Soltau, Lüneburger Heide, 27. August 2012
Die Heide ist keine natürlich entstandene Landschaft, das ist allgemein bekannt. Zwar gibt
es im Hochgebirge und an windigen Küsten baumlose Streifen, die mit Heidekraut
bewachsen sind, aber die großen deutschen Heidegebiete sind nicht Natur,
sondern Folge einer ganz besonderen Landwirtschaft. Ihre Methoden sind in
grauen Vorzeiten entstanden, als die Bauern versuchten, auf den kargen und sandigen Hügeln, der Geest, in
der niederdeutschen Tiefebene den Boden zu verbessern.
Dazu nahmen sie - Grundprinzip - die magere Humusschicht von Acker A und
verstärken damit die ebenso magere Schicht von Acker B. Später verfeinerten sie
- Variante 1 - die Methode, indem sie den mageren Boden von Acker B mitsamt
seinen Wurzeln und Kräutern zunächst in die Viehställe transportierten und dort
als Streu verwendeten. Zusammen mit den Ausscheidungen der Tiere wurde das
Ganze dann als Dünger auf Acker A aufgetragen, der dadurch fruchtbarer wurde
und in manchen Gegenden nach und nach um mehr als 1 m in die Höhe wuchs.
Die Engländer würde
sagen They robbed Peter to pay Paul, aber ganz so war es nicht,
denn der Acker A war meistens im Besitz einzelner Bauern, während der Acker B
sich auf dem gemeinsamen Dorfeigentum, der Allmende befand. Dieses
gemeinsame Eigentum geriet natürlich unter dem wiederholten Abtragen der
Plaggen (eine schwere Arbeit, an die heute noch das Wort
Plackerei erinnert) in den Zustand einer Wüste, wurde aber nach
einer gewissen Zeit von der Pflanzenwelt wieder zurückerobert und zunächst mit Heide,
später auch mit Wald bedeckt. Als im 19. Jahrhundert mit dem Aufkommen des
Kunstdüngers die Plackerei ein Ende hatte, holten sich die Wälder nach und nach
das nur mit dürrer Heide bedeckte Land zurück. Es wäre heute vermutlich
weitestgehend ausschließlich mit Wald bedeckt, wenn nicht eine aufkommende Heideromantik
die Menschen dazu gebracht hätte, die offene, fast baumlose Heide in besonderer Weise zu schützen. Sie
nahmen dabei die Heidschnucken zu Hilfe, welche selektiv die Heidekräuter in
Ruhe lassen, die kleinen Sämlinge von Bäumen aber abbeißen. Mittlerweile kann man die Heide auch mit Hilfe von Mähdreschern kurz halten, sie sieht dann ein paar Monate lang wohl grausam gerupft aus, erholt sich aber rasch.
Frühere Zeiten haben
die Heide als einen öden, furchteinflößenden Ort angesehen. Ähnlich war es mit
den Ufern des Meeres, die kaum jemand als einladende Strände empfunden hat, wie
wir heutigen das tun (ich schreibe später noch etwas darüber). Heute ist die Heide Ziel einer zu Herzen gehenden Romantik, besonders, wenn sie wie in diesen Tagen überall blüht.
Wir wanderten gestern bei zunächst warmer Sonne durch das Heidegebiet zwischen Oberhaverbeck und dem Wilseder Berg (Foto folgt noch). Ein plötzlicher starker Regenschauer mit böigen Winden machte alles, was nicht unter dem Anorak war, in kurzer Zeit triefend nass. Ich empfand trotzdem das Schauspiel eines Sturms in freier Wildbahn, das wir unter einer großen Birke beobachteten, als erstklassige Unterhaltung.
Zurück in Oberhaverbeck erzählten uns die Leute am Stand, wo man Garnituren aus Heidekräutern kaufen konnte, dass sie selbst am liebsten in der Osterheide zwischen hier und Schneverdingen unterwegs sind. Dieses Gebiet war bis in die 90er Jahre militärische Sperrzone, die Engländer übten hier. Nach deren Abzug hat die Natur sich das von Panzerketten zernarbte Gelände wohl überraschend schnell zurück erobert.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen