Sonntag, 31. Mai 2009

Die Gegenwart Gottes (Gülen-Konferenz III)






Während der Konferenz der Juden, Christen und Moslems in Potsdam ist mir besonders beim Referat des Jesuitenpriesters Thomas Michel noch einmal klar geworden, was ich bei den Frommen suche: ihren Glauben an die Gegenwart Gottes. Vielleicht habe ich deshalb, auf der Suche nach diesem Glauben, die Geschichten der frommen jüdischen Chassiden von Martin Buber besonders begierig gelesen und sie lange Zeit wie eine Bibel griffbereit neben meinem Bett liegen gehabt.

Die Chassiden, die ihren Namen davon ableiten, daß sie der chessed Gottes, seiner Treue oder Barmherzigkeit - Martin Buber übersetzt Huld - ihre eigene Treue entgegensetzen wollen, haben für die Gegenwart Gottes einen besonderen Begriff, die Schechina. Sie rechnen mit der Offenbarung Gottes in der Gegenwart der Welt und nennen sie Schechina. Sie beklagen oft, daß diese Gegenwart Gottes auf schmerzhafte Weise in der Welt fehlt, die Schechina ist im Exil sagen sie. Aber sie erleben es auch, daß sie sich mitten im größten Schmutz auf einmal zeigt, ich füge unten eine kleine Buber-Geschichte an, die das klassisch schön beschreibt.*

Es sind seltene Momente, in denen eine solche Vision geschieht, manchmal kann es mehrere Generationen dauern, bis einem der Chassiden endlich das Wunder begegnet, für einen kleinen Moment lang. Aber auf das tatsächliche Eintreten der Vision kommt es offenbar nicht an. Es reicht vollkommen aus, wenn man ein Leben in der Hoffnung auf die Schechina führen kann. Es ist ein Leben, das seinerseits im Exil ist, das aber von der Aussicht auf eine bessere Heimat getröstet und bestärkt wird.

Auf der Suche nach dem Ursprung des Begriffs Schechina bin ich auf das schöne Wort von den Flügeln der Morgenröte aus Psalm 139 (Vers 9) gestoßen:

Nähme ich die Flügel der Morgenröte und ließe mich am äußersten Meer nieder, so würde auch dort deine Hand mich führen und deine Rechte mich ergreifen.

In dem Wort sich niederlassen steckt im Hebräischen der Stamm schachan, von dem schechina abgeleitet ist. Man kann sich die Bewegung Gottes auf die Welt hin also wie Flug und Landung eines Vogels vorstellen. Die Gegenwart Gottes, die Schechina, ist die Niederlassung Gottes.

Außerdem beschreibt das Wort von den Flügeln der Morgenröte auch einen unmittelbaren Aspekt der Schechina: sie hat auch dann, wenn ich sie nicht wahrnehme, ja sogar wenn ich ihr entfliehen will, einen unmittelbaren Anspruch auf mein Leben. Es ist ein gütiger, ein schützender Anspruch, das ist klar.

Ich habe mein Leben lang diejenigen Frommen als mir am nächsten empfunden, die sich dieser Gegenwart bewußt ausgesetzt haben, sei es als Hoffnung auf die Schechina, sei es auch als der Anspruch an das eigene Leben. Sie waren meine heimlichen Helden im Konkurrenzkampf der unterschiedlichen Vorstellungen von Frömmigkeit.


Nun kann man allerdings vor einer gewissen Irrationalität, die in einem solchen Glauben steckt, irgendwann einmal kapitulieren. Man sucht dann nach einen sichereren Fundament und findet es oft in einer Lebensweise, die auch ohne den unmittelbaren Bezug zu Gott in vernunftgemäßen Prinzipien dem Gedanken an Gott entspricht. Auch diese Frömmigkeit, manchmal orthodox, manchmal bürgerlich, meistens dem Leben so wie es ist verpflichtet, ist mir vertraut.

Am Anfang der theologischen Neuzeit hat Friedrich Schleiermacher diesen Schritt zur Rationalität hin getan, mit weitreichenden Folgen für die Christenheit. Er hat sich um das Jahr 1786 herum enttäuscht von den Herrnhuter Christen, den Chassiden seiner Zeit sozusagen, abgewendet, deren fromme Empfindungen sich trotz aller Mühen nicht auf ihn übertragen ließen, und hat sich selbst zu einem Herrnhuter höherer Ordnung, wie er sagte, erklärt. Er hat fortan den Glauben auf intellektuelle Art und Weise durchdrungen und ist damit Generationen von Theologen zum Leitstern geworden, die sicherlich sonst auf vielfältige Art und Weise an der rationalen Kritik der Moderne Schaden genommen hätten.

