Freitag, 31. August 2012

Vom Glück der Verwahrlosung


 
 
Jabel, bei Waren / Müritz,
31. August 2012


Stefan Knüppel hat mir über Facebook ein Motto zukommen lassen, nach dem Camping die Form des Reisens ist, wo man seine eigene Verwahrlosung als Glück wahrnimmt. Ich glaube, dass die Camper heimlich alle diesem Glück nachstreben. Das stimmt selbst dann, wenn Camper wie ich Wert auf die morgendliche Dusche legen und auf das frische Hemd, wenn es zum Einkaufen in die Stadt geht. Aber auch dann, wenn man nicht den Jogging-Anzug und den Drei-Tage-Bart als äußeres Zeichen der neuen Welt annimmt, zu der man als Camper gehört, ist man doch bestrebt, einen Teil der bürgerlichen Konventionen und Sicherheiten hinter sich zu lassen und einfach so zu leben, wie es uns die Natur vorgegeben hat.


Donnerstag, 30. August 2012

Sprich, Erinnerung!

Timmendorfer Strand, 29. August 2012

Es sind 56 Jahre her, seitdem ich an diesem Ort zum ersten Mal in meinem Leben das Meer gesehen habe. Heute komme ich zum ersten mal wieder an die Stelle. Meine Eltern machten damals - ebenfalls zum ersten Mal in ihrem Leben - hier Urlaub, und wir Kinder wurden mitgenommen, was nicht selbstverständlich war und im nächsten Jahr zunächst wieder abgeschafft wurde. In meiner Erinnerung gibt es das Bild eines freundlichen Sommerabends mit milder Wärme, ein großes, stilles Meer, an dessen Rand sich nur ganz kleine Wellen bewegen, ein weiter ebener Strand mit weißem Sand,  fast so fein wie Mehl. Leider sehe ich auch die erste Enttäuschung wieder vor mir, ich sehe eine dünne Wolke Seetang im Wasser, dicht hinter den kleinen Wellen und fürchte mich, einen Fuß ins Meer zu setzen und den unangenehmen Modder dabei berühren zu müssen. Mein Vater tadelt meine Empfindlichkeit in Bezug auf diese natürlichen Verunreinigungen und erzählt etwas von Quallen, die viel eher zu fürchten seien als dieses bisschen Seetang. Es gibt Eis mit dem eigentümlichen Namen Langnese, den ich vorher nie gehört habe. Es ist viereckig geschnitten, hat einen Holzstil, der auf der Zunge stumpf  wirkt, wenn man das letzte Restchen Eis abgeleckt hat (gerade als ob er hinter das Ende des Genusses noch ein Ausrufezeichen setzen wollte) und ist in silbernes Stanniol eingewickelt. Zwischen Erdbeer und Vanille kann man wählen. Auch den Preis weiß ich noch, man kann ihn sich leicht merken: 20 Pfennig. Ebenfalls leicht zu merken, sind die Preise für einen Brief und für die Bildzeitung, beides 10 Pfennig. Die Zeitungsverkäufer und ihre Rufe vergißt man nicht „Di-e BILD-Zei-tung - - ze-hn Pfen-NIG!“


Mittwoch, 29. August 2012

Thomas Manns Kirche


Lübeck, 28. August 2012



Das heute als Museum eingerichtete Buddenbrookhaus in der Lübecker Mengstr. 4 (im Foto das weiße Haus links hinter den Bäumen) war 49 Jahre lang im Besitz der Großeltern von Thomas Mann. Es gehörte Johann Sigmund Mann, der das Haus 1842 kaufte und dessen Witwe 1890 hier starb. Sein Sohn, Thomas Manns Vater und das Vorbild von Thomas Buddenbrook, leitete die Firma Mann seit 1863 aus diesem Haus heraus, wohnte aber in einer Parallelstraße, der Beckergrube. Dort wuchs der 1875 geborene Thomas Mann auf und hielt sich im Buddenbrookhaus also immer nur als Besucher seiner Großmutter auf. Nachdem sie und bald darauf auch ihr Sohn verstarb, wurde das Haus 1891 verkauft. Der übriggebliebene Rest der Familie zog in die Vorstadt und wenige Jahre später nach München.

Dienstag, 28. August 2012

Zum Thee bei K.

Travemünde, 28. August 2012



In den Tagebüchern von Thomas Mann, dessen Buddenbrook-Haus in der Lübecker Mengstraße ich heute zum ersten Mal in meinem Leben sehen werde, findet sich häufig der Eintrag "zum Thee bei K.". Thomas Mann stattete seiner Frau Katja geborene Pringsheim in seinen großen Häusern regelmäßig solche Tee-Visiten ab, von denen der ehrfurchtsvolle Leser den Eindruck gewinnt, der Dichter habe sich dazu über eine größere Distanz bewegt, in einen fremden Haushalt sozusagen. Spärlich sind die Zeugnisse, dass er es sich dort auch gemütlich gemacht hat. "Geschlechtliche Nacht" notierte er dann, was allerdings seltener eingetragen wurde als die Vermerke "zum Thee".

