Sonntag, 22. August 2010

Podolski, der Aufsichtsrat






Gestern im Kölner Stadion das befremdliche Auftreten von Lukas Podolski, dem Lieblingskind der Kölner. Langsam und versonnen läuft er über das Feld, den Blick nach unten, als sei es seine Aufgabe, den Zustand des Rasens beständig im Auge zu halten. Die schnellen und engagierten Bewegungen seiner Mitspieler macht er nicht mit, dirigiert sie aber aus der Distanz mit den Handbewegungen eines wissenden Lenkers.

Er selbst hält sich offenbar sehr bewußt aus dem Tagesgeschäft heraus. Bekommt er einmal einen Ball, macht er ein oder zwei entschlossene Spielzüge mit, distanziert sich dann aber wieder, indem er meist auf eine weit links herausgezogene Position geht. Auf der geschieht aber wenig, weil seine lebhaften Mitspieler in der Regel eher auf der rechten Seite ihren Sturmlauf entfalten.

Einmal bekommt er auf dieser linken Position schließlich doch den Ball, umspielt einen Kontrahenten und wird von diesem sogleich von hinten gefoult. Ein Entsetzensschrei des treuen Publikums, der Schiedsrichter pfeift energisch, Podolski liegt minutenlang wie tot da, obwohl ihm eigentlich nur ein Bein gestellt worden war. Den Freistoß übernimmt ein Mitspieler, während Podolski von einem Ärzte- und Sanitäterteam an der Seitenlinie langsam ins Leben zurückgeholt wird. Der Freistoß bringt nichts ein, aber immerhin kommt Podolski wieder auf das Feld und setzt seine schließlich auch irgendwie beruhigt wirkenden Kontrollrunden weiter fort. Es hält einer die Wacht, das ist gut zu wissen.

Nach 75 Minuten wechselt man ihn still aus. Da ist das Spiel aber auch schon verloren und die Kölner müssen weiter darüber sinnieren, was die eigentliche Rolle dieses teuersten Spielers der Kölner Vereinsgeschichte ist. Nach meinem Eindruck ist die Antwort: der Verein hat ihn als Aufsichtsrat eingestellt.

Sein Gehalt ist kein Problem, das zahlen ihm die Kölner aus reiner Anhänglichkeit. Er ist da, ist in Köln, das genügt.



Freitag, 20. August 2010

Vetter Christopher malt





Mein Vetter Christopher Lehmpfuhl malt, und er malte gestern im Bergischen Land. Er war mit seinem großen, mit Farbtöpfen und Leinwänden vollgestellten Lieferwagen für ein paar Tage aus Berlin gekommen und bereitete eine Ausstellung vor, die in einigen Monaten im Krefelder Kunstverein stattfinden soll. Sein Galerist in Düsseldorf, für den er schon häufiger Bilder aus dem Rheinland gemalt hat, wird auch die jetzt neu entstehenden Bilder nach der Krefelder Ausstellung zum Verkauf anbieten.

Mein Vetter Christopher ist Landschaftsmaler. Er malt bei Eiseskälte und Gluthitze draußen in der freien Natur und bringt die allermeisten Bilder vollständig fertig gemalt in sein Atelier zurück, ohne sie dort weiter bearbeiten zu müssen. Gestern habe ich ihn einen ganzen Tag lang begleitet und aus der Nähe sehen können, wie insgesamt sechs Bilder, zwei große und vier kleinere entstanden.

Christopher hatte am Tag zuvor Motive in Krefeld und Duisburg gemalt und für die folgenden Tage weitere Bilder in Köln und Düsseldorf auf dem Plan. Mir war es zu meiner Freude gelungen, ihn schon vor einigen Wochen mit einigen Fotos aus dem Bergischen Land dazu zu bewegen, ein wenig vom Weg abzugehen und sich auch einmal mit der unspektakulären Schönheit meines Heimatlandes zwischen Ruhr und Sieg zu beschäftigen.

