|
Rudi Dutschke |
Zu meinem heutigen Geburtstag schrieb mir ein lieber Freund aus Studentenzeiten, ich sei jetzt wohl endlich ein echter 68er, und das wäre auch gut so, denn die 68er seien "der wertvollste Bestandteil unserer Nachkriegsgesellschaft gewesen".
Er hatte wohl recht mit seinem "endlich", denn so ein ganz richtiger 68er bin ich vermutlich nie gewesen. Zwar hatte ich im Jahre 1968 als Bundeswehrsoldat ein Bild von Rudi Dutschke in meiner Stube hängen, aber es wirkte ein wenig verloren – ein echter 68er hätte den Wehrdienst verweigert.
Später im Beruf haben mich die 68er eher enttäuscht. Sie ließen sich alle in gut bezahlte Positionen hochbefördern und vergaßen bald, dass ein echter 68er irgendwann einmal die Verpflichtung übernommen hatte, nie im Leben mehr als DM 5.000,- im Monat verdienen zu wollen. Sie gaben mir, der ich im ererbten väterlichen Unternehmen arbeitete, von Ferne noch ein paar schwache Signale, dass ich eigentlich Mitbestimmung und Arbeitnehmer-Aktien einführen müsste, aber ich habe das aus dem Mund von gut besoldeten Beamten nie als wirklich ernst gemeinte Aufforderung verstanden.
Später dann sind die 68er in den Personen von Schröder und Fischer in höchste Staatsämter aufgestiegen. Dort haben sie mir aber aufgrund ihrer Unehrlichkeit nicht gefallen. Für mich haben sie immer links geblinkt und sind dann rechts abgebogen.
Aber das ist alles Vergangenheit. Was jetzt auf einmal neu aktuell wird, ist die komplette Abwahl der 68er durch Trump in den USA. Die dortige Arbeiterklasse oder das, was noch davon übrig war, hat sich gegen diejenigen aufgelehnt, die angeblich am meisten für diese Klasse tun wollten, die "Liberals". Deren Aushängeschild, Hillary Clinton, hat sechsstellige Honorare für Auftritte vor Bossen der Wall Street kassiert. Das hat das Ende von 1968 markiert.
Für mich ist das ein großes Lebensproblem, denn ich bin mittlerweile zumindest in einem Punkt wieder ein alter 68er geworden: ich bejahe das soziale Engagement der deutschen Gesellschaft gegenüber den Flüchtlingen und bin mit den Leuten der Willkommenskultur optimistisch, dass die Kanzlerin recht hat, "wir schaffen das".
Damit gerate ich aber in das Visier einer breiten, teilweise noch schweigenden Menge, die mit "Modernisierungsverlierer" sehr ungenau beschrieben ist, die aber darauf wartet, den linken Spinnern mit ihrer permanenten moralischen Überlegenheit einen Denkzettel zu verpassen.
Wie stelle ich es für den Rest meines Lebens an, nicht zu einer Gruppe gezählt zu werden, die aufgrund ihrer Bildung, ihrer sprachlichen Fähigkeiten und ihrer Möglichkeiten zu reisen, eine gewisse natürliche Affinität zu Fremden und Einwanderern hat? Manchmal möchte ich mit einem Schild herumlaufen, auf dem steht "ich bin konservativ und deshalb für eine Öffnung unserer Gesellschaft für die Fremden".
Aber es würde vermutlich nichts nutzen, und es würde auch nicht stimmen. Ich bin nicht konservativ. Ich bin ein 68er.
Irgendwie. Ein Stück weit.