Mittwoch, 31. Dezember 2008

Home for Christmas (End)






They are all gone, leaving Christiane and me an an empty and silent house. As always this silence is a joy, but would not be whithout the memory of children that we can love without restriction and look upon with pride.
Alle sind wieder fort und lassen Christiane und mich in einem leeren und stillen Haus zurück. Wie immer ist diese Stille eine Freude, aber sie wäre es nicht ohne die Erinnerung an Kinder, die wir ohne Einschränkung lieben und mit Stolz betrachten können.

Boxing Day was ended with a gathering in my brother's house. Two of my three sisters were there, seven of my eight nephews and nieces, boy friends, girl friends, in total 24 people.
Der zweite Weihnachtstag ging mit einem Treffen im Haus meines Bruders zu Ende. Zwei meiner drei Schwestern waren da, sieben von meinen acht Neffen und Nichten, Freunde, Freundinnen, alles zusammen 24 Leute.




Freitag, 26. Dezember 2008

Home for Christmas (VI)







Yesterday night my sister Esther arrived from Bonn. Without our children's favourite aunt Christmas is only an incomplete holiday. Gestern abend kam meine Schwester Esther aus Bonn. Ohne die Lieblinstante der Kinder ist Weihnachten nur ein unvollständiges Fest.





Some years ago a Russian painter drew a picture of her. This year it was decided to give it a more prominent place in Esther's or one of her brother's and sister's homes. The problem is that we are not used to honour family members by displaying oil paintings of them.
Vor einigen Jahren hat ein russischer Maler ein Bild von ihr gemalt. In diesem Jahr wurde beschlossen, dem Bild einen prominenteren Platz in Esthers Wohnung oder einer der Wohnungen der Geschwister zu finden. Das Problem ist, daß wir nicht gewohnt sind Familienmitglieder zu ehren, indem wir Ölgemälde von ihnen aufhängen.

Donnerstag, 25. Dezember 2008

Home for Christmas (V)





Eva was born on December 25th. In 1976 she disturbed our christmas party. Later she w a s our christmas party, vivid and sometimes noisy, we never had a silent Christmas from then on.
Eva wurde am 25. Dezember geboren. In 1976 störte sie unsere Weihnachstfeier. Später wurde sie zur eigentlichen Weihnachtsfeier, lebhaft, manchmal laut, wir hatten seitdem nie ein ruhiges Weihnachstfest.



After church we take a walk in the woods where the scars of storm "Kyrill" in January 2007 are still visible.
Nach der Kirche unternehmen wir eine Wanderung durch die Wälder, in denen die Narben des Sturms "Kyrill" vom Januar 2007 noch sichtbar sind.

Christina is our main photographer, finding lovely impressions in the winter forest.
Christina ist unser Hauptphotograph. Sie findet schöne Eindrücke im winterlichen Wald.


Mittwoch, 24. Dezember 2008

Home for Christmas (IV)




Stephen Haines from Michigan asks whether we will have "croissant and ovomaltine for breakfast" - well, it's croissants, Brötchen (rolls), coffee and tea, we leave ovomaltine to the Swiss.
Stephen Haines aus Michigan fragt, ob wir "Croissants und Ovomaltine zum Frühstück" haben werden - nun, es gibt Croissants, Brötchen, Kaffee und Tee, wir überlassen Ovomaltine den Schweizern.


After Church there is always the traditional photo, today we take it in three steps: children, children and parents, children and parents and friends.
Nach der Kirche gibt es immer das traditionelle Foto, heute nehmen wir es in drei Schritten auf: Kinder, Kinder und Eltern, Kinder und Eltern und Freunde.


Christina, 22, Eva, 31, Judith, 32, Matthias, 21.


Eva, Christiane, Christian, Judith, Matthias, Christina.


Christiane, Christian, Matthias, Christina, Johnnes, Judith, Manuel, Eva.

Carolin is missing, but she reports from Sweden where she is on holidays with friend Sören and family (from Bremen).
Carolin fehlt, aber sie meldet sich aus Schweden, wo sie mit ihrem Freund Sören und dessen (Bremer) Familie in Urlaub ist.

Peter, Ingvar, Sören, Insa, Carolin, Gerlinde.

Later at night we have a Skype conference with Sören's family, camera and all. After midnight Swedn congratulates Eva, who is 32 on December 25th.
Später am Abend haben wir eine Skype- Konferenz mit Sörens Familie, mit Kamera und allem. Nach Mitternacht gratuliert Schweden Eva, die am 25. Dezember 32 wird.

Dienstag, 23. Dezember 2008

Home for Christmas (III)





Thursday night Judith and Johannes arrive from Bonn.
Am Dienstagabend kommen Judith und Johannes aus Bonn.

Christiane has prepared a Russian Soup which we all enjoy so much that I forget to take a photo.
Christiane hat eine russische Suppe vorbereitet, die uns allen so gut schmeckt, daß ich vergesse, ein Foto zu machen.

Johannes brings his Cello (but plays a guitar in the photo), Manuel plays Bass. Our daughters love musicians.
Johannes bringt sein Cello mit (spielt aber eine Gitarre auf dem Foto), Manuel spielt Baß. Unsere Töchter lieben Musiker.


Montag, 22. Dezember 2008

Home for Christmas (II)





The house is gradually filling up.
Das Haus wird nach und nach voll.


Manuel, Evas friend arrives from Berlin.
Manuel, Evas Freund kommt von Berlin.



Ralf and Annette, Evas friends from Duesseldorf come for dinner.
Ralf und Annette, Evas Freunde aus Düsseldorf kommen zum Abendessen.


Jaron and Paul, the two youngst sons of our friends Norbert and Christa Rose stay for two nights. We consider them our grandchildren. Eva and Christina train their eductional skills on them.
Jaron und Paul, die beiden jüngsten Söhne unserer Freunde Norbert und Christa Rose wohnen zwei Nächte bei uns. Wir betrachten sie als unsere Enkelkinder. Eva und Christina üben ihre pädagogischen Fähigkeiten an ihnen.