Ich war mir über eine lange Zeit nicht sicher, ob ich im Sinne von Schleiermacher ein einfacher Herrnhuter oder einer der höheren Ordnung sein sollte. Mittlerweile bin ich mir sicher, daß ich ersteres sein will, weil ich an die Schechina glaube.

Auch der Koran kennt die Schechina. Sie ist einerseits als täglicher Anspruch an den Gläubigen, sich der Gegenwart Gottes beständig bewußt zu sein, im ganzen Koran vorhanden. Sie kommt andererseits wörtlich auch als Sekina mehrfach im Koran vor, etwa in Sure 9,26, wo Gott seine Gegenwart auf den Propheten und seine Anhänger herabsendet, um ihnen beizustehen.

Meine moslemischen Freunde in Potsdam leben auf ihre Art und Weise in der Gegenwart Gottes. Sie beten die vorgeschriebenen fünf Gebete täglich, und auch wenn ich nur ganz entfernt etwas davon verstehe, was bei diesen Gebeten in ihren Köpfen und Herzen vor sich geht**, so weiß ich aus den Gesprächen mit Ihnen doch sicher, daß ihre Sehnsucht auf die Schechina gerichtet ist. Auch sie sind Herrnhuter der einfachen Ordnung, und das verbindet uns untereinander, auch wenn wir deutlich spüren, daß es kaum ein und derselbe Autor sein kann, der Bibel und Koran geschrieben hat. Es kommt nicht auf ein letztes sicheres Wissen um das Wesen Gottes an. Die Sehnsucht genügt.

* In der Gerbergasse

Auf einer Wanderung kam Rabbi Levi Jizchak gegen nachts in eine kleine Stadt, wo er niemand kannte. Er fand keine Unterkunft, bis ein Gerber ihn mit sich nach Hause nahm. Er wollte das Abendgebet sprechen; aber der Gerbergeruch war so durchdringend, dass er kein Wort über die Lippen brachte. Er machte sich auf und ging in das Lehrhaus, in dem kein Mensch mehr war. Hier betete er. Und als er betete, verstand er mit einem Mal, wie die Schechina, die der Welt einwohnende Gegenwart Gottes, ins Exil herabgesunken ist und wie sie gesenkten Hauptes in der Gerbergasse steht. Er brach in Tränen aus und weinte in einem fort, bis sich sein Herz über den Gram der Schechina ausgeweint hatte und er in Ohnmacht fiel. Da erschien ihm die Schechina in ihrer Glorie, ein überstarkes Licht in vierundzwanzig farbigen Stufen, und sprach zu ihm: "Sei stark, mein Sohn! Große Nöte werden über dich kommen, aber fürchte dich nicht; denn ich werde bei dir sein."

Aus: Die Erzählungen der Chassidim, Martin Buber, 1949


** Beim Abendgebet in der Berliner Moschee, von dem ich bereits berichtet habe, ist mir eine für mich neuartige Erkenntnis aufgegangen: ich habe von hinten die zu Boden geneigten Körper meiner Freunde und Bekannten gesehen, habe die Stimme des Vorbeters dazu gehört, habe wie immer nichts von alledem verstanden, es aber zum ersten Mal sympathisch und angemessen gefunden, was ich da vor mir geschehen sah. Ich kenne ja ihre Gottessehnsucht mittlerweile aus der Nähe und weiß, daß sie in ihren Herzen eine freundliche Nächstenliebe und Weltzugewandtheit hervorgebracht hat, an der ich mich freuen kann. Warum darf ich mich also nicht auch an ihren Gebeten freuen?

Freitag, 29. Mai 2009

Gülen-Konferenz II (privat)





Am Rande der Gülen-Konferenz in Potsdam ist ausreichend Gelegenheit für das Gebet. Den Moslems stehen dafür Räume in der Universität zur Verfügung, außerdem sind die Pausen so gelegt, daß man zwei der fünf vorgeschriebenen täglichen Gebete auch während der Konferenz verrichten kann.

Für das letzte, längere Gebet nach Sonnenuntergang findet jeder Teilnehmer seinen eigenen Ort. Nureddin und seine drei Freunde, mit denen ich abends in Neukölln essen gehe, haben sich die große Sehitlik-Moschee in Tempelhof zum Gebet ausgesucht und nehmen mich mit dorthin.

