Mittwoch, 28. Januar 2015

Ambiguität und west-östliche Sexualität


Folgt man Thomas Bauers Kapitel über "Die Ambiguität der Lust“, dann hat die westliche Kultur sich im Mittelalter ein enges Korsett angelegt, was die Lust betrifft, und hat es später nicht mehr ablegen können, als nach der Kirche die Medizin das Thema zu kontrollieren begann. Am Anfang gab es die fromme Spannung zwischen sündhafter Lust und der kühlen Pflicht zur Fortpflanzung. Später schuf die Medizin mit ihrer „Deutungshoheit über das, was ‚Sexualität‘ hieß“ neue Spannungen. Bauer blickt kritisch vom Osten aus auf den Westen und meldet Zweifel an, ob es einen geschlossenen Bereich der menschlichen Natur, der "Sexualität" heißt, überhaupt gibt. Er schreibt dazu:

Samstag, 24. Januar 2015

Ambiguität und die Auslegung von Texten

Eine erste Lehre aus der Lektüre des schönen Buches vonThomas Bauer ist die, dass jede Übersetzung aus einem ursprünglichen Text immer wieder an Stellen kommt, wo man eine in den Text schneidende Entscheidung treffen, ein weitgreifendes Urteil fällen muss.

Für die Muslime des Mittelalters war klar: jede Übersetzung aus dem Arabischen war ein urteilender Kommentar. Sie gab vor, eine bestimmte Stelle verstanden zu haben, und zwar auf die Weise, wie sie in der neuen Sprache zu verstehen war. Einen Kommentar zum Koran zu erstellen war zunächst einmal aber eine sehr kunstvolle und abwägende Sache, wie es Thomas Bauer anhand der Kommentierung von Q 5:3 Euch ist Verendetes verboten aufzeigt. In vielen kleinen Schritten wird zu dieser Stelle die Frage geklärt, ob man denn etwa die Haut von verendeten Tieren zur Erzeugung von Leder benutzen darf oder nicht.

Sonntag, 18. Januar 2015

Das Raunen Gottes

Ist die Vorstellung erlaubt, dass Gott redet und dass sein Reden bei den Menschen nicht eindeutig ankommt? Das schöne Buch, in dem ich gerade lese, plädiert recht leidenschaftlich für diese Möglichkeit. Es lobt die Uneindeutigkeit und spricht dafür, dass wir in unserem Verständnis des Redens Gottes eine gewisse Unschärfe zulassen. Der Verfasser zeigt anhand der Lehre islamischer Schriftsteller des Mittelalters, dass es Perioden gegeben hat, in denen die Menschen es für einen Vorteil ansahen, von Gottes Worten mehrere Lesarten zu besitzen.

Eine Gnade für die Gemeinde seien Varianten im Korantext, sagt ein damals in hohem Ansehen stehender Kommentar (hadith) zum Koran. Erst die viel später einsetzende Aufklärung mit ihrer präzisen Frage nach dem wörtlichen Sinn eines Textes und ihrer Quellenforschung ("Was steht im Urtext?") habe es uns im Prinzip verleidet, eine Uneindeutigkeit zu akzeptieren. Das gilt übrigens für weite Bereiche der islamischen Forschung ebenso wie für uns. Die Aufklärung ist nicht nur bei uns angekommen.

Freitag, 9. Januar 2015

Mit 66 Jahren

Als am 21. Dezember Udo Jürgens starb, habe ich ein altes Songbook aus dem Keller geholt und einige seiner Lieder noch einmal gespielt. Mit 66 Jahren (da fängt das Leben an) war nicht dabei, es ist 1977 in einer Zeit erschienen, als ich andere Sänger interessanter fand als Udo Jürgens. Außerdem erinnere ich mich noch, dass mir das Lied nie gefallen hat. Mir war schon damals klar: mit 66 fängt das Leben nicht an, es fängt wohl eher an aufzuhören. Heute, an dem Tag, an dem ich 66 Jahre alt werde, sehe ich das noch deutlicher.

Dienstag, 6. Januar 2015

That Ole Time Religion (renewed version)


Michael Walrond
Die Kirche von Pastor Mike habe ich wenige Tage vor Weihnachten in einem Artikel der NewYork Times gefunden. Seine Baptistengemeinde in Harlem ist offenbar eine der wenigen Kirchen, welche die alte Segregation der Rassen dadurch aufheben, dass sie weiße Besucher in traditionell schwarze Gottesdienste einladen. Umgekehrt ist es offenbar leichter und mittlerweile auch nicht mehr ungewöhnlich – viele Schwarze besuchen weiße Gottesdienste – aber das Modell der Kirche von Pastor Mike – Reverend Michael A. Walrond Jr. mit vollem Namen und Titel – in  Harlem ist etwas Besonderes. Es lebt von einem demografischen Umbruch in seinem Stadtviertel, der sich seit längerem vollzieht, und der ein einstmals heruntergekommenes Quartier wieder nach und nach attraktiv macht. Eine junge und wohlhabende Klientel zieht nach Harlem und nutzt den Vorteil, kurze Wege zu den Büros in Manhattan zu haben.

Freitag, 2. Januar 2015

Von Korea aus in die Welt, furchtlos

Auf die Spur zur Onnuri Kirche bin ich durch eine junge Koreanerin gekommen, die in Deutschland lebt. Sie hat mit ihrem Mann einige Zeit in Afrika gearbeitet, um dort den Dialekt eines Stammes zu erlernen, für den später eine Bibelübersetzung entstehen soll. Als es in dem Land politische Unruhen gab, zog man ins Rheinland, weil hier eine größere Gruppe von Stammesangehörigen lebt, die man für eine Zusammenarbeit zu gewinnen hofft.