Samstag, 20. Dezember 2008

Home for Christmas








For all our friends abroad
für alle unsere Freunde im Ausland
but just as well for everybody else
aber genauso für alle anderen
pictures from the Runkel children
Bilder der Runkel-Kinder
coming home for Christmas
die Weihnachten nach Hause kommen

Above: Matthias, Eva. Tina
oben: Matthias, Eva. Tina
Eva, 31, works as a singer and music teacher in Berlin
Eva, 31, arbeitet als Sängerin und Musiklehrerin in Berlin
Tina, 22, is doing an internship in the Berlin Ministry for Devolepment
Tina, 22, macht ein Praktikum im Berliner EntwicklungsministeriumMatthias, 21, studies Economics in Maastricht, Netherlands
Matthias, 21, studiert Volkswirtschaft in Maastricht, Niederlande

right: Andrea, a friend of Eva's brought Eva and Christina
safely here, she lives in nearby Cologne and had visited Berlin, 550 km from here
rechts: Andrea, eine Freundin von Eva brachte Eva und
Christina sicher hierhin, sie lebt im nahen Köln und hatte Berlin besucht.550 km von hier entfernt



below left: happy parents and Christina
unten links: die glücklichen Eltern und Christinabelow right: Eva and Christian
unten rechts: Eva und Christian



Montag, 15. Dezember 2008

60 Jahre minus 25 Tage







Dies ist mein Großvater Erwin Bohle aus Bergneustadt im Oberbergischen Kreis. Er wurde am 19. Mai 1897 geboren und starb am 24. April 1957, wenige Tage bevor er 60 wurde, genau: 25 Tage davor. In 25 Tagen von heute, werde ich nun meinerseits 60 und begehe den heutigen Tag mit einem gemischten Gefühl aus Freude über mein Leben und Bedauern über das viel zu früh und unter quälenden Umständen zu Ende gegangene Leben des Großvaters.

Er war ein Enthusiast und steht so vor meinen Augen, wie ihn mir ein Verwandter schilderte, kurz nach dem Krieg an einer Haltestelle auf die Straßenbahn wartend "mit nichts als zwei Hosenknöpfen in der Tasche" aber strahlend und optimistisch, "als ob ihm die ganze Welt gehörte".

Sein Optimismus hatte ihn früh scheitern lassen, um 1935 herum mußte sein Derschlager Ladengeschäft beim Amtsgericht Gummersbach Konkurs anmelden. Er hatte eine große Anzahl Nähmaschinen gekauft, sehr günstig, und sah vor seinem inneren Auge wie die Menschen im Oberbergischen, über unzählige von diesen Maschinen gebeugt, in häuslichem Fleiß die nebligen Täler östlich von Köln in blühende Landstriche verwandelten. Leider fanden sich kaum Käufer, und die wenigen, die man mit Ratenzahlungen zur Anschaffung einer Nähmaschine reizen konnte, blieben oft die Raten schuldig, so daß mein Opa alles in den Handel gesteckte Geld verlor.

Er hat diesen Mißerfolg als Gottes Fügung angesehen und den Beruf des Baptistenpredigers angenommen, den er nebenberuflich schon lange ausübte und für den er, wie mir viele seiner Weggenossen später berichtet haben, überaus begabt war. 1938 trat er mit erneuertem Enthusiasmus seine erste Stelle an, hier in Remscheid, wo dann seine älteste Tochter meinen Vater kennenlernte und heiratete.

Ohne Erwin Bohles Enthusiasmus wäre ich also nicht, aber sein Enthusiasmus wirkt manchmal auch bitter in mir nach. Auch die Predigerlaufbahn führte meinen Großvater nicht zu dem ersehnten Ziel. Dabei hatte es nicht schlecht begonnen, seine Redegabe war über Remscheid hinaus bekannt geworden, und 1948 hatte er in Cannes sogar mit dem jungen Billy Graham zusammen gesessen, auf einer Konferenz von „Youth for Christ“. Für diese Organisation arbeitete Graham und auch Opa Erwin.

Sicherlich haben beide damals davon geträumt, vor großen Menschenmengen zu evangelisieren, beide hatten bereits damit begonnen und beide wußten um ihr Talent dafür. Mitte 1949 machte Graham sich mit einer eigenen Organisation selbständig und hatte gleich so viel Erfolg, daß er von einem Tag auf den anderen berühmt wurde. Den Großvater trifft Mitte 1949 der Schlag, er wird halbseitig gelähmt und betritt für den Rest seines Lebens keine Kanzel mehr. 1957 stirbt er nach langer Bettlägerigkeit.

Sein Leben gibt mir immer neue Fragen auf.


P.S. Christiane und ich haben laut gelacht, als wir gestern abend versucht haben, ein Foto zu machen, auf dem ich wie der Großvater gucke. Es geht nicht.

Montag, 8. Dezember 2008

Das schöne Mädchen






Das schöne Mädchen links im Bild habe ich am 8. Dezember 1973, heute vor 35 Jahren geheiratet. Die Erinnerung an diesen Tag war heute morgen besonders lebhaft, weil mich 1973 ebenso wie heute eine schlimme Erkältung plagte.

Heute bin ich zu Hause geglieben, damals habe ich mich ins Leben hinausgetraut, schwarzer Anzug, Kirche, alles inklusive, zu meinem Glück.

Ich habe das immer noch schöne Mädchen heute morgen gefragt, ob es den mittlerweile 35 Jahre laufenden Vertrag mit mir noch mal verlängert, um zunächst ein Jahr. Es hat ohne Zögern Ja gesagt.

Samstag, 6. Dezember 2008

Eine Fleißarbeit, auch eine der Liebe?






Heute habe ich gepredigt. Meine Baptistengemeinde hier In Remscheid (im Bild der Eingangsbereich, dahinter, knapp zu sehen, das Hauptgebäude) hält nach wie vor die Tradition aufrecht, daß nicht nur ordinierte Geistliche auf der Kanzel stehen sollen, sondern auch Laien, die in einem weltlichen Beruf arbeiten. So werden einige von unseren Gemeindegliedern alle Jahre wieder einmal zu einem Predigtdienst herangezogen.

Mein Thema war das Abendmahl, so wie es im 1. Korintherbrief (Kapitel 11) von Paulus eingesetzt wird. Ich habe in der Vorbereitung zwei Bücher gelesen, über die ich sehr viel Neues erfahren habe, am Ende aber auch soviel Material hatte, daß es mir schwer fiel, eine angemessene Auswahl zu finden und das Thema der Liebe nicht aus den Augen zu verlieren, das die Gedanken des Paulus durchzieht.

Wer selbst urteilen will, kann die Predigt hier lesen – und ein paar Sätze über die lesenswerten Bücher von Nornert Baumert und Peter Wick, die ich ausgewertet habe.

Außerdem habe ich am Samstag eine Andacht in einer Senioren-Adventsfeier der Gefährdetenhilfe Scheideweg gehalten. Auch hier steckt einiges an Vorarbeit drin, diesmal aber mehr aus dem persönlichen Nachdenken über die Menschen, die viele Generationen lang vergeblich auf die Erfüllung einer göttlichen Verheißung gewartet haben.

Daß sie ihren Kindern und Enkeln als Erbe den Auftrag mitgegeben haben, nun in gleicher Weise viele Jahre lang weiter zu warten, läßt den Schluß zu, daß etwas in ihrem Warten geschieht, das die Vergeblichkeit überwindet.

Donnerstag, 4. Dezember 2008

Cherz





Daß ich ein etwas angebeultes Herz habe, dürfen alle meine Leser ruhig wissen. Zwei Stents sind drin, seit 2005. Damals waren sie der Anlaß, meinen ersten Blog zu beginnen, der auch die Zeit meiner "Reha" an der Mosel beschreibt, eine wunderbare Zeit unter der Obhut ostländischer Ärzte, die von "der Cherz" sprachen, wenn sie das Herz meinten.