Im Gemeindezentrum neben der Moschee gibt es eine Cafeteria, in der ich auf die Betenden warten kann. Wie nicht anderes zu erwarten, erwecke ich die Aufmerksamkeit anderer Frommer und komme mit ihnen ins Gespräch. Ein junger Türke, der mich auf meinen Glauben anspricht, hat nicht viel Zeit (der Muezzin hat bereits zu Rezitieren begonnen) und auch nicht viel Geduld: einen entscheidenden Fehler machen die Christen, sagt er recht unvermittelt, sie behaupten, daß Jesus Gottes Sohn war. Aber Gott zeugt nicht.

Ich entgegne, daß auch er, der junge Mann, ein Kind Gottes ist, aber das läßt er nicht gelten und ist sehr bestimmt dabei. Das Gespräch mit ihm ist dann auch so schnell zu Ende, wie es begonnen hat.

Nun hat aber noch ein Dritter unser Gespräch mitgehört, der Mann, der in der Cafeteria den Tee ausschenkt. Er kommt am Ende der Gebetszeit (ich gehe schließlich ebenfalls in die Moschee und erlebe den Gottesdienst im hinteren Bereich auf dem warmen Teppichboden sitzend mit) leise zu mir, legt mir die Hand auf die Schulter und wünscht mir einen schönen Abend und eine gute Weiterreise. "Ich werde für Sie beten", sagt er.

"Das werde ich auch tun," sage ich. Ismail heißt er. Und ich? Christian! Ja, beten werden wir für einander, das versprechen wir uns.

Vater im Himmel, segne Ismail! Von den beiden Missionaren, die mir heute begegnet sind, war der erste so wie ich. Der zweite, Ismail, war so, wie ich es sein möchte.

Donnerstag, 28. Mai 2009

Gülen-Konferenz in Potsdam





Die Konferenz am vergangenen Dienstag und Mittwoch war für die weltweite Gülen-Bewegung ein erster Versuch, mit einer großen Veranstaltung auch in Deutschland an die Öffentlichkeit zu treten. Nach meinem Eindruck ist der Schritt gelungen und dies vor allen Dingen deshalb, weil die besten Fürsprecher für einen Dialog im Sinne des Philosophen Fethullah Gülen (geb. 1941) vornehmlich aus dem jüdischen, katholischen und protestantischen Lager kamen. Die Moslems, vornehmlich durch deutsche Türken vertreten, hielten sich höflich und bescheiden zurück. Von den 35 Rednern in Potsdam (aus elf Ländern) hatten nur sieben einen türkischen Hintergrund, die Mehrheit waren Deutsche, von denen wiederum eine größere Zahl aus der gastgebenden Universität Potsdam und ihren auf den jüdisch-christlich-moslemischen Dialog spezialisierten Instituten kam.

So kam es, daß man Rabbiner den Koran im Original zitieren hören und sich daran erinnern konnte, wie nahe die Sprache des Alten Testamentes der Sprache des Korans ist (im Bild das in der Konferenz allgegenwärtige Logo des Instituts für Religionswissenschaft in den drei Sprachen der drei Religionen des Buches). Am bewegendsten empfand ich den Vortrag des 68 jährigen Jesuiten Thomas Michel aus Missouri/USA, der lange Jahre im Vatikan für den Dialog mit den Moslems zuständig war. Er schilderte die Bemühungen Gülens, mit dem er befreundet ist, um ein in der Gegenwart Gottes gelebtes Alltagsleben mit Worten, die in gleicher Weise der alten Denkweise christlicher Mönche verbunden waren wie dem Denken Gülens. In beiden Welten ist die praktische Arbeit dann am besten getan, wenn sie Gott als den eigentlichen Empfänger im Blick hat. "Hizmet", Dienst, ist das islamische Wort dafür, aber so, wie es Thomas Michel erklärte, war es auch seinem eigenen, katholischen Denken ganz unmittelbar verwandt.

Eine sehr anschauliche Brücke zu traditionellen christlichen Denkformen schlug der junge Heidelberger Religionswissenschaftler Michael Blume, dessen Verständnis der Gülen-Bewegung vermutlich von eigenen Erfahrungen mit dem schwäbischen Pietismus geprägt ist. Für ihn sind die Nachhilfe-Einrichtungen und Schulen der Gülen-Leute verwandt mit entsprechenden Einrichtungen des Pietisten August Hermann Francke (1663 bis 1727), dessen Frömmigkeit von einem starken Impuls begleitet war, unterprivilegierten Kindern eine gute Schulbildung zu verschaffen. Außerdem halten die Pietisten bis heute in ganz ähnlicher Weise wie Gülen ihre Leute dazu an, sich in kleinen Gruppen zum Studium der heiligen Schriften zu versammeln. "Sohbet" heißt das bei Gülen, "Stund" hieß es bei den Pietisten (Hauskreis sagt man dort heute, und zusammen mit meinem Freund Nureddin und seiner Frau haben meine Frau und ich uns bei unseren ersten Gesprächen darüber gefreut, wie ähnlich die Tradition in unseren ansonsten so unterschiedlichen Lebenskreisen ist).

