Freitag, 14. November 2014

Briefwechsel mit einem atheistischen Freund (X)

Prometheus
Lieber Vetter dessen Name Programm ist...

lass mich die Antwort auf dein letzten Brief im Blog mit drei Bemerkungen beginnen.

Ersten, ich vermute, dass meine Antwort auf Deine Frage, woher kommt der „Mut zum Sein“, Dich wieder enttäuschen wird.


Zweitens und nur wegen der Faktenlage; die Schimpansen (biologischer Name „Pan“) und wir Menschen (biologischer Name „Homo“) hatten gemeinsame Vorfahren vor mehreren Million Jahren. Damit liegt unsere gemeinsame Vergangenheit vor der Schimpansenzeit, und auch vor dem Tier-Mensch-Übergangsfeld.

Drittens, Ich hatte nicht den Eindruck, dass Du missioniert. Ich wollte jedoch für uns Beide sicherstellen, dass ich historisch formuliert hatte: „Abstrakte theologische Konzepte sind in der Regel aufwendige Versionen einfacher und ansteckenden „spiritueller“ Volksvorstellungen. Und im Gegenzug, atheistische Konzepte sind aufwendige De-Konstruktionen dieser einfachen Vorstellungen und ihrer aufwendigen Weiterentwicklungen der Weltreligionen.“

Wenn Du als Antwort schreibst „...entsteht Religion immer wieder neu, und... das Nachdenken über einen unser Leben tragenden und stärkenden Sinn wird mit dem kulturellen Fortschritt feiner....“ finde ich meinen Aussage wieder, in sofern sie die historische Entwicklung von Religionen beschreibt. Die Entwicklung der Religion als Teil der gesellschaftlichen Verhältnisse war notwendig, so mein Verständnis, um die Entwicklung der Produktionsverhältnisse vom Jäger und Sammler zum Ackerbauern und Städtebauer zu stützen.

Welchen Entwicklungsweg religiöses Denken in seinen frühesten Anfängen, wahrscheinlich bei der gleichzeitigen Herausbildung der Jäger und Sammler Gesellschaften und der biologisch modernen Menschenart(en) genommen hat, ist spekulativ. Es scheint jedoch wahrscheinlich, das alltagstaugliche Strukturen des größer werdenden Gehirnes, die zum intuitiven Erkennen von Zweck und Handelnden entstanden waren, auch anderweitig verwendet wurden. Wir Menschen haben die spontane Eigenschaft nach Sinn und Zweck zu fragen; wie sagtest Du „einen unser Leben tragenden und stärkenden Sinn“? Unsere Fähigkeit sich in Andere hineinzudenken (Theory of Mind) und mehrschichtige Einschätzungen von deren Absichten aufzubauen ist beeindruckend. Kinder brauchen mehrere Jahre, um diese Fähigkeit herauszubilden und ganz schlaue Schimpansen sollen einschichtige Einschätzungen schaffen.

Diese höchst menschliche Eingenart nach Sinn und Zweck zu fragen wird als „hyperaktives teleofunktionales Argumentieren (hyperactive teleofunctional reasoning) bezeichnet. Von dieser Eigenart machen wir Menschen reichlich und spontan im Alltag und Umgang miteinander Gebrauch; und es ist letztendlich diese Eigenart, die wir zur intuitiven Entwicklung von Gottesbegriffen als Erklärungsmuster verwenden.

Kulturelle Überarbeitung schärft diese Gottesbegriffe und verbreitert sie zu Religionen. A-theistisches Denken, das durchaus noch religiös sein kann (siehe Lin Yutang), hinterfragt die kulturelle Überarbeitung, de-konstruiert die Begriffe, und kann weitergehend nach dem Verständnis suchen wieso, entwicklungsgeschichtlich, diese Art zu Denken entstanden ist. Als Quintessenz bleibt dann die doppelte Einsicht, der Handlende bin ich und ich handele damit ich bin; actio cum ergo sum.

Damit sind wir bei Deiner Frage. Woher kommt der „Mut zum Sein“? Woher kommt, ganz persönlich, mein Mut zum Sein? Von nirgendwo her!

Mensch-Sein ist Mut zum Sein. Und damit sind wir bei Prometheus, (nach Goethe mit dem Lin Yutang nur teilweise gleicher Meinung wäre): „Bedecke deinen Himmel, Zeus, mit Wolkendunst!.. Mußt mir meine Erde doch lassen steh'n, Und meine Hütte, die du nicht gebaut, und meinen Herd, um dessen Glut Du mich beneidest.... Wähntest du etwa, ich sollte das Leben hassen, in Wüsten fliehn, weil nicht alle Knabenmorgen- Blütenträume reiften? Hier sitz' ich, forme Menschen nach meinem Bilde, ein Geschlecht, das mir gleich sei, zu leiden, weinen, genießen und zu freuen sich, und dein nicht zu achten, wie ich!“

Eine gute, friedliche Nacht !

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