Heute ist der Cherz erstmals mit radioaktiven Mitteln untersucht worden, eine "Szintigraphie" wurde gemacht. Ergebnis: Cherz guut!

Ganz kann ich es noch nicht glauben, der Arzt wollte sich die nach meinem Eindruck wenig aussagekräftigen Bilder nochmal genauer ansehen und dann meinem Kardiologen einen Bericht schreiben.

Ich sehe nichts als eine Reihe kleiner undeutlicher Flämmchen und würde, wenn ich die Geschichte des Bildes nicht kennte, sagen: hier hat der Schornsteinfeger einen Heizungsbrenner überprüft und ein paar schlechte Fotos von der Zündflamme gemacht.

Vielleicht ist der Unterschied ja auch gar nicht so groß. Auch Cherz muß guut zünden (wann gesund).

Sonntag, 16. November 2008

2000 Besucher





Kommen Sie näher, treten Sie ein! Vielleicht sind Sie es, der als 2000. Besucher über die Ziellinie geht!

Präsident Bush und ich





Wenn am 20. Januar 2009, wenige Tage nach meinem sechzigsten Geburtstag Georg Bush seine achtjährige Amtszeit beendet, wird er wahrscheinlich der letzte amerikanische Präsident sein, der älter war als ich. Ob man jemals wieder einen Präsidenten wählen wird, der vor 1949 geboren wurde, wird von mal zu mal fraglicher, bei der nächsten Wahl müßte schon ein 64jähriger antreten, dann ein 68jähriger etc.

Insofern ist mir Bush also mehr verbunden als andere Präsidenten vor ihm, Clinton ausgenommen, der wie Bush 1946 geboren wurde.

Diese etwas eitle Einleitung soll dazu dienen, das vorsichtige Bekenntnis vorzubereiten, daß ich, wäre ich Bürger der Vereinigten Staaten, zu der Minderheit von weniger als 25% gehören würde, die Bush nicht als den großen Versager ansehen, als den ihn jetzt die Mehrheit der Amerikaner und wohl auch die Mehrheit der Welt in die Geschichte eingehen lassen will.

Ich habe dafür zwei Gründe. Der erste lautet: für die gegenwärtige finanzielle Misere kann er nichts. Ich denke, es wird sich recht bald herausstellen, daß die angeblich von ihm vorbehaltlos unterstützten Selbstregulierungskräfte des Marktes auch in Zukunft die einzig wirklichen Dämme sein werden, die den Strom der über die Welt fließenden Gelder in sinnvolle Bahnen lenken können. Gegen den Ankauf eines faulen Wertpapiers hilft am Ende nur ein kritischer Käufer.

Die Finanzkrise ist ja im Kern die Krise eines Teils des amerikanischen Immobilienmarktes, nicht die Krise von Aktien, Derivaten, Hedgefonds oder anderen „Gier“-Papieren. Von den Hedgefonds etwa operieren immer noch viele mit beneidenswerten Gewinnen. In der New York Times, die ich nicht genug als Informationsquelle loben kann, gab es vor ein paar Tagen einen Artikel, der Spuren vom Anfang der Misere, die aus dem faulen Hypotheken entstanden ist, in der Wohnungspolitik der Clinton-Regierung gefunden hat.

Man hat damals damit begonnen, die staatlichen Garantien zu vereinfachen, die ärmeren Familien zum Erwerb eines Hauses gewährt wurden. Bald hat man sich darüber gefreut, daß die steigenden Immobilienpreise eine wirkungsvolle Sozialpolitik für diese Familien erlaubte, die außerdem den Vorteil hatte, daß sie den Staat kein Geld kostete. Noch später haben demokratische Politiker die halbstaatlichen Garantiegeber wie Fannie Mae and Freddie Mac dazu gedrängt, gegen die Warnungen aus deren Kreditabteilungen noch großzügiger mit Hypotheken für arme Familien umzugehen.

Übrigens sitzt einer der Leute aus dem Aufsichtsrat von Freddie Mac jetzt als Stabschef im Weißen Haus, Rahm Emanuel. Da wird sich also wenig ändern. Ärgerlich ist allerdings, daß Obama als Agent des „change“ gewählt wurde, was wohl von Anfang an eher eine Erfindung seiner Werbeagentur war und im Übrigen dafür spricht, daß es zu Bushs Politik wenig Alternativen gibt.

Der zweite Grund ist der noble Einsatz der Amerikaner für die Freiheit der Menschen im Irak. Daß sie dabei alles richtig gemacht haben, behaupten auch die Leute von Bush nicht. Es war vermutlich gar nicht möglich. Aber daß sie es zumindest gewagt haben, kann ein Ruhmesblatt in ihrer Geschichte werden, wenn die Irakis aus dieser Freiheit etwas machen, wofür einiges spricht.

In unserem Land ist das Eintreten für diese Freiheit fast unmöglich. Selbst gutmeinende Leute wirken so, als ob sie ein Vermögen auf das Scheitern der irakischen Demokratie gesetzt haben und deshalb jetzt außerstande sind, den Ahmets und Mohammeds da unten auch nur einen einzigen freundlichen Gedanken oder guten Wunsch zu widmen. Die Zeitungen, besonders die sozialdemokratischen, berichten aus Bagdad überwiegend im Stil der Prawda. Es gibt keinen Fortschritt, wo man ihn nicht haben will.

Wenn ich persönlich etwas zu Bush sagen sollte, dann, daß er mir eigentlich sehr viel stärker vorkam als sein Vater, dessen übergroßem Wesen er angeblich so psychopathisch nacheifert. Dem Senior - ich füge pflichtgemäß ein: dem wir Deutsche viel Dank für seine Hilfe bei der Wiedervereinigung schulden - wurde immer nachgesagt, daß er ein wenig steif sei und eigentlich kein echter kämpferischer „Leader“, der auch mal eine kritische Sache aus dem Feuer holen konnte. Irgendwer hat damals in die Welt gesetzt, Bush sen. behalte beim Liebesakt die Socken an, das sagt alles. Sein Sohn war da nach meinem Eindruck anders, frischer und elastischer.

Daß er auf eine kindliche Art und Weise an Gott glaubt, ist ihm oft zum Vorwurf gemacht worden. Man hat vor allen Dingen angenommen, er würde sich morgens bei der Andacht von Gott dahingehend Weisungen holen, ob die Einkommenssteuer 35% oder 38% betragen solle, oder auch ob er Bagdad von Süden oder von Westen angreifen solle. Ich habe in den USA einige Politiker ein wenig aus der Nähe sehen können und habe festgestellt, daß sie die Wirkung des Glaubens ganz anders sehen. Sie können deshalb sogar ihre politischen Konkurrenten mit großer Offenheit und Freude als Schwesetern und Brüder im Glauben anerkennen. Auch die beten ja morgens und bekämen dann, deutschen Theorien zu Folge, entsprechend einen Einkommensteuersatz von 32% geoffenbart.