Von der treuen Dienstergebenheit der Gülen-Lehrer in den abgelegensten Winkeln der Welt konnte man teilweise von ihnen selbst erfahren. So standen in der Kaffeepause zwei türkische Lehrer neben mir am Bistro-Tisch, die in einer Gülen-Schule in Kasachstan unterrichteten. Eine Kollegin der beiden berichtete, wie man dort gelegentlich lange, strapaziöse Reisen durch die Steppe auf sich nimmt, um Schüler, die aus unbekannten Gründen nicht zum Unterricht kommen, wieder für die Schule zu gewinnen. Es gibt an Gülen-Schulen weltweit keinen Religionsunterricht, viele Lehrer sind nicht einmal Moslems, und wenn sie es sind, dann sollen sie bestenfalls durch ihr gutes Beispiel überzeugen, nicht durch Mission.

Überhaupt spielt das gute Beispiel besonders für die Gülen-Anhänger in Deutschland eine wichtige Rolle. Die meisten sind wie mein Freund Nureddin akademisch gebildete Türken der zweiten Generation und haben erlebt, wie ihre Altersgenossen in großen Zahlen in deutschen Schulen gescheitert sind. Dort hat ihnen niemand glaubhaft machen können, daß sie das Zeug hatten, die Anforderungen der Schule zu erfüllen. Ihnen fehlte ja allen der Arzt- oder Anwalts-Onkel, der Ingenieur-Vater oder Lehrer-Nachbar, mit dem viele deutsche Kinder wie selbstverständlich in ihrer näheren Umgebung aufwachsen, Personen, die man aus der Nähe betrachten und denen man nachstreben kann.

Leider bilden die deutschen Lehrer nur selten Ersatz für solche Bezugspersonen, weshalb die Gülen-Leute auch in Deutschland begonnen haben, Schulen zu gründen, in denen Lehrer bewußt dazu angehalten werden, solche Vorbild- und Ermutigungsfunktionen zu übernehmen.

Hinter allem aber steht der schlichte, ja ich wiederhole es gerne: pietistische Glaube, daß man sein Leben in der täglichen und stündlichen Gegenwart Gottes leben kann. So lebt es mir mein Freund Nureddin, mit dem ich zusammen in Potsdam war, immer wieder vor, und mir scheint: ich werde unter seinem Einfluß ein besserer Christ. Fethullah Gülen würde das freuen, denn er lehrt eine enge Verbundenheit derjenigen Menschen untereinander, die in ihrem eigenen Glauben gefestigt sind.

Montag, 25. Mai 2009

Auf dem Weg nach Potsdam





Zusammen mit meinem türkischen Freund "Nureddin", den Lesern meines Koran-Blogs unter diesem (angenommenen) Namen bekannt, fliege ich morgen für zwei Tage nach Potsdam, um dort an einer jüdisch-christlich-islamischen Konferenz über die Gedanken des türkischen Philosophen Fethullah Gülen teilzunehmen.

Hier ein Bericht aus der englischsprachigen "Today's Zaman" aus Istanbul. Zaman heißt "Zeit".







Academics to discuss Gülen movement in Germany

The University of Potsdam's Institute of Religion and the Forum for Intercultural Dialogue Berlin are organizing an international conference on “Muslims Between Tradition and Modernity -- The Gülen Movement as a Bridge Between Cultures.”
The conference, which will be held at the University of Potsdam on Tuesday and Wednesday of this week, is supported by the German Orient-Institute, the Abraham Geiger College and the Protestant Academy of Berlin. The conference is hoped to provide a platform for the objective and rigorous examination of the activities of the Gülen movement. It is the first of its kind in that it has no Turkish or Muslim names on its editorial board, which instead features academics such as Professor Karl-Josef Kuschel from Eberhard Karls University, Tübingen, Professor Christina von Braun from Berlin's Humboldt University and Professor Markus Witte from the Johann Wolfgang Goethe University of Frankfurt. The organizers of the conference have referred to Fethullah Gülen as one of the voices that have promoted peaceful coexistence in Europe and throughout the world.

