Am Rande der Gülen-Konferenz in Potsdam ist ausreichend Gelegenheit für das Gebet. Den Moslems stehen dafür Räume in der Universität zur Verfügung, außerdem sind die Pausen so gelegt, daß man zwei der fünf vorgeschriebenen täglichen Gebete auch während der Konferenz verrichten kann.
Für das letzte, längere Gebet nach Sonnenuntergang findet jeder Teilnehmer seinen eigenen Ort. Nureddin und seine drei Freunde, mit denen ich abends in Neukölln essen gehe, haben sich die große Sehitlik-Moschee in Tempelhof zum Gebet ausgesucht und nehmen mich mit dorthin.
Im Gemeindezentrum neben der Moschee gibt es eine Cafeteria, in der ich auf die Betenden warten kann. Wie nicht anderes zu erwarten, erwecke ich die Aufmerksamkeit anderer Frommer und komme mit ihnen ins Gespräch. Ein junger Türke, der mich auf meinen Glauben anspricht, hat nicht viel Zeit (der Muezzin hat bereits zu Rezitieren begonnen) und auch nicht viel Geduld: einen entscheidenden Fehler machen die Christen, sagt er recht unvermittelt, sie behaupten, daß Jesus Gottes Sohn war. Aber Gott zeugt nicht.
Ich entgegne, daß auch er, der junge Mann, ein Kind Gottes ist, aber das läßt er nicht gelten und ist sehr bestimmt dabei. Das Gespräch mit ihm ist dann auch so schnell zu Ende, wie es begonnen hat.
Nun hat aber noch ein Dritter unser Gespräch mitgehört, der Mann, der in der Cafeteria den Tee ausschenkt. Er kommt am Ende der Gebetszeit (ich gehe schließlich ebenfalls in die Moschee und erlebe den Gottesdienst im hinteren Bereich auf dem warmen Teppichboden sitzend mit) leise zu mir, legt mir die Hand auf die Schulter und wünscht mir einen schönen Abend und eine gute Weiterreise. "Ich werde für Sie beten", sagt er.
"Das werde ich auch tun," sage ich. Ismail heißt er. Und ich? Christian! Ja, beten werden wir für einander, das versprechen wir uns.
Vater im Himmel, segne Ismail! Von den beiden Missionaren, die mir heute begegnet sind, war der erste so wie ich. Der zweite, Ismail, war so, wie ich es sein möchte.
Freitag, 29. Mai 2009
Gülen-Konferenz II (privat)
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