Herr Necattin Topel, 39, ist ein ebenso gebildeter wie frommer Mann, der Vater von drei Söhnen und Inhaber einer Apotheke in Solingen. Ich lernte ihn vor etwa einem Jahr kennen, als der von ihm geführte Verein "Spektrum" Türken und Deutschen zu einem gemeinsamen Ramadan-Essen in Remscheid einlud.
Der Verein tritt für " Bildung und Dialog " ein, und Herr Topel verdient sicherlich das Kompliment, daß er beides in besonderem Maße verkörpert. Er ist mit 10 Jahren nach Deutschland gekommen und hat einen nicht ganz einfachen Bildungsweg über die Hauptschule zum Pharmaziestudium genommen, dabei eher gehindert als gefördert durch die nicht ganz einfachen Lebensbedingungen in einem problematischen Wohnviertel in Köln-Chorweiler. Sein Verein hat es sich zum Ziel gesetzt, den Kindern von türkischen Migranten durch gezielte Förderung zu helfen, eine gute deutsche Schulbildung zu erhalten. Dabei soll das Interesse an der deutschen Lebenswelt geweckt werden, was nach dem Verständnis dieses Vereines nur im Wege über den Dialog möglich ist.
Herr Topel ist aber auch ein frommer Mann, der mich bei zwei Besuchen in meinem Haus jeweils etwa um zehn Uhr abends um ein sauberes Handtuch gebeten hat, damit der in meinem Wohnzimmer sein Abendgebet verrichten kann. Wir haben gemeinsam festgestellt, daß Mekka etwa da liegt, wo man hingelangt, wenn man eine gedachte Linie zwischen meinen Fernseher und mein Klavier zieht.
Vor ein paar Tagen nun schrieb er mir eine eMail und sagte, eine türkische Schulklassen sei zu Besuch in Solingen und wolle "eine Kirche und eine deutsche Familie" sehen. Das erschien mir eine einfache Übung zu sein, war es am Ende auch, brachte aber im Ergebnis einen ereignisreichen Tag mit sich, an den ich mich noch lange erinnern werde.
Die 10 jungen Türken im Alter von etwa 16 Jahren erschienen pünktlich mit ihrem Lehrer und zwei deutschen Türken als weiterer Begleitung am vereinbarten Treffpunkt in meiner Baptistenkirche und ließen sich erst einmal von mir die Geschichte von Johannes dem Täufer erzählen, der auch im Koran kurz vorkommt und dort Yahya heißt. Die örtliche Presse nahm ein Bild auf*, das eine Horde junger Türken am Rande unseres großen Taufbeckens zeigt, die Fragen der Jungen waren interessiert (so etwa die Frage ob Kinder getauft werden müssten, weil sie nach christlichen Glauben bereits mit Sünden behaftet geboren werden), die Tatsache, daß ein solcher Austausch zwischen Muslimen und Christen überhaupt möglich ist und noch dazu an einem solchen Ort, schon recht erstaunlich.
Zu meinem persönlichen Glück trug danach ganz nebenbei eine organisierte Rundführung durch das Remscheider Rathaus bei, bei dem ich zum ersten Mal in meinem Leben die Gelegenheit bekam, meine Heimat vom 60 m hohen Rathausturm aus zu betrachten. Ich war bisher erst einmal auf diesem Turm gewesen, das war vor sieben Jahren und bei dichtem Nebel. Heute schien wunderbar die Sonne.
Ich hatte den jungen Türken in meiner Gemeinde etwas auf der Orgel und dem Klavier vorgespielt und versucht, sie zum mitsingen zu bewegen, was aber nicht gelang. Zu meiner Überraschung begannen sie dann aber doch spontan zu singen, als Pfarrer Martin Rogalla von der zweiten Kirche, die wir besichtigten, der altehrwürdigen Remscheider Stadtkirche, zu unserer Begrüßung vom Turm das Glockenspiel "Alle Vögel sind schon da" erklingen ließ. Dieses Lied war bekannt, die Türken sangen es mit. Als dann zum Programm der Führung durch die Stadtkirche auch eine Vorführung der Orgel eingeschoben wurde, habe ich über die besagte Melodie ein wenig auf der schönen Pfeifenorgel improvisiert und die jungen Leute schließlich auch zum Mitsingen gebracht. Der Pfarrer war sichtlich beeindruckt, ein solches Lied an einem solchen Ort von einem solchen Chor zu hören.
Der Abend klang in unserem Garten aus, in einer wunderbar warmen Sommernacht. Berge von Nudeln wurden verzehrt, am Ende waren - uns und weitere späte Besucher eingeschlossen - fast zwanzig Leute satt. Das von Schwiegersohn Sören bei uns eingeführte schwedische Kupp-Spiel erfreute jung und alt, der türkische Lehrer, von allen nur "Hodscha" gerufen brillierte durch präzise Würfe (und wird Kupp jetzt sicher in Antalya einführen).
Ich saß spät inder Nacht noch alleine im Garten und wunderte mich, wie einer, dem seine Nächsten manchmal den Kopf waschen, weil er wieder einmal die "reine Lehre" vertreten und alle möglichen Menschen ausgegrenzt hat, eine solche Freude dabei empfinden kann, wenn er so gänzlich fremde Leute in seinem Haus versammelt sieht.