Als wir morgens seinen Wagen bestiegen und losfuhren, war meine bange Frage, ob ihn die realen Orte, an denen ich die Fotos gemacht hatte, wirklich so ansprechen könnten, daß er anhalten und mit dem Malen beginnen würde. Schon der erste Punkt, das Diepmannsbachtal (Foto), in dem wir bei unserer kleinen Rundfahrt um Remscheid herum begannen, erwies sich dann aber zu meiner Erleichterung gleich als malbar. Ich hatte das Motiv allerdings auch mit Hilfe eines kundigen Wanderers, des pensionierten Pastors Eberhard Kulosa entdeckt, der an dieser Stelle innehielt und mir eine kleine Lehrstunde über die weichen Formen und die sinnlichen, vielfach an einen Frauenkörper erinnernden Geländelinien des Bergischen hielt.

Auch ein kleines Talstück zwischen Lennep und Bergisch Born fand bei unserer vorbereitenden Rundfahrt Christophers Gefallen, genauso wie wenig später der weite Blick in die Hügel und Täler bei Dreibäumen. Als letztes wurde dann die Müngstener Eisenbahnbrücke besichtigt, Postkartenschönheit seit ihrer Fertigstellung 1897, dem Eiffelturm in ihrer Konstruktionsweise verwandt.

Sie wurde schließlich als erste gemalt, mit dem Plan, danach rückwärts über Dreibäumen und Lennep wieder zum Diepmannsbachtal zu fahren und jeweils auch an den anderen Orten zu malen. Dieser Plan erwies sich später als zeitlich nicht durchführbar, auch wenn Christopher sowohl in Müngsten als auch in Dreibäumen sehr schnell und zielsicher malte. Er hatte mich allerdings auch bereits vorher gewarnt: die Logistik seiner Arbeit erfordere oft mehr Zeitaufwand als die eigentliche Malarbeit selbst.

Dies zeigte sich dann auch in Müngsten, wo erst einmal ein längerer Weg zwischen Parkplatz und Brücke mit einer Sackkarre voll Farbeimern und einer etwa 2,50 m x 1,50 m großen Leinwand zurückgelegt werden mußte, und wo ich miterleben konnte, wie allein das Anziehen von Christophers „Malkleidern“ – alte Hosen und T-Shirts in zwei oder drei Schichten übereinander, die er nach jedem Malgang wegwirft – eine Menge Zeit in Anspruch nimmt.

Christopher verzichtet seit etwa zwei Jahren auf Pinsel und malt mit den Händen, die zu diesem Zweck in drei Lagen Gummihandschuhe gesteckt werden. Beim Aufstreichen der Farben auf die Leinwand entstehen durch wiederholtes Wischen ganz überraschende Farbfelder – so etwa, wenn er eine tischtennisballgroße Kugel aus weißer und blauer Farbe in die Hand nimmt und durch schnelles Hin- und Herwischen einen hellblauen Himmel auf die Leinwand zieht, den er später dann z.B. noch einmal mit dunklerer Farbe überstreicht und vermischt, wenn er das Grau von Wolken erzeugen will.

Alle seine größeren Bilder sind klar als nur wenig abstrahierte Abbilder des Gesehenen zu identifizieren. Die dargestellten Gegenstände werden meist als größere und kleinere Farbmassen, die erst einmal wie vorläufig wirken, auf die Leinwand gebracht, weiße Häuser im Hintergrund etwa, die aus einem schnellen Tupfer mit dem Mittelfinger entstehen, oder sie werden als dunkle Linien mit dem Zeigefinger auf den vorbereiteten Untergrund gezogen.

Später wachsen diese Objekte durch mehrfaches Übermalen und Zumischen zu großen, oft mehreren Zentimeter dicken Gebilden, die plastisch auf der Leinwand stehen und viele Betrachter mit ihrer Dreidimensionalität an die Bilder van Goghs erinnern.

Mich wunderte beim Zusehen, wie schnell Christopher mit seinen konzentrierten Blicken auf das vor ihm liegende Land gewissermaßen „Szenen“ aus ihm herausliest, die er später zu zentralen Themen seiner Bilder macht. So bildete etwa die große Wiese unterhalb der Brücke, die vom Ort der Leinwand nicht einmal besonders gut einsehbar war und für mich in ihren Abstufungen und Terrassierungen eher unzusammenhängend und ungeordnet erschien, recht bald das grüne Herzstück des Bildes. Christopher hatte es bereits lange vor Bearbeitung der unteren Bildpartien mit wenigen Handstrichen auf die Leinwand gebracht, das wirkte wie eine programmatische Aussage.

