Sonntag, 22. März 2020

Erinnerungen in den Zeiten von Corona (I): Otto, Nove, Dieci


Bei km 1,0
Vom  Zentrum des Dorfes Buchholzen, in dem meine Großmutter wohnte, gab es entlang der Straße nach Bergisch Born alle hundert Meter einen Kilometerstein. Meine Oma wohnte bei Stein Nummer 7, und wenn sie mit uns in Richtung Bergisch Born ging, mussten wir die weiteren Steine auf Italienisch aufsagen.

Der erste Stein hieß Otto, also auf Italienisch acht, was wir als kleine Kinder lustig fanden, aber auch ein wenig irritierend. Uns dämmerte, dass zwischen Wort und Bedeutung etwas Drittes lag, Sprache, und die konnte also verschieden sein. Bis zum Stein "Nove" gingen wir noch gerne mit, aber bei "Dieci", am Straßenrand vor der Gaststätte, die nach einer alten Ortssage "Rattenburg" hieß, wollten wir meist umkehren. Die Oma konnte uns mit der Aussicht weiter locken, bei "Dodici" über die Eisenbahnbrücke gehen zu dürfen und uns in den Dampf einer unter uns her rauschenden Lokomotive einzuhüllen.

Oft hatten wir die Chance, dass der aus Remscheid von der Arbeit kommende Großvater uns in seinen schwarzen Mercedes aufnahm und uns den Rückweg zu Fuß ersparte.

Der Großvater war – auch für uns Kinder erkennbar – ein schlechter und deshalb überaus vorsichtiger Autofahrer. Er war im Haus meines Urgroßvaters recht komfortabel aufgewachsen und hatte bis in die Kriegszeiten immer einen Chauffeur, der ihn fuhr. Erst nach dem Krieg erwarb er den Führerschein, da war er schon fast 60 Jahre alt.

Im Gegensatz zu ihm hatte meine Großmutter schon als junges Mädchen den Führerschein gemacht. Ich kann mich aber nicht daran erinnern, dass sie jemals das Auto des Großvaters fahren durfte. Erst nach seinem Tod bekam sie einen eigenen Volkswagen, mit dem sie noch viele Jahre gefahren ist.

Heute sind die Markierungen aus Kunststoff, und oft ist die kleine Plakette mit den 100-m-Angaben nicht mehr vorhanden. Bei unserer heutigen Corona-Wanderung konnte ich feststellen: "Dieci" hat die korrekte Zahl noch - siehe mein Foto.



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