Über das Leben von Jesus gibt es vier Berichte, von denen zwei auch die Umstände seiner Geburt enthalten. Ich erzähle hier als Weihnachtsgeschichte für meine Enkelkinder die Version des Lukas. Er schreibt insgesamt etwa 50 Seiten über das Leben Jesu und beginnt sie als Brief an seinen Auftraggeber, den er mit „hochedler Theophilus“ anredet. Dem berichtet er, dass Jesus geboren wurde, als in Rom der Kaiser Augustus herrschte. Diesem untergeordnet war der Gouverneur Quirinus, der als Oberhaupt der Provinz Syrien auch für das kleine Gebiet von Israel zuständig war. Das große Reich der Römer umfasste damals eine Serie von Provinzen, die sich um das komplette Mittelmeer erstreckten. Zu diesen Provinzen gehörte Spanien genauso wie Griechenland, die heutige Türkei, eben Syrien, Ägypten und die Länder bis zum heutigen Marokko.
Der Kaiser in Rom wollte eine Übersicht über die gewaltige Menge an Land und Leuten haben, über die er regierte, und befahl deshalb eine Volkszählung. Für diese Volkszählung wurde für alle Menschen im römischen Reich angeordnet, dass sie sich in ihre Heimatstadt begeben sollten, um dort gezählt zu werden. Auf diesem Befehl hin machten sich der Zimmermann Josef und seine junge Frau Maria, die Eltern von Jesus, zu Fuß auf den etwa 160 km langen Weg von Nazareth im Norden Israel, wo die beiden wohnten und arbeiteten, in die Stadt Bethlehem, die in der Mitte Israels liegt, nicht weit von Jerusalem entfernt.
Dieser Weg ist heute touristisch erschlossen und führt durch
teilweise wüstenähnliches Gebiet hinab an den Fluss Jordan und von dort nach
Bethlehem. Ich bin einmal ein Stück dieses Weges gegangen und habe dort eine norwegische
Gruppe getroffen, die unter Führung meines Freundes Nedal den ganzen Weg gegangen
ist.
Die Stadt Bethlehem hatte einen besonderen Ruf, weil in ihr
etwa 1.000 Jahre vor Jesus der König David geboren worden war. Josef stammte
aus dessen Stadt und war auch entfernt mit dem Königshaus verwandt. Daraus
konnte er aber keine besonderen Vorteile ziehen. Im Gegenteil war es so, dass
die Stadt von den vielen zurückkehrenden Bethlehemern so voll war, dass Josef
und Maria keine Unterkunft in der Stadt fanden. Lukas berichtet, dass Maria das
Kind in Windeln wickelte und in eine Futterkrippe legte. Man kann daraus ganz
offensichtlich schließen, dass Maria und Josef nur einen Stall als Schlafplatz
bekommen hatten. Das dem kleinen Jesus-Baby, die Tiere im Stall zugeschaut
haben, das haben die Menschen sich später vorgestellt. Es ist sicherlich sehr
wahrscheinlich, aber Lukas erzählt nichts davon.
Was er dagegen ausführlich erzählt, ist die Erscheinung
eines Engels auf den Hirtenfeldern außerhalb von Bethlehem. Von denen berichtet
Lukas, dass sie bei Nacht unter freiem Himmel saßen und ihre Herden hüteten.
Als plötzlich der Engel erschien, waren die Hirten aufgrund dieser
übernatürlichen Erscheinung sehr erschrocken und fürchteten sich. Der Engel
bemerkte das und sagte beruhigend „fürchtet euch nicht!“ Und er fügte hinzu
„ich habe eine frohe Botschaft für euch und alle Menschen: es ist heute der Retter für
euch alle geboren, der Messias“ und der Engel sagte außerdem „in der Stadt
Davids“.
Damit die Hirten das Kind auch finden konnten, beschrieb
Ihnen der Engel, dass es „in Windeln gewickelt“ ist und in einer Krippe liegt.
Die Hirten mussten also nicht in den herrschaftlichen Häusern der Stadt nach
dem Kind suchen. Nein, es war eine einfache Geburt, in ärmlichen aber
ordentlichen Umständen. Das Kind war sauber gewickelt. Die Krippe war weniger freundlich,
aber den Hirten war vermutlich bekannt, dass aufgrund des Gedränge in der Stadt
nicht für jeden Gast ein normales Zimmer zur Verfügung stand.
Nachdem der Engel diese Botschaft verkündet hatte, geschah
noch etwas Außergewöhnliches. Um den Engel herum erschienen plötzlich weitere
Engel, die Gott lobten und Worte sagten oder vielleicht sangen, wie „Ehre sei
Gott in der Höhe und Friede auf Erden“. Der Himmel klang mächtig von diesen
Tönen.
Wenig später waren alle Engel wieder verschwunden, und die
Hirten stießen sich untereinander an und sagten, lass uns nach Bethlehem gehen
und herausfinden, was da geschehen ist. Und richtig – sie fanden Maria und
Josef und auch das in der Krippe liegende Kind.
Die Hirten waren die ersten Fremden, die Jesus sahen und in
der Welt von ihm erzählen konnten, und das taten sie auch sogleich. Lukas sagt,
dass die Menschen, die es hörten, sich über das wunderten, was ihnen die Hirten
sagten.
Lukas fügt am Ende zu seinem Weihnachtsbericht hinzu, dass
Maria alle Worte in ihrem Herzen bewahrte. Man folgt daraus, dass Lukas beim
Zusammentragen seiner Informationen für den edlen Theophilus auch auf Marias
Wissen zurückgreifen konnte.
Ich habe beim Nacherzählen dieser Geschichte die Bibel vor
mir liegen gehabt und habe mich gewundert, wie kurz diese Weihnachtsgeschichte
ist. Lukas berichtet als Nächstes, dass acht Tage nach der Geburt die Eltern
mit dem Kind nach Jerusalem in den Tempel gehen. Die Geschichte mit den Heiligen
Drei Königen und der Verfolgung durch den bösen König Herodes berichtet Lukas
nicht, sie steht bei Matthäus. Bei Lukas sind es nur die Hirten, die den Engeln
begegnen und dann als erste fremde Menschen den neugeborenen Jesus zu sehen bekommen.
Manchmal sind die kurzen Geschichten die schönsten.
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