Over 20 academics will present papers at the two-day conference. The first panel of the conference will discuss whether the Gülen movement can offer a solution for the problem of European Muslim integration. Professor Karel Steenbrink of Utrecht University will present a paper titled “A Turkish Solution for a Dutch Problem.” Participants at the conference will also discuss whether dialogue can help overcome the clash of civilizations. In this part of the conference Professor Reuven Firestone will present a paper titled “Religious Identity in a Competitive, Pluralistic World: Cultural Capitalism, the Gülen Movement and Religious Education,” and Professor Claudia Derichs will present her impressions and findings from the activities of the Gülen movement in Australia. Professor Johann Hafner will discuss attitudes toward apostasy as a criterion of religious tolerance, whereas Dr. Klas Grinell will try to read Fethullah Gülen as a political thinker as a postcolonial option in reference to conservatism and democracy. Journalist and academic Dr. Reiner Hermann will assess the place of Fethullah Gülen and the movement named after him in modern Turkey.

25.05.2009
News
TODAY'S ZAMAN

Mittwoch, 20. Mai 2009

Falsche Einkäufe






Die heutige New York Times hat einen Artikel über die Signale, die wir wir mit unseren Einkäufen geben wollen, die aber niemand hört: "Message in What We Buy, but nobody's listening". Die Pointe stammt (wie bei vielen Artikeln der New York Times) aus der Evolutionstheorie, ich lese es wie immer mit gemischten Gefühlen und trotzdem mit Zustimmung: wir haben im Laufe unserer Entwicklung zu wenig Begegnungen mit Fremden gehabt und überbewerten die Vorteile, die wir davon haben, daß wir ihnen gefallen.

Konsequenz: die teure Armbanduhr weglassen und lieber etwas anschaffen, was die Familie freundlich stimmt!

Donnerstag, 7. Mai 2009

Ballack wendet sich ab




















Vielleicht bin ich der einzige in der Welt, der es zu sagen wagt: Ballack hätte gestern das Tor in der 93. Minute verhindern können, das zum glücklichen Erfolg von Barcelona führte. Er hätte es ebenso verhindern können wie das unvergessene Tor von Grosso in der 118. Minute für Italien, 2006 bei der WM.

Beidesmal hat er sich weggedreht, aus verständlicher Angst vor einem harten Schuß ins Gesicht.

Ballack fehlt der letzte Todesmut, mit dem deutsche Spieler traditionell ihre technische Unterlegenheit den Ballkünstlern anderer Länder gegenüber wettgemacht haben. Aber wir Deutschen schweigen lieber über diese kleine aber entscheidende Schwäche unseres ansonsten besten Spielers der letzten Jahre.

Sonntag, 3. Mai 2009

Die gelbe Bank






Im Oktober 2005 habe ich eine Rehabilition für mein Herz erhalten, eine Reha. Diese fand während dreier Wochen in Bernkastel-Kues an der Mosel statt und war der Anstoß für meinen ersten Blog - die Familie sollte über mein Leben dort informiert gehalten werden. In diesem Blog habe ich auch über eine gelbe Bank auf einer Anhöhe über den Weinbergen berichtet, die ich in den warmen Oktobertagen regelmäßig aufgesucht habe.

Am vergangenen Wochenende bin ich nun noch einmal zum Wandern an der Mosel gewesen, mit Freunden, und habe mich zusammen mit ihnen auch auf den Weg hinauf zur gelben Bank gemacht. Oben angekommen habe ich meinen Blog-Eintrag vorgelesen und konnte gemeinsam mit ihnen sehen, daß alles noch so war, wie ich es damals beschrieben hatte.

Fast alles - es hatte sich auch etwas verändert. Das hatte mit mir selbst zu tun, meinen Hoffnungen und Befürchtungen von damals, die in den Jahren danach in einen ruhigen und bislang guten Krankheits-, nein Gesundheitsverlauf eingemündet sind, von dem ich damals noch nichts voraussehen konnte. Ich wußte beim zweiten Besuch mehr als beim ersten und war deshalb, so erschien es mir jedenfalls, wenige Jahre nach dem ersten Bericht über die gelbe Bank, nur noch entfernt dem Kurgast von 2005 ähnlich.

Die berühmten Worte des Heraklit über die Veränderung durch die Zeit und den Fluß, in den man nicht ein zweites Mal steigt, heißen wohl im Original: Denen, die in denselben Fluss steigen, strömt immer anderes Wasser zu. So fand ich es beim googeln.

Übrigens hatte sich auch die Bank verändert. Man hatte sie frisch angestrichen, rot.