Sonntag, 5. Dezember 2010

Im Schnee versunken




Eine per eMail gerettete Predigt

Das Bergische Land ist heute im Schnee versunken. Pastor Matthias Ekelmann, der im Gottedienst unserer Remscheider Baptistengemeinde predigen sollte, saß im 50 km entfernten Wiehl fest. So mußte seine Predigt heute vorgelesen werden, gut, daß es eMail gibt und die Predigt auf diesem Weg nach Remscheid transportiert werden konnte.

Gut auch, daß Matthias Ekelmann und unser Pastor Lothar Leese lebenslange Freunde sind. So konnte Lothar Leese die Predigt, wie er mir mailte, "wie meine eigene" vortragen. Hier ist sie.


Johannes der Täufer hörte im Gefängnis von den Taten Christi. Da schickte er seine Jünger zu ihm und ließ ihn fragen: Bist du der, der kommen soll, oder müssen wir auf einen andern warten? Jesus antwortete ihnen: Geht und berichtet Johannes, was ihr hört und seht: Blinde sehen wieder und Lahme gehen; Aussätzige werden rein und Taube hören; Tote stehen auf und den Armen wird das Evangelium verkündet. Selig ist, wer an mir keinen Anstoß nimmt.
(Matthäus 11, 2 - 6)


Unbequeme Wahrheiten
Johannes, genannt der Täufer, sitzt im Gefängnis. Er hat dem Regierungschef mit Namen Herodes zu deutlich gesagt, dass es nicht richtig ist, fremd zu gehen und die Ehe zu brechen und dann auch noch mit der Ehefrau des Bruders, also seiner Schwägerin. Die Wahrheit zu sagen war schon immer unbequem und gefährlich.

Unangepasstes Leben
Dieser Johannes ist eine faszinierende Figur. Er ist ein absolut unangepasster Mann, lebt in der Wüste, hat lange Haare, trägt einen Mantel aus Kamelhaar und isst das, was er in der Wüste so finden kann: Heuschrecken und wilden Honig. Für die meisten von uns unvorstellbar. Er verzichtet auf allen Luxus und interessiert sich nicht für ein 5-Gänge Menü.

Ungeschminkte Predigten
Er lebt nicht nur unangepasst, er predigt auch völlig ungeschminkt. Er spricht von Umkehr und Buße und vom Zorn Gottes, der die Menschen treffen würde, wenn sie sich nicht ändern. Er sagt nicht, was ankommt, sondern worauf es ankommt. Menschenfurcht ist für ihn ein Fremdwort. Die Oberfrommen seiner Zeit redet er nicht an mit „liebe Schwestern und Brüder“, sondern er beschimpft sie ziemlich derbe: „Ihr Otterngezücht, ihr Schlangenbrut, was denkt ihr eigentlich, wer ihr seid?“

Unzählige Zuhörer
Und trotz seiner provozierenden Predigten kommen die Leute in Scharen, um ihn zu hören. Viele von ihnen lassen sich taufen als Zeichen dafür, dass sie einen Neuanfang wagen wollen und um die Reinigung von ihren Sünden zu bitten. Das ist ja der Sinn der Taufe.

Mich erinnert das an den Chemnitzer Jugendpfarrer Theo Lehmann, der in der DDR-Zeit einmal im Monat sonntags Tausende junger Leute als Zuhörer hatte und kein Blatt vor den Mund nahm, über den Himmel genauso predigte wie über die Hölle.

Zurück zu Johannes: so wird uns berichtet, dass er sogar Jünger hat, Schüler, die mit ihm durch die Lande ziehen, und von ihm lernen.

Dieser so überzeugte und überzeugende Verkündiger sitzt nun im Gefängnis, weil er Tacheles geredet und sich positioniert hat. Weil er die Gebote Gottes ernst genommen und sie dem Herodes wie einen Spiegel vor Augen gehalten hat.