Darum ging es aber weder dem einen noch dem anderen. Nein, man betet dafür, daß man die Kraft hat, seine Arbeit vernünftig zu machen. Was dagegen der Inhalt dieser Arbeit ist und wie man Einzelheiten so regelt, daß am Ende ein gutes Ergebnis übrig bleibt, das muß man selbst herausfinden.

So verabschiede ich mich also mit Respekt von diesem Präsidenten. Ich hoffe optimistisch, daß auch sein Nachfolger Barack Obama ein paar gute Eigenschaften mit in sein Amt bringt, damit ich in vier oder acht Jahren mit der gleichen Dankbarkeit auf seine Amtszeit zurückblicken kann, wie auf die acht Jahre Bush.

P.S. Condoleezza Rice hat in der New York Times eine nachdenkliche Zusammenfassung ihrer Arbeit während der Bush-Administration geschrieben.

Mittwoch, 15. Oktober 2008

114 Suren





Gestern habe ich mit der Sure 114, der letzten im Koran, meinen Koran-Blog abgeschlossen. Insgesamt 52 posts sind es geworden, am Ende immer jeweils einer zu einem Block von fünf Suren.

Es war viel Arbeit, aber es hat sich gelohnt. Schöne Lesefrüchte habe ich sammeln können, wie etwa das Begriffspaar am Ende der kurzen Sure 103:

Bei der vergehenden Zeit:
siehe, die Menschen sind wahrlich verloren,
außer denen, welche glauben und das Rechte tun,
und einander zur Wahrheit mahnen und zur Geduld.

Herr Öztaş, dem ich schon gedankt habe, hat viele eigene Kommentare beigesteuert und außerdem solche aus den Büchern moslemischer Philosophen und Theologen. Dadurch ist auch ein guter Einblick in das Denken moderner, frommer Moslems entstanden, eine mir vorher fremde Welt.

Ein Christ will ich bleiben, auch wenn meine Frau mich schon halb zum Islam übergetreten sah, nach den vielen Stunden mit dem Koran. Aber die sicherlich ansteckende Frömmigkeit von Herrn Öztaş und seinen Lehrern bringt mich eher dazu, selbst nach mehr eigener Frömmigkeit zu suchen, nach christlicher.

Vereinfachungen möchte ich weiterhin vermeiden. Daß wir am Ende alle an den selben Gott glauben, kann nur der so einfach dahinwerfen, der sich über die Unterschiede hinwegsetzt, die sich aus dem Reden des einen und des anderen Gottes ergeben.
Wenn er einer ist - warum redet er dann zweierlei? Man kann das nur heilen, wenn man der jeweils anderen Seite schwere Verständnisfehler vorwirft. Aber gerade das sollte man nicht tun.

Ähnlich ist dagegen das Reden der Menschen zu Gott hin. Es ist von Sehnsüchten und Hoffnungen durchdrungen, die alle ihr Ziel in Gott haben. Die Bewegung in Gottes Richtung prägt die Frommen dort wie hier in ganz ähnlicher Weise. Eine Sure wie die obige könnten auch Christen beten, so wie etwa Psalm 1 von einem Moslem Wort für Wort wiederholt werden kann.

Er muß dabei allerdings ein anderes Wort für JHWH finden, das zweimal in Psalm 1 vorkommt (das jüdische Vorbild adonai bietet sich an). Ich habe umgekehrt bei allen Suren, die ich im Blog wiedergegeben habe, das arabische Allah durch Gott ersetzt, dann wirken sie weniger fremd. In der Bibel ist Elohim ja auch nicht in der ursprünglichen Sprache belassen.

In den moslemischen Kommentaren wirkt die alte Sitte noch nach, bei der Erwähnung hochgestellter Persönlichkeiten anzuhalten und einen Gruß wie "Friede sei mit ihm!" anzufügen. Ich greife das auf und grüße am Ende mit Respekt den noblen Koran - Friede sei mit ihm! - und streichle meiner etwas angestoßenen Elberfelder Bibel über den Rücken. Friede auch mit ihr - sie soll mich weiter treu begleiten, denn ohne ihre Freundschaft wäre ich verloren.

Dienstag, 30. September 2008

Am Ende eines Sabbatjahres




Mit dem heutigen 30. September, dem 1. Tischri im jüdischen Kalender, beginnt in Israel das neue Jahr 5769. Nach orthodoxer Zählung ist es auch der Anfang eines neuen Zyklus von sieben Jahren, an dessen Ende 5775 ein Sabbatjahr steht. In einem solchen Jahr lassen die frommen Juden ihre Äcker ruhen und ihre Fruchtbäume und -sträucher unabgeerntet. Am Ende dieses Sabbatjahres shmita soll sogar eine Schuldenerlaß für alle Menschen im Land ausgesprochen werden. Die englische Ausgabe von Wikipedia hat über dieses shmita-Jahr viele detaillierte Informationen.

Gestern, sozusagen am jüdischen Silvester, ist das Sabbatjahr des letzten shmita-Zyklus zu Ende gegangen. Der Kommentator der Jerusalem Post ist mit der festen Erwartung zu Bett gegangen, daß es am Ende dieses Sabbatjahres ein globales shmita mit einem Erlaß von $ 700.000.000.000,- für das amerikanische Finanzsystem geben würde, und das ausgerechnet an dem Tag, der genau den orthodoxen Vorschriften entspricht.

Heute morgen konnte er und wir alle mit Schrecken nachlesen, daß der amerikanische Kongreß 228 : 205 gegen den Schuldenerlaß gestimmt hat. Keine gelungenes Ende eines Sabbatjahres also.

Das Zusammenfallen von shmita und Kongreßbeschluß kann unangenehme Assoziationen heraufbeschwören. Was wäre, wenn die Kongreßabgeordneten sich in Kenntnis der jüdischen Gebräuche gegen einen Schuldenerlaß ausgesprochen haben? Sie wissen zumindest um das jüdische Neujahr heute, es ist ein freier Tag für den Kongreß*. Haben sie vielleicht unter Anderem auch deshalb gegen das Entschuldungspaket gestimmt, um zu zeigen, daß man nicht bereit ist, für die Juden einzutreten und Steuergelder zu opfern? Immerhin gibt es diffuse Querverbindungen zu den Ressentiments gegen Wall Street, die dunklen Figuren hinter dem ganzen Finanzskandal sind vielfach jüdischer Abstammung - im Zentrum Alan Greenspan, der langjährige Chef der Zentralbank, dessen aufgedrehter Geldhahn angeblich für die Misere verantwortlich ist, ebenso Ben Shalom Bernanke, sein Nachfolger mit dem Rabbi-Bart.

