. Lin entwickelt - ohne dabei auf Transzendenz zurückgreifen zu müssen - eine Anschauung davon, dass es etwas in der Welt gibt, für das es sich, vorsichtig gesagt, an jedem neuen Morgen lohnt, aus dem Bett aufzustehen und dem Tag zu begegnen. Er nennt dieses Etwas die Zuversicht, dass die Dinge unter dem Himmel letztlich „immer rundum laufen“, ja sogar, „dass es kein dauerhaftes Unrecht auf der Welt gibt“. Ich verstehe unseren Chinesen so, dass sein Lebensoptimismus sich auf ein Grundgefühl, ein „Etwas“ bezieht, das man offenbar haben kann, ohne gleich Himmel, Gott und Religion einbeziehen zu müssen. 

Montag, 3. November 2014

Briefwechsel mit einem atheistischen Freund (IV)


Lieber Vetter, dessen Name Programm ist...

Unbenommen lassen sich viele Dinge im Alltag gemeinsam regeln, ohne dass es der Abstimmung der jeweiligen Weltsicht bedarf. Doch das uns beide Trennende liegt weit im vorreligiösem Bereich. Sobald Du von transzendentalen Dingen sprichst, haben sich unsere Denkweisen getrennt, da Du außer der Materie, das einzige "Substrat" der Existenz, weitere Substrate annimmst.

Guten Nacht, Martin