Auch das Waldgebiet zwischen Oberrautenbach und Bockhacken, das Christopher am zweiten Malort in das Zentrum eines seiner Bilder nahm, erschien mir zunächst in seiner unregelmäßigen Lage, halb im Tal, halb aus dem Tal hinauf kommend, als wenig geeignet für ein Bild.

Als ich am Ende des Tages den Wald dann aber in der sinkenden Sonne noch einmal betrachtete, erschien er mir ebenso wie sein Abbild zu einer zusammenhängenden Sinneinheit verschmolzen zu sein. Der Unterschied zwischen dem ersten und dem späteren Eindruck war, daß ich unzählige Male den Wald, die umliegenden Felder und Wege in Christophers Sehweise, übersetzt in seine Malbewegungen, gesehen hatte.


Ich denke, daß ich noch oft an die Stelle wandern werde, wo das Bild entstand, und mich darüber freuen werde, wie mir Hecken und Wege und Zäune vertraut geworden sind als hätte ich dort mit den Augen ein wenig Heimat gefunden.

Wer von einem Maler erwartet, daß er sich in seinem Leben immerfort ändert und dies etwa durch eine rote Phase, die dann von einer gelben abgelöst wird etc. auch nach außen zeigt, wird bei Christopher nichts von alledem finden. Er entdeckt zwar nach meinem Eindruck in jedem Jahr eine Reihe von neuen Farben und Farbkontrasten und durch Reisen um die ganze Welt immer neue Motive, hat aber schon recht früh in seinen noch jungen Jahren (er ist 38) zu einer Linie gefunden, die seine Bilder unverwechselbar machen.

Ich würde das, was er macht, eine Abstraktion im Rahmen eines äußeren Realismus nennen. Ich habe gestern noch einmal deutlich gesehen, daß er die Dinge so malt, daß man sie zwar wiedererkennt, gleichzeitig aber auch so, daß er sie anders ordnet und neu zeigt. Von Vermeer und seinem berühmten „Gezicht op Delft“ weiß man, daß Vermeer die Silhouette seiner Heimatstadt viel flacher dargestellt hat, als sie es tatsächlich war. Christopher macht es oft umgekehrt und drückt seine Gegenstände in größere Höhen, so daß sie an Stärke gewinnen. Die Müngstener Brücke etwa malte er mit einem engeren und dadurch fester wirkenden Mittelbogen. Außerdem ließ er das Gleis für mich ein wenig surrealistisch nach rechts ansteigen und hielt damit ganz von selbst Abstand zu allen Postkarten und Hobbyfotografien, die es in millionenfacher Auflage von dieser Brücke gibt.

Ich habe Christopher bei seinen Aktivitäten einen ganzen Tag lang begleiten können, habe die Dinge um uns herum gebannt mit seinen Blicken verfolgt und schließlich zwei der Bilder auch selbst erstanden. Sie werden die Lebensfreude dieses Tages, so ist meine ganz starke Hoffnung, an die Orte tragen, wo ich sie aufhängen werde. Vielleicht ist es am Ende doch so, wie es Eichendorff geschrieben hat, daß ein Lied in allen Dingen schläft. Und es steigert das Glück der Bewohner dieser Erde, daß in einzelnen Menschen immer wieder die Kunst wach wird, dieses Lied zu wecken und zu singen.



Dienstag, 17. August 2010

Vom Bohren von Löchern in Menschen




Heute ist meinem Körper erstmals in seiner 61jährigen Existenz ein Stück Metall eingesetzt worden. Meinem Vater war das schon früher widerfahren, er fluchte immer leise "Der Russe!" wenn er gegen den Granatsplitter aus dem Weltkrieg stieß, der an seinem Schienbein saß. Bei mir dagegen ist es eine saubere Schraube, sie sitzt im Kiefer und soll in wenigen Monaten einen neuen künstlichen Backenzahn auf ihrer Spitze tragen.