Man könnte an die unterlassenen Hilfeleistungen für die Juden im Zweiten Weltkrieg erinnert werden. Ganz offenkundig hat man damals seitens der USA jüdische Emigration behindert, hat militärische Einsätze wie die Bombardierung des Schienenweges nach Auschwitz unterlassen, weil man den Krieg nicht für die Juden führen wollte. Eine breite antisemitische Strömung in den USA (mit Henry Ford als prominentestem Sprecher) hätte der Regierung große Probleme bereitet, wenn auch nur der Anschein erweckt worden wäre, es würden amerikanische Soldaten für jüdische Interessen ihr Leben lassen.

Dies mit dem gestrigen Ende des Sabbatjahres und dem Schuldenerlaß für die Finanzmärkte zu verbinden, ist sehr weit hergeholt, ich weiß. Aber es bleibt eigenartig, wie sich in diesen historischen Stunden Dinge untereinander verbinden.

*Spiegel-online beschwert sich sehr darüber, daß deshalb heute die Abgeordneten für zwei Tage nach Hause gefahren sind.

Samstag, 20. September 2008

Nichts ist schwerer zu ertragen …





Scuol / Schweiz, letzter Tag

Nichts ist schwerer zu ertragen als eine Reihe von guten Tagen. Mit diesem Goethe-Reim* im Herzen wird uns der Abschied von diesem perfekt schönen Land etwas leichter. Es ist tatsächlich so, daß man angesichts von vielen großen Eindrücken ringsum, die wiederum zwangsläufig, ja verpflichtend zu einem Gefühl des Glücks und der Dankbarkeit führen müßten, manchmal von dem Gedanken belastet wird, daß man allen diesen wunderbaren Dingen im Grunde innerlich nichts entsprechendes entgegenzuseten hat.

„Kinder, wißt ihr, wie gut ihr es habt?“ mahnte uns unsere Mutter an schönen Urlaubstagen (wir wußten es natürlich und wußten es doch nicht), und entsprechend steht es dann an Tagen wie den vergangenen wie eine unerfüllbare Maxime über jeder einzelnen Stunde: „Sei glücklich!“ Es ist nicht zu schaffen.

Ich bin an manchen Morgen mit der Nachwirkung düsterer Träume, dem üblichen Gemisch berechtigter und unberechtigter Alltagssorgen älterer Menschen, wachgeworden und hatte dabei gleichzeitig den Blick auf die wunderbare Bergwelt, die mich zum Fenster hinein grüßte. Ich habe dann versucht, das alles unter einen Hut zu bringen, die Probleme, die ich mit mir herumschleppe und gleichzeitig das Bewußtsein, mich in einer Hoch-Zeit meines Lebens zu befinden. Aber es paßte alles irgendwie nicht zueinander.

Das Glück der letzten Tage ist wie eine schöne Musik gewesen, die man mit Nebengeräuschen vorgespielt bekommt. Manche Ansichten von hohen Aussichtspunkten aus, waren getrübt vom vergossenen Schweiß des Aufstieges, der in den Augen brannte. Manche Panoramablicke auf langen Wanderungen waren wegen der müden Füße nur halb so genußvoll, wie es die Fotos, die man später betrachten wird, glauben machen werden.

Aber trotzdem: es ist Glück gewesen.



Und es war an vielen Orten ein doppeltes Glück, weil nämlich die Erinnerung zurückkam an die Zeiten mit den Kindern, mit denen wir hier vor zuletzt zwölf Jahren Urlaub gemacht haben. Matthias als der Jüngste war damals 9 Jahre alt.

Daß wir ihnen die Schönheit der Berge gezeigt haben, daß wir sie in eine teilweise unberührte, teilweise in ihrer Kraft kaum zähmbare Natur geführt haben, das erfüllt mich in der Erinnerung mit tiefer Dankbarkeit und Genugtuung. Sie haben es gesehen! habe ich oft gedacht, habe mich manchmal auch daran erinnert, wie schön es damals war. Auch damals ging es nicht ohne Nebengeräusche ab, ich mußte die Touren in die Berge oft gegen mancherlei Widerstand organisieren.

Meine Kinder sagen mittlerweile, ich hätte ihnen damals mehr Freiheiten lassen sollen, ihr eigenes Programm zu organisieren, aber ich erinnere mich daran, wieviel Kraft es schon gekostet hat, sie wenigstens jeden zweiten oder dritten Tag für ein paar Stunden aus ihrem gewohnten Programm hinaus und in die Berge zu locken. Aber sie sind mitgegangen, und ich glaube, daß sich das Panorama der Dreitausender auf der Südseite des Inn unvergeßlich in das Herz eines jeden einprägt, der den Höhenweg von Guarda über Ardez nach Ftan und Scuol nimmt (wir gingen ihn am Dienstag und erinnerten uns an Einzelheiten des damals mit den Kindern gegangenen Weges).

Das Zusammenspiel der ewigen Berge und der vom Schönheitssinn der Menschen und von ihrer Tapferkeit und Kraft zeugenden alten Besiedlungen der Menschen hoch auf der Nordseite des Flusses ergeben zusammen einen in dieser Form auf der ganzen Welt sicherlich kaum ein zweites Mal zu findenden Eindruck.

Glücklich der Mensch, der Bilder davon in seiner Seele nach Hause trägt.

* So wie er häufig zitiert wird. Wörtlich heißt es wohl Alles in der Welt lässt sich ertragen, Nur nicht eine Reihe von schönen Tagen. Aus Goethes Sammlung „Sprichwörtlich“ von 1815.

Freitag, 19. September 2008

Auf den Spuren von Ludwig Erhard





Scuol / Schweiz

Hier ganz in der Nähe hat sich auf einem Berggipfel des Engadin in den Zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts etwas Wichtiges für die Deutsche Entwicklung nach 1945 ereignet, psychologisch betrachtet. Der Student Ludwig Erhard, geboren 1897, wurde zur Abschlußprüfung zwecks Erwerb des Doktortitels von seinem Frankfurter Professor Franz Oppenheimer in dessen Urlaubsort Celerina eingeladen. Und da Oppenheimer den ihm lange und gut bekannten Schüler nicht mehr wirklich befragen sondern mit ihm ein paar angenehme Tage verbringen wollte, lud er den fußschwachen und im Ersten Weltkrieg schwer an der Schulter verwundeten Erhard kurzerhand zu einer Bergwanderung auf den Gipfel des Corvatsch (3.451 m) ein.

Die ungewohnte Anstrengung wurde dem bergunerfahrenen Erhard reichlich belohnt: auf dem Gipfel angekommen verlieh ihm der Professor feierlich die Doktorwürde „zum höchsten Doktor in Europa“.

Vermutlich hat dieses Erlebnis auf Erhard menschlich ungemein stärkend gewirkt. Eine erfolgreich überstandene Bergtour, wenn möglich noch mit der Erreichung eines Gipfels oder einer Paßhöhe kann ja eine motivierende Langzeitwirkung haben – wer die Problem oben in der Höhe bewältigt hat, dem erscheinen auch die täglichen Probleme in den Niederungen des Lebens nicht unüberwindlich.