Montag, 27. August 2012

Über die Heide

Soltau, Lüneburger Heide, 27. August 2012

Die Heide ist keine natürlich entstandene Landschaft, das ist allgemein bekannt. Zwar gibt es im Hochgebirge und an windigen Küsten baumlose Streifen, die mit Heidekraut bewachsen sind, aber die großen deutschen Heidegebiete sind nicht Natur, sondern Folge einer ganz besonderen Landwirtschaft. Ihre Methoden sind in grauen Vorzeiten entstanden, als die Bauern versuchten, auf den kargen und sandigen Hügeln, der Geest, in der niederdeutschen Tiefebene den Boden zu verbessern. Dazu nahmen sie - Grundprinzip - die magere Humusschicht von Acker A und verstärken damit die ebenso magere Schicht von Acker B. Später verfeinerten sie - Variante 1 - die Methode, indem sie den mageren Boden von Acker B mitsamt seinen Wurzeln und Kräutern zunächst in die Viehställe transportierten und dort als Streu verwendeten. Zusammen mit den Ausscheidungen der Tiere wurde das Ganze dann als Dünger auf Acker A aufgetragen, der dadurch fruchtbarer wurde und in manchen Gegenden nach und nach um mehr als 1 m in die Höhe wuchs.






Sonntag, 26. August 2012

Vom Glück des Campers


Soltau, Lüneburger Heide, 26. August 2012 
 

„Warum macht mich der Anblick dieser Zeltstange so glücklich?“ frage ich gestern abend meine Frau, als wir nach dem Aufbau eines etwa 3 x 3 m großen Zeltstücks, dem Sonnensegel, vor dem Wohnwagen sitzen und eine brennende Kerze und ein Glas Rotwein vor uns auf dem Tisch stehen haben, die Baumgruppe aus Eichen und Kiefern vor und über uns. „Weil das hier so ist, wie zu den Zeiten, in denen wir als Kinder Buden gebaut haben“, entgegnet meine kluge Frau. Sie hat Recht – wir empfinden den Eindruck eines uns umschließenden Raums besonders stark, wenn dieser Raum gerade erst entstanden ist und wir spüren, wie unsere eigene Präsenz den neu gewonnenen Raum füllt. Ein origineller Kopf aus der alternativen Berliner Szene hat einmal geschrieben, das Wohnen sei so wichtig, dass es eigentlich „ein Geräusch machen müsste“. Hier beim Camping ist man nahe daran, dieses Geräusch hören zu können, denn der Platz, den das Zelt und auch der Wohnwagen einnehmen, war ja noch vor wenigen Stunden leer und dass er jetzt gefüllt ist und mir eine Begrenzung nach oben und unten und zu den Seiten gibt, das meint man körperlich spüren zu können.

Samstag, 25. August 2012

Heide und Nation

Soltau, Lüneburger Heide, 25.August 2012 

Dem Heidedichter Hermann Löns (1866-1914) verzeiht man nicht, dass er nationalistisches Gedankengut vertreten hat und deshalb von den Nazis verehrt wurde. Auch seine Liebe zur Natur und seine frühen Überlegungen zu einer Art von Umweltschutz retten ihn nicht. Ein Kritiker sagt in Wikipedia über Löns, dass "sein Engagement für den Naturschutz keine ökologischen Motive im heutigen Sinne" hatte, sondern durch Vaterlandsliebe geprägt war. "Natur war für ihn Rassenschutz, Kraftressource für das deutsche Volk und Volksgesundheitsbrunnen."

Freitag, 10. August 2012

Zu Fethullah Gülen



Im „Spiegel“ vom 6. August ist ein kritischer Artikel über Gülen erschienen, zu dem ich persönlich eine Reihe von Anrufen und eMails bekommen habe. Vielen ist bekannt, dass die meisten meiner Freunde unter den hiesigen deutschen Türken zu der Bewegung um Gülen gehören. Durch sie habe ich Bücher von Fethullah Gülen bekommen und gelesen, habe an Treffen der Gülencis, wie manche sie nennen, teilgenommen, darunter einer großen Konferenz in Potsdam 2009 (habe hier im Blog darüber berichtet) und bin seit ein paar Monaten im Beirat einer von ihnen eingerichteten Schule in Wuppertal.




Sonntag, 5. August 2012

Beach Boys - Wege zur Unsterblichkeit






Die Frage nach der Unsterblichkeit ist im Konzert von Anfang an gegenwärtig, am Freitagabend in der Berliner O2-World. Zunächst ist da die Unsterblichkeit der Zuhörer - in der Mehrzahl Vertreter meiner eigenen Nachkriegsgeneration, die sich nochmals vergewissern wollen, dass das alte Surfer-Lebensgefühl noch da ist. Ja, es ist noch da, am Besteigen eines Surfbrettes hindert uns nur der Umstand, dass die Gemahlin den Urlaub in Berchtesgaden gebucht hat statt am Atlantik, und eins der vielbesungenen braunen Surfer Girls für sich zu gewinnen, das wird ebenfalls noch gehen, nach zwei Strophen "Help me Rhonda" wird sie uns in die Arme sinken, das ist sicher. In dieser Gewissheit ewiger Jugend singen und tanzen meine Altersgenossen und schwenken Lichter. Unsere Jugend kann uns keiner nehmen.