Mein freundlicher Dr. Dietz* ein gebürtiger Mannheimer mit einem beruhigend wirkenden südhessischen Akzent ("des iss jetzt gaanz primma!"), im Bild unten, benötigte dann allerdings zwei Anläufe, um das edle Ersatzteil (aus Titan!) in meinen Unterkiefer zu befestigen. Beim ersten Versuch vor einem halben Jahr stellte sich heraus, daß der Kiefer noch ein nicht richtig zugewachsenes Loch vom alten Backenzahn hatte. Das mußte erst durch einen Knochenbrei aufgefüllt werden und sich auffüllen.

Heute nun zeigte sich, daß der Kiefer zur allseitigen Zufriedenheit ausreichend an Masse gewonnen hatte. Leider erwies er sich an seiner Innenseite dann aber wiederum als so fest, daß der Gewindeschneider (im Bild oben ganz links, das andere sind Bohrer verschiedener Stärken, die alle zum Einsatz kamen) in diesem Bereich keine sauberen Rillen mehr bohren konnte. Es wurde entschieden, den Titan-Dübel entsprechend einige Millimeter kürzer zu wählen.

Nach einem mir unendlich lang erscheinenden Vernähen des übriggebliebenen Zahnfleisches wurde ich dann als geheilt entlassen (Foto oben), vom Schweiß unter den hellen OP-Lampen ein wenig derangiert wirkend, ansonsten aber ungebrochen.

Das Röntgenbild zeigt den schönen Erfolg.





Wenn man genau hinsieht, erkennt man das Gewinde, mit dem sich das Titanimplantat im Kiefer festhält.

Vorbereitet wurde ich durch die freundliche deutsche Türkin Burcu Dizdaroglu*, deren schöne dunkle Augen das letzte waren, was ich sah, bevor sich das grüne Tuch des Operateurs wie eine Burka über mein Gesicht senkte und nur eine kleine Raute für Nase und Mund offen ließ. Mich durchzuckte kurz der Gedanke, daß es nun, nach diesem Blick, wohl ein schöner Tod wäre, wenn er mich denn hier ereilen würde.

* alle Namen natürlich geändert


Freitag, 13. August 2010

Einzelheiten zu Facebook Summer Camp (VII und Schluß)




Die zitierte* Stelle ist aus dem Johannes-Evangelium (Kapitel, 5,35). Jesus sagt dort über seinen Vorgänger Johannes (den Täufer), der zu diesem Zeitpunkt wohl bereits aufgrund seiner radikalen Predigt von König Herodes Antipas umgebracht worden war:

Er war ein brennendes und scheinendes Licht; ihr aber wolltet eine kleine Weile fröhlich sein in seinem Licht.

Hier sieht man die vielleicht gängigste und gleichzeitig problematischste Form, sich mit dem Glauben zu beschäftigen. Diese Form existiert sowohl innerhalb als auch außerhalb der Kirche: man sieht die Erscheinungen des Glaubens als nachdenkenswert an, aber eher in einem unterhaltsamen Sinn, man will selbst nie entscheiden, ob aus dem Nachdenken schließlich auch eine Umkehr und eine Hinwendung zum Reich Gottes werden kann.

Ich habe dieses „Summer Camp“ hauptsächlich für interessierte, aber kirchendistanzierte Leute geschrieben, für die Generation Google, für die ich positiv glaube, daß sie einen vollkommen neuen Zugang zu Gott erhalten wird. Nach meinem Eindruck strebt sie diesen Zugang auch mit einem offenen Interesse an.

Sie will – leider – aber auch beständig unterhalten werden, das ist eines ihrer Probleme. Es wird darauf ankommen, daß sie, wie es kürzlich sinngemäß in einem Artikel der New York Times stand, die Tugend lernt, sich am PC nicht ablenken zu lassen. So wie ein gut recherchiertes Referat nur dann gelingen kann, wenn man den eMail-Eingang, Facebook, die Computerspiele und vieles andere mehr für eine gewisse Zeit unbeachtet läßt, so kann auch die Entscheidung für (und gegen) Gott nur in Phasen getroffen werden, wo alles andere zurücktritt, besonders alles Unterhaltsame.