Ungeahnte Zweifel
Aber nun gerät er in eine Krise, in eine Glaubenskrise.
Er ist verunsichert. Er weiß nicht mehr so recht, ob die Sache mit Jesus stimmt.
Ob er sich wirklich auf die richtige Seite geschlagen hat.

Und deshalb fragt er: „Bist du der, der kommen soll, oder müssen wir auf einen anderen warten?“ Ich bin mir da nicht mehr so sicher. Ich bin hin- und hergerissen.
Kennen wir das nicht auch manchmal: dass der Zweifel an uns nagt.
Ob das alles so seine Richtigkeit mit Jesus hat.

Das letzte, was Johannes in seinem Leben sagt, ist diese Frage.
Danach sagt er nichts mehr.
Wir wissen aus dem weiteren Verlauf, dass er wenig später auf unappetitliche Weise hingerichtet wird.
Er wird im wahrsten Sinne des Wortes einen Kopf kürzer gemacht und sein Kopf wird auf einer Schale der Schwägerin von Herodes gebracht, mit der dieser ein Verhältnis hat. So hat sich das deren Tochter gewünscht.
Pervers, würden wir heute sagen, so ein Verhalten. Stoff für einen Thriller.

Dietrich Bonhoeffer, der Pfarrer aus dem Widerstand, der wegen seiner Worte gegen Hitler im Gefängnis ist, erlebt die gleiche Anfechtung wie Johannes in seinem Gefängnis und auch das gleiche Schicksal, nämlich den Tod. „Verzweifeltes Fragen treibt mit mir Spott!“ schreibt der Gefangene Bonhoeffer.

Unvorstellbare Zweifel
Manche Ausleger sagen: Johannes und Zweifel, das passt nicht zusammen. Gerade weil Johannes so eine klare Verkündigung hat, weil er so eine aufrechte Persönlichkeit ist, ist es unvorstellbar, dass er zweifelt.
Dieser Johannes ist es doch, der ganz dicht dran war an Jesus, der ihn getauft hat und der gehört hat wie eine Stimme aus dem Himmel sagt: „Dies ist mein lieber Sohn, über den ich mich freue!“ Und hat er nicht selbst gesagt: „Ich bezeuge: Er ist der Sohn Gottes.“
Ganz starke Worte. Ein ganz klares Bekenntnis.

Ja, das gibt es, dass Christen, die innerlich einmal überzeugt waren von Jesus und vom Glauben, ins Schleudern geraten, aus der Bahn geworfen werden, nicht mehr glauben können.
Es gibt engagierte Mitarbeiter in unseren Gemeinden, die Kindern und Jugendlichen das Evangelium gesagt und auch beispielhaft vorgelebt haben, die schleichend oder auch über Nacht alles hingeschmissen und den Glauben an den Nagel gehängt haben.
Und die, die ihnen nahestanden, waren einfach nur traurig.
Auch der stärkste Glaube ist nicht vor Anfechtungen sicher.

Unterschiedliche Gründe
Die Gründe hierfür mögen vielfältig sein: Enttäuschung an der Gemeinde, eigenes Versagen, Lebenskrisen, unverständliche Erfahrungen von Leid etc.
Keiner von uns kann die Hand dafür ins Feuer legen, dass er den Glauben bewahrt.
Es ist Gnade, wenn wir im Glauben durchhalten.

Unseriöse Frage
Übrigens, diese Frage „bist du der, der kommen soll, oder müssen wir auf einen anderen warten?“, stellen wir uns auch im politischen Leben: wer kommt, um diese Welt friedlicher, gerechter und sicherer zu machen? Obama, war er es, auf den wir warten sollten oder sollen wir wieder auf einen anderen warten? Was hatten wir, vor allem die Amerikaner, nicht alles erhofft von diesem Mann. Und nun sind die Vorschusslorbeeren aufgebraucht, Enttäuschung macht sich breit. Er hat, nach Meinung vieler, nicht gehalten, was er versprochen und man sich von ihm versprochen hat.