Erhard hat bekanntlich nach 1945 viele mutige Entscheidungen bei der Einführung der Mark getroffen, wer weiß, vielleicht manchmal mit den Bildern vom Piz Corvatsch im Kopf.

Wir sind auf Erhards Spuren dem Piz Clünas (rechtes Foto, 2.793 m) zumindest nahe gekommen. Etwa 300 m unter dem Gipfel sind wir angesichts des nahen Abends allerdings nicht weitergegangen und haben uns auf den Heimweg gemacht.

Wenige Tage später hat Christiane dann bei einer Autotour über abenteuerliche Serpentinen unseren Skoda sicher auf das Stilfser Joch, der mit 2.757 m zweithöchsten Paßstraße Europas*, gelenkt, trotz einsetzendem Schneefall. Sie hat danach allerdings nicht von Stärkungserlebnissen erzählt, wie sie überhaupt Bergabenteuer lieber anderen überläßt.

Ich persönlich liebe die überstandenen Gefahren der Berge dagegen sehr, wobei ich sie allerdings ebenfalls möglichst zu minimieren suche. Irgendwie möchte ich hier oben ein wenig von meiner früher fast krankhaften Höhenangst verlieren, das gelingt aber nur teilweise.

Bergsteiger müßten wegen der vielen überstandenen Gefahren immer frohe und selbstbewußte Leute sein, sagt man sich. Es ist dann enttäuschend, im Fernsehen einen griesgrämigen, kleinlich auf sein Renommee bedachten Reinhold Messner zu erleben. Berge können den Menschen offenbar auch klein machen.

* Höher unter den asphaltierten Pässen ist nur noch der Col de l'Islain in Frankreich mit 2.770 m.

Donnerstag, 18. September 2008

Maler und Schreiber





Scuol / Schweiz

Die schönste Zeit am Tag beginnt, wenn Christiane ihren Malkasten öffnet und auf besonderem Papier und mit Materialen, die teilweise noch mein Vater angeschafft hat, beginnt, Aquarelle zu malen. Das kleine Appartement hier füllt sich nach und nach mit ihren bunten Bildern, die sie – wie ich meine: mit einigem Geschick – von Vorlagen bekannter Maler oder von Fotos abmalt. Ihre Vorbild sind Hermann Hesse, von dem sie ein Buch mit Aquarellen hat, und Klaus Fußmann, der Lehrer unseres Maler-Vetters Christopher Lehmpfuhl. Christopher malt in Öl, das läßt ihn als Vorlagengeber erst einmal ausscheiden.

Ich sitze dabei – wie jetzt – schreibend mit dem Laptop auf dem Schoß nicht weit von ihr entfernt und freue mich an der Illusion, dies hier wäre wohl so eine Art von Künstlerkolonie! Zwar ist kein van Gogh hier, auch kein Thomas Mann, aber zwei Leute, die angefangen habe, das Geschehen um sie herum genauer zu beobachten, weil sie es später einmal auf ihre jeweils eigene Weise wiedergeben wollen.

Eigentlich malt und schreibt man für sich allein. Man festigt dabei die Eindrücke, die man zuvor gesammelt hat, ergänzt sie, liest nach (Wikipedia ist eine wunderbare Welt für sich!) und stellt einen kleinen Ausschnitt zusammen, den man für erwähnenswert hält. Ob einer die Bilder ansieht, die Texte liest? Fast ist es gleichgültig, aber geschmeichelt ist man schließlich doch, wenn man, wie ich über „sitemeter“ erfahre, daß mein Blog 80 mal pro Woche aufgerufen wird. Danke Leser! Ja, D i c h meine ich, Hallo! Auf jeden Fall gibt man sich etwas mehr Mühe und fragt sich, ob das alles überhaupt jemanden interessiert.

Oft verneint man diese Frage beklommen und läßt den Text dann doch stehen. Solche Kritiklosigkeit unterscheidet einen am Ende von Thomas Mann – nicht von van Gogh, denn der hat seine Bilder ja ebenfalls nicht verkaufen können und sich nicht darum geschert, ob die dicken Striche beim Publikum ankommen oder nicht.

Eins gewinnt man auf jeden Fall: ein besseres Augenmaß für die besonderen Leistungen der wirklichen Maler und Schreiber. Nietzsche hat das einmal so formuliert: Wer die Kunst kritisieren will, schaffe zuvor erst einmal selbst ein eigenes Kunstwerk. Ich habe das Originalzitat im Internet nicht finden können. Vielleicht heißt es ja darin auch: er versuche sich zunächst einmal an einem eigenen kleinen Werk.
Wie auch immer – die Freude am werkeln war einer der vielen Lichtpunkte in diesem schönen Urlaub.

Mittwoch, 17. September 2008

Entschlacken





Scuol / Schweiz

Die Familien meiner väterlichen und mütterlichen Großeltern unterschieden sich in ihrem Lebensstil, die mütterliche Seite war vom Bildungsbürgertum geprägt, die väterliche eher vom Besitzbürgertum. Die Unterschiede waren so stark, daß es die Ehe meiner Eltern an manchen Tagen in arge Spannungen versetzte. In einem aber waren sich alle, Eltern und Großeltern, immer einig: im Segen naturheilkundlicher Verfahren. Kalte Wassergüsse, kathartische Klistiere, nasse Wadenwickel und andere Foltermethoden (als höchste Strafe den Ganzkörperwickel, genannt Packung) wurden uns Kindern von der gesamten Großfamilie ohne Unterschied im Krankheitsfall befohlen, so daß es für uns nirgendwo eine Gnadeninstanz und entsprechend kein Entkommen gab.

Der menschliche Körper in seinem Inneren war, Grundanschauung für sie alle, auf eine besondere Art verdorben und verschmutzt und mußte deshalb auch auf eine besondere Art gereinigt, „entschlackt“ werden. Ich habe diesen Glauben an naturgegebene oder erworbene „Schlacken“ mit der Muttermilch aufgesogen und ihn eigentlich erst im Alter zögernd in Frage gestellt. Können menschliche Körperzellen, so frage ich mich, tatsächlich eine Art von Schmutzrand bilden, den man durch kräftiges Spülen oder durch den Zusatz von bestimmten, in alle Winkel dringenden Wirkstoffen wieder wirksam herauswaschen kann?



(aus einer Hinweistafel an einem Wanderweg in der Nähe der Luziusquelle)

Je länger ich darüber nachdenke, desto unwahrscheinlicher erscheint mir diese Theorie. Der menschliche Organismus nimmt Kraut und Rüben in sich auf und sucht sich von allem das Beste heraus. Gifte besiegt er mit Hilfe von mancherlei Immunstoffen, sie werden ihm nur zum Problem, wenn die Dosis eine kritische Grenze übersteigt. Umgekehrt gleicht er den Mangel an notwendigen Substanzen auf vielfältige Weise aus. Würde er tatsächlich auch Schlacken anlagern, so wie ein Hochofen für Kohle und Stahl? Dafür erscheint mir mein Körper zu gewitzt zu sein.