Ich wünsche allen meinen Lesern, daß sie den Weg zum Glauben finden, und daß ihnen Gott nicht als ein Licht erscheint, in dem man „eine kleine Weile fröhlich sein“ kann, sondern als eine lebensverändernde Kraft.

* Facebook Summer Camp (VII und Schluß): die Bibel zitiert an einer Stelle (http://bit.ly/aktkN4) ein Wort von Jesus, in dem er diejenigen Menschen tadelt, die sich mehr aus Sensationslust als aus wirklichem Interesse mit Erscheinungen der Frömmigkeit beschäftigen. Sie haben ein Feuer gesehen, sich aber nur ein wenig daran gewärmt. Was geschieht, wenn auch bei uns die Frage nach Gott nur ein Seitenthema bleibt?



Dienstag, 10. August 2010

Einige Daten zum heute beginnenden Ramadan




Der Monat Ramadan beginnt einige Stunden nach dem astronomischen Zeitpunkt für den Neumond, der fällt in diesem Jahr auf den heutigen 10. August, 4.08 Uhr MEZ. Da in Europa um diese Zeit bereits die Morgendämmerung beginnt, wurde der eigentliche Beginn des Mond-Monates Ramadan für unser Gebiet auf den morgigen 11. August festgelegt, genauer: auf den Abend des 10. August.

Die im arabischen und auch im israelischen Raum gebräuchlichen Mond-Monate (in Israel beginnt heute der Monat Tischri) bestehen aus 29 oder 30 Tagen, die jeweils mit dem Sonnenuntergang beginnen. Je nach Ortszeit kann der Ramadan weltweit einen Tag früher oder einen Tag später als in Europa beginnen.

Zwölf Mond-Monate sind in der Summe um fast zwei Wochen kürzer als ein Sonnenjahr. Deshalb wandert der Ramadan kontinuierlich durch die Zeiten (10 - 11 Tage pro Jahr rückwärts) und wird im kommenden Jahr entsprechend am 2. August beginnen. Im Internet gibt es Seiten, auf denen man alles genau berechnen kann. Die Juden arbeiten übrigens mit Schaltmonaten, weshalb der Tischri immer ein Sommermonat bleibt.

Das Fasten im Ramadan ist für die Zeit zwischen dem ersten der fünf Gebete (bei Beginn der Dämmerung) und dem vierten Gebet (bei Sonnenuntergang) bestimmt, auf meine Stadt Remscheid bezogen beginnt morgen laut den präzisen Tabellen von „Islam.de“ das erste Fasten um 4.14 Uhr und endet um 21.07 Uhr – 16 Stunden und 53 Minuten insgesamt, eine lange Zeit, besonders, was den Verzicht auf Getränke betrifft. Zum Ende der Fastenzeit wird es von der Zeitspanne her etwas leichter, die Daten für den 8. September sagen: 5.11 Uhr bis 20.07 Uhr. also etwa zwei Stunden weniger als zu Beginn.

Am Ende wird das endgültige Fastenbrechen gefeiert, Idu l-Fitr (arabisch) oder Ramazan Bayramı (türkisch), mit einem Besuch der Moschee am Morgen und dem Treffen mit Verwandten und Freunden danach. In der säkularen Türkei hat man den Namen in Zuckerfest geändert, aber das lehnen fromme Türken ebenso ab, wie wir Christen an Weihnachten nicht Väterchen Frost feiern wollen.

Zurück zum Ramadan: mir erscheint der Verzicht auf Trinken das schwerste zu sein, besonders an einem heißen Sommertag. Die fastenden Menschen können sich allerdings über einige Stunden hinweghelfen, indem sie einfach morgens länger im Bett bleiben. Aus Istanbul hört man, daß der Ramadan deshalb ein etwas ruhigerer Monat ist. Wer es sich erlauben kann, schläft länger und geht erst mittags zur Arbeit. Entsprechend entspannt sich das Leben und Treiben und besonders der Autoverkehr in der Stadt.