Diese Frage stellen wir uns auch bei Pastorenberufungen: ist es der, den wir jetzt berufen haben, der die Gemeinde nach vorne bringt und für quantitatives und qualitatives Wachstum sorgt? Selbst bei Berufungen mit überwältigender Mehrheit kann nach kurzer Zeit bereits Ernüchterung eintreten: wir hatten uns mehr erhofft. Und ein neuer und nächster soll es richten.

Selbst in so banalen Zusammenhängen wie der Trainerfrage in einem Bundesligaverein spielt eine solche Frage eine Rolle: ist es der, den wir jetzt engagiert haben, der die Mannschaft aus dem Tabellenkeller wieder in das sichere Mittelfeld führt? Die Realität zeigt in vielen Fällen, dass die Retter in der Not auch nur mit Wasser kochen und bei Misserfolgen wieder ausgetauscht werden. Das Karussell dreht sich weiter.

Uneigennützige Frage
Zurück zu Johannes: „Bist du der, der kommen soll, oder müssen wir auf einen anderen warten?“ Diese Frage ist schon bemerkenswert. Johannes fragt nicht: Komm ich hier wieder raus? Wie lange muss ich hier sitzen? Jesus, du kannst doch nicht wollen, dass ich hier für den Rest meines Lebens abgestellt werde.
Johannes fragt nicht nach seinem Ergehen, nicht nach seiner eigenen Zukunft.
Er fragt nicht, was noch alles in seinem Leben kommt, sondern wer in sein Leben kommt.

„Bist du der Christus? Bist du es, den unsere Propheten uns vorhergesagt haben? Wenn ja, dann ist meine Unruhe besiegt. Dann ist alles gut. Dann war mein Leben nicht umsonst. Dann war es alle Opfer wert.“

Das Reich Gottes würde auch ohne ihn, Johannes, kommen und ohne ihn weiter gehen. Das Reich Gottes steht und fällt nicht mit seinem Einsatz. Johannes steht in einer Kette. Propheten vor ihm haben gepredigt, er hat in seine Zeit hinein ihre Botschaft fortgesetzt. Jesus und seine Jünger werden es weiterführen. Wenn er nur wüsste, wenn er es noch einmal bestätigt bekäme, was er eigentlich weiß, dass Jesus der ist, auf den er gewartet hat, dann wäre alles gut. Dann könnte er loslassen. Dann wüsste er, in welche Hände er alles loslässt.

Unbedingt fragen
Er macht das einzig Richtige, was er in einer solchen Situation machen kann. Er schickt sein Mitarbeiter-Team mit seinen Fragen zu Jesus.
Die Antwort von Jesus ist bemerkenswert. Er sagt nicht: „ Ja, ich bin es!“
Jesus sagt: „Seht, was ich tue. Hört euch um, was hier passiert. Sagt das dem Johannes: Blinde sehen wieder, und Lahme gehen; Aussätzige werden rein, und Taube hören; Tote stehen auf, und den Armen wird das Evangelium verkündet.“

Johannes soll den Schluss daraus selber ziehen.
Jesus bestätigt Johannes, was dieser eigentlich selber schon weiß.
Aber vielleicht braucht er noch einmal Menschen, die es ihm bestätigen.
In der Seelsorge ist das manchmal so, dass der Seelsorger dem, der Hilfe sucht, gar nichts Neues sagt. Er sagt ihm das, was der andere eigentlich weiß, noch einmal zu.


Das Problem des Johannes ist auch unser Problem: dass uns die Sache mit Jesus, das Reich Gottes, so unscheinbar vorkommt, so wenig attraktiv, so wenig beeindruckend und Aufsehen erregend. Dass der Glaube so wenig auszurichten scheint, keine Welten bewegt.