Nun wäre aber ohne den Glauben an Schlacken und die Hoffnung auf „Entschlacken“ der Tourismus in diesem schönen Teil der Schweiz nicht denkbar. Er begann nämlich mit der Endeckung mineralischer und salziger Quellen unweit von Scuol und dem Glauben an die heilsame, „entschlackende“ Wirkung der dort aus der Tiefe der Erde sprudelnden Wässer. Könige und Fürsten pilgerten in der Folge zu den Quellen des Unterengadins. Sie alle wollten die Schmutzränder ihrer hochwohlgeborenen Leiber loswerden.

Vermutlich hat es ihnen geholfen, denn sie kamen wieder und brachten im Gefolge andere Schlackenträger mit sich, mit der Zeit auch Bürger und Bauern. Es wurden Straßen, Hotels und Bergbahnen für sie gebaut, heute profitiere ich davon.

Die 25 Schweizer Franken allerdings (€ 16,-), die ich für zwei Stunden Baden in warmen und kalten Quellen, salzig und süß, im „Buogn Engiadinia“, dem modernen „Engadiner Bad“, bezahle, schmerzen mich, denn der ganze Aufwand um ein paar Kubikmeter aufgesammeltes Badewasser ist in Remscheid für weniger als die Hälfte (€ 7,-) zu haben. Nur entschlackt das Wasser dort nicht.

Dienstag, 16. September 2008

Heilandsgesichter



Scuol / Schweiz

Der junge Mitarbeiter des Nationalparks, dem wir im Val Mingèr begegnen, hat das typische freundliche Schweizergesicht, das ich hier oft gesehen habe, und von dem ich nach langem Nachdenken über sein Wesen sagen möchte: es ist ein Heilandsgesicht.

Es gibt diese besonderen Gesichter hier, Gesichter die Ruhe und Frieden ausstrahlen, Gesichter bei denen man zu Hause sein möchte, von denen man sicher ist, daß hinter ihren Stirnen und ihren Augen keine bösen Pläne vorhanden sind.

Ob es an dem langen Frieden liegt, den dieses Volk genossen hat, oder an der langsamen Sprache der Bergvölker, die besser für das Zuhören als für das Reden geeignet ist, ob sich hier in der Höhe ein Bewußtsein gebildet hat, daß man in den Flachländern ringsum eine sündige Welt vermuten muß, und daß man deren Schuld nur mit unendlicher Geduld begegnen kann – wie auch immer: die Schweiz hat den Typus des langmütigen Menschen hervorgebracht, der ohne große Anstrengung auch Züge des Erlösers annehmen kann.

Es ist wohl kein Zufall, daß Jim Caviezel, der Jesus-Darsteller in dem berühmten Passionsfilm von Mel Gibson, Schweizer Abstammung ist, romanischer sogar, der Großvater stammt aus Graubünden, der Name Caviezel kommt hier im Engadin häufig vor.

Kann man sie zum Zorn reizen, diese Lämmer hier in diesem Land? Kann man herausfinden, was sie mit der ganzen angestauten Wut machen, die sie über die niederdeutschen Meiers und Müllers haben müssen, die hier Jahr für Jahr wie die Heuschrecken eingefallen kommen, aus der Tiefebene herauf, und die mit ihrer Ungeduld und ihrer schnellen Zunge den Frieden der Berge stören?

Von den Österreichern weiß man, daß sie das Ventil haben, uns „Piefkes“ zu nennen und sich im Vergleich mit uns für etwas Besseres zu halten, weil man sich still im Glanz alter Wiener k. u k. Zeiten sonnen kann, einem Glanz, an den Berlin nie herangekommen ist.

Haben die Schweizer vielleicht einen vergleichbaren Weg, ihren Mißmut abzuführen? Ich vermute: nein. Aber ich meine, ein Mittel erkannt zu haben, mit dessen Hilfe sie doch alle am Ende noch auf ganz eigene Weise den Spieß herumdrehen. Sie schreiben – eine Rechnung.

Die Preise sind hier alle so gesalzen, daß man wohl am besten vorsorglich ein frommes Gesicht macht, wenn man sie dem Zahlenden mitteilt.

Solche wirtschaftliche Vernunft muß nicht die Kehrseite vom Heiland-Sein bedeuten. Im Gegenteil: vielleicht ist das a u c h ein Aspekt der Frömmigkeit, daß eben das Teuerste gerade gut genug ist, um sie in das eigene Leben einbeziehen zu dürfen.

Montag, 15. September 2008

Cusdrina



Scuol / Schweiz

Hier am Ort lebt in einem schönen alten Engadiner Haus meine Cousine Ruth mit ihrer Familie. Sie war die erste, die Scuol sozusagen für die Großfamilie erschlossen hat, als sie vor über zwanzig Jahren eine Stelle in einem der hiesigen Hotels annahm. Ihre Söhne Elias, 16, (im Bild in der Hautür in der Straße Somvi), und Simeon, 14, sind hier geboren und haben auf der Schule Romanisch zu sprechen gelernt, in den letzten Jahren im noblem Hochalpinen Institut, dem Engadiner Gymnasium, im Nachbarort Ftan wunderschön gelegen. Es ist ein Internat an die Schule angeschlossen, welches Schüler aus der ganzen Welt anzieht.

Vom Paß her sind die beiden Söhne Deutsche, auch von der Sprache und der Vorliebe für unsere Nationalmannschaft. Vom Vater Costa haben sie griechisches Blut, unterhalten kann man sich mit ihnen mittlerweile in vier oder fünf Sprachen. Für mich sind sie meine griechisch-römischen Neffen.

Costa ist ein wunderbarer Fotograf, der immer traumhaft sicher den richtigen Moment für den Auslöser trifft, den Moment also, den ich immer ebenso sicher verpasse. Er fotografiert im Winter die Sporttreibenden des örtlichen Robinson-Clubs im Schnee und im Sommer die Wassersportler eines anderen Robinson-Clubs in seiner Heimat in Griechenland. Für ihn ist noch Sommer, er kommt im Oktober in die Schweiz zurück.

Ruth ist meine jüngste Cousine von der väterlichen Seite her und war früher zusammen mit meiner jüngsten Schwester Esther das für die witzigen Situationen zuständige Gespann in der Großfamilie. Von dieser Begabung hat der Ernst des Lebens ihr glücklicherweise nicht viel wegnehmen können, wir haben vorgestern viel zusammen gelacht.

Ihre beste Freundin Elisabeth , die wir bei Ruth kennenlernten, kommt aus Südtirol und konnte uns bezüglich unseres Verwandtschaftsgrades den italienschen Unterschied zwischen cugina (Cousine) und cucina (Küche) klar machen. Die freundliche Sara, die uns in der Gaststätte „Trü“ die Pizzas servierte, half dann auch noch mit dem romanischen Begriffspaar: hier heißt die Küche ähnlich wie im Italienischen cuschina die Base dagegen cusdrina.