Von meinen frommen muslimischen Freunden weiß ich, daß der stundenlange Verzicht auf Essen, Trinken und andere Annehmlichkeiten keine reine körperliche Übung ist, sondern auch für einen geistlichen Neubeginn stehen kann. Einige werden versuchen, den kompletten Koran zu lesen, das sind täglich 20 Seiten. Mein Freund Murat schrieb mir, es sei wichtig, daß „auch die Augen, die Ohren und die Zunge fasten sollen, und damit also auch das Herz und die Seele und nicht nur der Magen.

Für Murat und alle anderen, nochmals: Iyi Ramazanlar! (Iyi heißt im Türkischen „gut“ und der Ramadan schreibt sich dort mit „z“). Und wer heute und in den nächsten Tagen einen Türken oder einen anderen Muslim trifft, wird eine freundliche Reaktion erhalten, wenn er dies sagt, oder etwa auch "schöne Feiertage" wünscht.




Einzelheiten zu „Facebook Summer Camp (VI)“




Zu meinem heutigen Eintrag* in Facebook: Jesus ist in seinen Reden immer wieder auf die kommende Königsherrschaft der Himmel oder Königsherrschaft Gottes eingegangen. Luther und die meisten modernen Übersetzer haben das griechische Wort basileia, in dem das Wort König (basileus) enthalten ist, mit Reich übersetzt. Wie dieses Reich heranwächst, bleibt in den Reden Jesu teilweise ein Rätsel: es ist klein und unbeachtet wie ein Senfkorn, sagt er in Matthäus 13,31, aber es wächst. Es kann möglicherweise nicht einmal wie eine Sache von außen angesehen werden, aber es wirkt. In Lukas 17 heißt es (Verse 20 und 21):

Als er aber von den Pharisäern gefragt wurde: Wann kommt das Reich Gottes?, antwortete er ihnen und sprach: Das Reich Gottes kommt nicht so, dass man's beobachten kann; man wird auch nicht sagen: Siehe, hier ist es!, oder: Da ist es! Denn siehe, das Reich Gottes ist mitten unter euch.

Ich folgere daraus, daß die kleinen Schritte, die wir mit Glaube, Liebe und Hoffnung im Herzen unternehmen, deshalb nicht vergeblich sind, weil sie zu einem großen Netzwerk gehören, das weitestgehend unsichtbar aber vollkommen real die Welt umspannt. Das ist das Reich Gottes, in das wir eintreten und dessen Bürger und Agenten wir werden, wenn wir unser Denken verwandeln lassen.

* Facebook Summer Camp (VI): die bereits erwähnten Stellen, in denen es um die Möglichkeit des Umdenkens geht, stellen den Sinneswandel jeweils in den Zusammenhang einer kommenden Gottesherrschaft (http://bit.ly/8ZeFg9). Jesus hat dabei das zukünftige Gottesreich gleichermaßen als sehr klein und sehr wirkungsvoll beschrieben. In welchem Verhältnis steht es heute zu den sichtbaren Reichen der Welt?



Samstag, 7. August 2010

Einzelheiten zu „Facebook Summer Camp (V)“




Zu meinem heutigen Eintrag* in Facebook: sowohl Jesus als auch sein in Israel vielbeachteter Vorgänger Johannes (der Täufer) sind mit den gleichen Worten an die Öffentlichkeit getreten: denkt um, denn es naht das Reich der Himmel (Johannes sagt es in Matthäus 3,2, Jesus ein Kapitel später in Matthäus 4,17).

Umdenken heißt im Griechischen des Neuen Testamentes metanoia, darin steckt denken (noein) als Verb. Das von Jesus und Johannes benutzte hebräische oder aramäische Urwort für Metanoia dürfte umkehren (schuw) bedeutet haben. Durch Übersetzung kamen später mit dem lateinischen penitentia und dem deutschen Buße neue, erweiterte Begriffe ins Spiel, die an die Verpflichtung zur Übernahme einer Strafe anklingen. Dies entspricht nicht dem Sinn der ursprünglichen Worte. Im Ergebnis wurde dadurch, salopp gesagt, aus dem freien Akt eines einzelnen Menschen ein kirchlich verwaltbarer Vorgang.

