Dienstag, 22. April 2008

Im Lande Mizraim



In den letzten Tagen ist es mir gegangen wie dem Erzvater Jakob im Lande Kanaan: der größere Teil meiner Kinder war wie die Söhne Jakobs hinabgestiegen ins Land Mizraim, also nach Ägypten. Bei mir waren es nicht Joseph, Benjamin, Juda oder Ruben, es war zunächst Carolin, die in einem Slum-Projekt der deutschen Entwicklungshilfe ihre Diplomarbeit (und nebenbei einen schönen Blog) geschrieben hat, dann Eva (hier im Bild vor der Pyramide) und meine Schwester Esther, später Judith und Matthias, die sie dort besucht haben. Mittlerweile sind bis auf Carolin alle gesund zurück, aber auch sie wird am Wochenende wieder in Berlin erwartet.


Zu Mizraim מצרים habe ich gelernt, daß das alte hebräische Wort in seinem Konsonantenstamm M-Z-R dem entspricht, was auch die heutigen Ägypter zu ihrem Land sagen: Misr. Allerdings benutzen die Juden den Namen in seiner Pluralform mit der Endung „–im“ und erinnern damit an den Ursprung des Landes aus den getrennten Reichen von Ober- und Unterägypten. Viele Pharaonen trugen eine aus einem roten und einem weißen Teil bestehende Doppelkrone (rechtes Bild), welche die Herrschaft über beide Reiche symbolisierte, eine Art von k. u. k. Monarchie also, aber am Nil statt an der Donau.

Man muß lange überlegen, bis man zwei Länder findet, die heute ebenfalls in der Pluralform als eine Einheit bezeichnet werden. Mir fiel „The Carolinas“ ein, das sagen die Amerikaner, wenn sie North Carolina und South Carolina in einem nennen wollen.

Außerdem habe ich über Ägypten gelernt (von Carolin), daß die Ortsangaben in Heinz Erhardts berühmtem Gedicht eigenartigerweise ganz präzise stimmen:

In Ägyptens großer Wüste
wenn du reinkommst,
dann gleich links
steht versonnen eine Büste,
ganz aus Stein,
das ist die Sphinx.


Tatsächlich kommt man in Gizeh wohl recht unvermittelt in die Wüste, die heute gleich am Stadtrand der riesigen, immer weiter wuchernden Stadt Kairo beginnt und biegt dann links von der Ausfallstraße ab, um zur Sphinx zu gelangen. Jetzt würde ich gerne wissen, ob die örtlichen Verhältnisse schon zu Erhardts Lebzeiten so gewesen sind.

Um die abgeschlagene Nase der Sphinx ranken sich Legenden. Mir gefällt die Geschichte, daß die Nase im Original negroid war und daß sie jemand abgeschlagen hat, der die Spuren der „Wiege der Kultur“ (Napoleon) zurück ins innere Afrikas verwischen wollte. Ich habe einige Male im Leben schwarze Gospelmusiker aus unmittelbarer Nähe miterleben können und habe seither eine Ahnung davon, welche gestalterischen Kräfte in den afrikanischen Genen eingebunden sind.

Meine moderne Sphinx könnte beispielsweise so aussehen wie die schwarze TV-Predigerin Juanita Bynum, die fauchend ihr Auditorium in Schach hält. Der schlägt so leicht keiner die Nase ab.

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