Wohlergehen möge es der Cusdrina aus dem Engiadina!




Hier Mit Sohn Simeon.

Samstag, 13. September 2008

Alte Künste



Kloster Müstair / Schweiz

Auf der östlichen Seite des Ofenpasses gelangt man hinunter in ein Seitental, das in den südtiroler Vinschgau mündet, dem breiten Tal der Etsch, dem Fluß aus der ungeliebten ersten Strophe des Deutschlandliedes von Hofmann von Fallersleben, 1841 auf Helgoland komponiert. Man gelangt die Etsch hinunter nach Meran und Bozen und später nach Verona und bis in die Adria, die Mündung liegt in der Nähe von Venedig.


Das Seitental davor gehört noch ein Stück zur Schweiz, genau: bis zum uralten Kloster Müstair (Fotos aus dem Internet). Dort soll um das Jahr 800 herum König Karl der Große beim Überqueren des nahen Umbrail-Passes durch starkes Unwetter in Not geraten sein und soll danach im Tal dieses Kloster gegründet haben, aus Dankbarkeit.

Die Legende ist nirgendwo historisch zu belegen, aber die Balken der alten Klosterkirche sind vor wenigen Jahren auf ihr Alter untersucht worden und stammen tatsächlich aus der Zeit um 750. Nach und nach hat man in den letzten Jahren den Wert der uralten Bausubstanz, die um das Jahr 1450 gotisch umgestaltet wurde, erkannt, hat die alten, teilweise übermalten Fresken aus der Zeit Karls des Großen und seiner Nachfolger, der „Karolinger-Zeit“, wieder freigelegt, zu ihrem Schutz sogar die Heizung entfernt, so daß die Benediktinerinnen im Winter für ihre regelmäßigen Gebete in eine andere Kapelle ausweichen müssen, und hat sich auf diesem Weg das Unesco-Gütesiegel „Weltkulturerbe“ erworben.

Die uralten Bilder bestätigen dieses Prädikat. Sie führen den Betrachter in einer Zeitreise sozusagen mit dem Aufzug in ungeahnt tiefe Stockwerke. Die rund 800 Jahre zurück bis zum Bau des Kölner Doms (um 1225) sind wenig im Vergleich zu den 1200 Jahren bis nach Müstair hinunter. Hier sind eher die Ikonen der Hagia Sophie (um 500) nahe, das Mittelalter ist im Kirchenraum von Müstair noch Zukunft.


Ob wir etwas von den Menschen, die diese Kirche in Urzeiten einmal ausgemalt haben, wissen? Für mich verbergen sie sich hinter ihren formalisierten Bildern mehr als daß sie sich zeigen.

In der Kirche sangen um Fünf die Benediktinerinnen des Klosters ihre Vesper, unsichtbar für uns, von der Empore hinunter. Der Gesang erklingt hier seit 1200 Jahren täglich, mit wenigen Unterbrechungen wegen Krieg, Feuer und Not. Auch der Gesang verbirgt die Sänger mehr als daß er sie zeigt. Vermutlich muß man erst einmal selbst viele Jahre Tag für Tag die Vesper und die anderen Tagesstationen gesungen haben, um den Sinn zu verstehen.

Man sang in Deutsch, Vaterunser und Avemaria. Die Dialektfärbung war unüberhörbar „gebänädait ist die Frruucht deinäs Laibäs“. Alles auf einem Ton.


Im Nachbarort St. Maria hat eine Handweberei mit öffentlicher Hilfe den Betrieb aufgenommen und bildet vier junge Mädchen zu Weberinnen aus, „Textilgestalter“ im Amtsdeutsch. Man kann ihnen gegen Eintritt bei der Arbeit zusehen und sich von ihnen noch einmal die mechanischen Grundlagen ihrer Arbeit erklären lassen. Viele Jahrhunderte lang war der Preis, den man für die „fruits of the loom“, die Früchte des Webstuhles zu bezahlen bereit war, die soziale Grenzlinie, an der wirtschaftliche Gerechtigkeit prüfbar und oft zerstört wurde. Reichtum und Elend entschieden sich an den Preisen, die man den Webern zu zahlen bereit war.

Das Heraufkommen der Maschinen machte das Handwerk zu einer unbezahlbaren Kunst. 800 m webt die Maschine in der Stunde, sagte uns die Leiterin der Werkstatt, 80 cm der Mensch. Trotzdem bildet man hier aus, die produzierten Designer-Stücke sind sündhaft teuer, finden aber offenbar guten Absatz bei den wohlhabenden Ferienhausbesitzern, die ihre Bauernmöbel aus Arvenholz um passende handgewebte Leinenstoffe ergänzen wollen.

Weberei geschieht immer im rechten Winkel zwischen „Kette“ und „Schuß“. Das Weberschiffchen schießt den Querfaden (Schuß) zwischen die je nach Muster von einer „Litze“ hoch- und niedergehaltenen, auf dem Webstuhl fest aufgespannten Längsfäden (Kette). Die Litze hängt in Rahmen (Schäften), von denen einige Webstühle in St. Maria bis zu 15 aufwiesen.

Die Weberin tritt ein Holzpedal, einer Kirchenorgel ähnlich, und wählt damit den Schaft und seine Litze aus. Wenn der Faden durchgeschossen ist, wird er mit einem Kamm (unter dem breiten Balken im Vorderfund des Fotos) an den bereits fertigen Stoff angedrückt. Nur wenn man den Druck der Hand auf dieses „Webblatt“ immer in der gleichen Weise ausführt, entsteht ein gleichmäßiges Stück Stoff. Jeder Weber sollte deshalb, sagte man uns, möglichst sein Stück Arbeit von Anfang bis Ende allein fertigstellen.

Die Leiterin der Manufaktur war eine junge Frau mit den ebenmäßigen bräunlichen Gesichtszügen, die das Bild der Schweizer „Heidi“ in der ganzen Welt beliebt machen. Ein winziges Nasenpiercing störte nicht, sondern überhöhte den angenehmen Doppeleindruck von äußerer Schönheit und innerer Gutheit, den man in Deutschland nur noch selten findet*.

Ich habe vor Jahren auf einer Hütte meinen damals 12jährigen Sohn Matthias auf eine ähnliche Heidi, die mit uns am Tisch saß, aufmerksam gemacht und ihm empfohlen, bei der Brautwahl auf diesen Typus zu achten. Er wird am 17. September 21 Jahre alt. Mal sehen, was er aus meiner Empfehlung macht.

* Tochter Christinas Gastvater Jim Smith in Florida, sagt es in seinem breiten Südstaaten-Slang so: „Y’now Chrish-chian, some women’re purdy (pretty) – but they ain’t good, an’ summ’a them are good – but they ain’t purdy. We are lucky men, because our’s are purdy and good.“