Unbedingt hinsehen
Vielleicht würde Jesus heute auf diese Frage von Johannes „bist du der, der kommen soll, oder müssen wir auf einen anderen warten?“ so antworten:
Du erwartest Großes, Spektakuläres.
Guck mal genau hin, was da heute so alles geschieht.
Da werden Kranke in den Krankenhäusern von den sog. grünen Damen besucht; Sterbende in Hospizeinrichtungen begleitet; Augenkliniken in Afrika errichtet; Straßenkindern in den Großstädten dieser Welt geholfen; Schulen gebaut, damit durch Bildung Eigenverantwortung gestärkt wird; Kinderheime errichtet für Halbwaisen, deren Väter in Stammeskriegen ums Leben gekommen sind; sog. Tafeln angeboten für Menschen, die sich kein teures Essen leisten können; Alkoholabhängige in Gruppen wie dem Blauen Kreuz therapiert …
Diese Aufzählung ließe sich mühelos um das Zehnfache an Initiativen fortsetzen.

Guck mal genau hin. Lies mal die Veröffentlichungen der EBM und der Hans-Herter-Indienhilfe. Und der vielen anderen Hilfswerke. Hör dich um, und du wirst erstaunliches, atemberaubendes entdecken. Es ist alles da. Es geschieht um dich herum und in der ganzen Welt. Du musst nur genau hinsehen und genau hinhören. Informationen gibt es genug.

Es geht nicht um die vermeintlich großen Dinge, die vom Himmel fallen, um das Mirakelhafte und Spektakuläre. Es geht ganz schlicht um eine menschlichere Weise des Zusammenlebens.
Das Diakonische und Soziale ist es, worin sich die Werke Jesu finden lassen.
Da wo Christen im Namen Jesu anderen Menschen die Barmherzigkeit Gottes erweisen.

Nein, wir müssen nicht auf einen anderen warten.
Der damals vor 2000 Jahren kam, hat ein Feuer angezündet. Hat Menschen wohlgetan an Geist, Seele und Körper. Und wir tragen die Fackel der Liebe und Barmherzigkeit weiter.
Wir sind im wahrsten Sinne des Wortes Nachfolger dieses Einen.

Und wenn uns je und dann Zweifel beschleichen, ob wir denn auf der richtigen Seite stehen und ob die Mühen und Opfer es wert sind, dann lasst uns mit offenen Augen und Ohren wahrnehmen, welche Spuren dieser Eine in der Geschichte dieser Welt und unseres Lebens hinterlassen hat.

Jesus hat gewusst, dass wir wankelmütig werden könnten und sagt vorsorglich: „Selig ist, der nicht an mir irre wird.“ So die wörtliche Übersetzung aus dem griechischen Urtext.

Deshalb: Lasst uns bei Jesus bleiben und es dem Teufel nicht gestatten, uns auch in den schwersten Anfechtungen von Jesus zu trennen.



2 Kommentare:

Klaus Timmerbeil hat gesagt…

Die elektronische Predigt über die Worte Jesu zur anbrechenden Gottesherrschaft ist genau das, was ich vor 50 Jahren -sprachlich sicher etwas holpriger- hätte sagen können und in den Jungscharandachten auch gesagt habe. Ein derartiges Bleiben in der Väter Sprache und Lehre ist nir, so schmerzhaft dies für mich auch war, nicht möglich. Damit erhebe ich keinen Geltungsanspruch meines jetzigen Erkenntnisstandes. Historisch gesehen jedoch befindet sich der Prediger nicht auf dem Stand der Forschung, auf den er sich nicht begeben will oder kann - beides macht mir das "Hören" schwer. Dein Klaus T.

Christian Runkel hat gesagt…

Klaus, habe Dank für Deinen Kommentar, es ist schön, eine Stimme aus alten Zeiten zu hören. Ich würde gerne etwas mehr über Deine Kritik erfahren. Deshalb stelle ich Dir gleich einen Freundschaftsantrag über Facebook, wenn Du den - bitte! - erhörst, kann ich via Facebook-Information konkret zwei Dinge fragen