Nun ist aber die starke Aufforderung, sich auf ein neues, verändertes Denken einzulassen und danach anders zu handeln als vorher, eigentlich viel zu verheißungsvoll, als daß sie nur im kirchlichen Raum und nur für religiös veranlagte Spezialisten gelten sollte. Wer entdeckt den lebendigen Impuls dieser Worte für die heutige Zeit neu?

* Facebook Summer Camp (V): die Bibel sagt an mehreren Stellen (http://bit.ly/aDJUuQ), daß die Hinwendung zu Gott zu einem Umdenken führt, zu einer Sinnesänderung, die das ganze Leben neu gestaltet. Eine enge Auslegung führt dazu, dieses neue Denken auf den kirchlichen Raum zu beschränken. Aber Umkehr sollte als Möglichkeit jedem Menschen gehören. Wie bringt man sie aus der Kirche heraus und unter die Leute?



Mittwoch, 4. August 2010

Einzelheiten zu "Facebook Summer Camp (IV)"




Die zitierte* Stelle ergibt sich aus dem Zusammenhang einer Geschichte aus Lukas 15 (komplett hier nachzulesen, ab Vers 11). Jesus erzählt darin von der Heimkehr eines ausgewanderten Bauernsohns, der nach Jahren auf den Hof des Vaters zurückkehrt, gescheitert und überschuldet. Sehr zum Ärger seines daheimgebliebenen Bruders empfängt ihn der Vater mit großer Liebe und schickt sich an, ihn wieder in seine alten Rechte einzusetzen.

Die Liebe des alten Bauern ist vielleicht das schönste Bild, das die Bibel für die Liebe Gottes zu den Menschen hat. Gleichzeitig zeigt die Geschichte, daß die Heimkehr zu Gott jedem Menschen möglich ist, zu jeder Zeit.

* Die Bibel sagt an einer Stelle (http://bit.ly/cxMrkx), daß die Hinwendung eines Menschen zu Gott wie eine Heimkehr ist. Demnach hätte jeder Mensch unabhängig von seiner Bindung an einen geographischen Ort eine andere Heimat, in der er in einem sehr umfassenden und tiefen Sinn zu Hause ist, bei Gott. Kann man diesen Ort verlieren, kann man auf ihn verzichten?



Sonntag, 1. August 2010

Einzelheiten zu „Facebook Summer Camp (III)“




Das zitierte* Wort ist der Anfang des einzigen Gebets, das Jesus vorgesprochen hat, damit die Menschen es wörtlich oder sinngemäß nachbeten sollen:

Betet ihr nun so: Unser Vater, der du bist in den Himmeln, geheiligt werde dein Name; dein Reich komme; dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auch auf Erden! Unser tägliches Brot gib uns heute; und vergib uns unsere Schulden, wie auch wir unseren Schuldnern vergeben haben; und führe uns nicht in Versuchung, sondern rette uns von dem Bösen!

(Matthäus-Evangelium Kapitel 6, 9 – 13, ähnlich im Lukas-Evangelium, einige der alten Handschriften ergänzen „Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.“)

Wer Gott im Gebet mit „Vater“ anspricht, beendet damit vielfach seine theoretischen Gedanken über Gott und fängt an, sich an eine persönliche Stelle zu wenden und zu erwarten, von dort auch eine persönliche Antwort zu erhalten.

Es gibt so viele Wege zu Gott wie es Menschen gibt, zitiert @Marga Behrend in Summer Camp II den Papst. Ich vermute: über den Anfängen vieler Wege steht „Vater“ als das erste Wort.

*Facebook Summer Camp (III): die Bibel sagt an einer Stelle (http://bit.ly/bSuzfz), daß man Gott mit „Vater“ anreden sollte. Das bestätigt meine Annahme, daß es zwischen dem Schöpfer und den Menschen eine einfache, ja sogar vertraute Sprache gibt. Ich vermute außerdem, daß viel mehr Menschen diese Sprache benutzen und b...eten als man das allgemein annimmt. Ich bin mit meinem Beten nicht allein, ihr betet auch, oder?