Vielleicht geht der Weg zu einer größere Liebe zu den Menschen am einfachsten über eine unverdiente und als ein Geschenk zu uns kommende Freude über den Reiz und die Faszination des Fremden. Ich will hier zumindest in diesem einen Punkt den Gedanken des türkischen Frömmigkeitspredigers Fethullah Gülen, vom dem mir Herr Topel ein Buch geschenkt hat, ein wenig folgen und etwas von seinem kindlichen Glauben übernehmen, daß Gott es in der Welt überall gut eingerichtet hat. Dieser Glaube fehlt mir, zumindest in dieser Einfachheit, aber ich will doch gerne erkennen, daß Gott eine fast unendliche Zahl an liebenswerten Menschen geschaffen - oder wie es John Updike etwas bildhafter gesagt hat: es ist ein Wunder, daß Gott nicht die Gesichter ausgehen. An diesem Abend habe ich bei Senih, Ömer, Selcuk, Fatih, Hakan, Batuhan und ihren Freunden gesehen, daß es stimmt.
Vieleicht ist diese Erkenntnis der Anfang einer größeren Versöhnung mit den ansonsten ja oft als unweise und ungerecht empfundenen Einrichtungen auf dieser schönen, armen Welt.
Herr Topel ist aber auch ein frommer Mann, der mich bei zwei Besuchen in meinem Haus jeweils etwa um zehn Uhr abends um ein sauberes Handtuch gebeten hat, damit der in meinem Wohnzimmer sein Abendgebet verrichten kann. Wir haben gemeinsam festgestellt, daß Mekka etwa da liegt, wo man hingelangt, wenn man eine gedachte Linie zwischen meinen Fernseher und mein Klavier zieht.
Vor ein paar Tagen nun schrieb er mir eine eMail und sagte, eine türkische Schulklassen sei zu Besuch in Solingen und wolle "eine Kirche und eine deutsche Familie" sehen. Das erschien mir eine einfache Übung zu sein, war es am Ende auch, brachte aber im Ergebnis einen ereignisreichen Tag mit sich, an den ich mich noch lange erinnern werde.
Die 10 jungen Türken im Alter von etwa 16 Jahren erschienen pünktlich mit ihrem Lehrer und zwei deutschen Türken als weiterer Begleitung am vereinbarten Treffpunkt in meiner Baptistenkirche und ließen sich erst einmal von mir die Geschichte von Johannes dem Täufer erzählen, der auch im Koran kurz vorkommt und dort Yahya heißt. Die örtliche Presse nahm ein Bild auf*, das eine Horde junger Türken am Rande unseres großen Taufbeckens zeigt, die Fragen der Jungen waren interessiert (so etwa die Frage ob Kinder getauft werden müssten, weil sie nach christlichen Glauben bereits mit Sünden behaftet geboren werden), die Tatsache, daß ein solcher Austausch zwischen Muslimen und Christen überhaupt möglich ist und noch dazu an einem solchen Ort, schon recht erstaunlich.
Zu meinem persönlichen Glück trug danach ganz nebenbei eine organisierte Rundführung durch das Remscheider Rathaus bei, bei dem ich zum ersten Mal in meinem Leben die Gelegenheit bekam, meine Heimat vom 60 m hohen Rathausturm aus zu betrachten. Ich war bisher erst einmal auf diesem Turm gewesen, das war vor sieben Jahren und bei dichtem Nebel. Heute schien wunderbar die Sonne.
Ich hatte den jungen Türken in meiner Gemeinde etwas auf der Orgel und dem Klavier vorgespielt und versucht, sie zum mitsingen zu bewegen, was aber nicht gelang. Zu meiner Überraschung begannen sie dann aber doch spontan zu singen, als Pfarrer Martin Rogalla von der zweiten Kirche, die wir besichtigten, der altehrwürdigen Remscheider Stadtkirche, zu unserer Begrüßung vom Turm das Glockenspiel "Alle Vögel sind schon da" erklingen ließ. Dieses Lied war bekannt, die Türken sangen es mit. Als dann zum Programm der Führung durch die Stadtkirche auch eine Vorführung der Orgel eingeschoben wurde, habe ich über die besagte Melodie ein wenig auf der schönen Pfeifenorgel improvisiert und die jungen Leute schließlich auch zum Mitsingen gebracht. Der Pfarrer war sichtlich beeindruckt, ein solches Lied an einem solchen Ort von einem solchen Chor zu hören.
Der Abend klang in unserem Garten aus, in einer wunderbar warmen Sommernacht. Berge von Nudeln wurden verzehrt, am Ende waren - uns und weitere späte Besucher eingeschlossen - fast zwanzig Leute satt. Das von Schwiegersohn Sören bei uns eingeführte schwedische Kupp-Spiel erfreute jung und alt, der türkische Lehrer, von allen nur "Hodscha" gerufen brillierte durch präzise Würfe (und wird Kupp jetzt sicher in Antalya einführen).
Ich saß spät inder Nacht noch alleine im Garten und wunderte mich, wie einer, dem seine Nächsten manchmal den Kopf waschen, weil er wieder einmal die "reine Lehre" vertreten und alle möglichen Menschen ausgegrenzt hat, eine solche Freude dabei empfinden kann, wenn er so gänzlich fremde Leute in seinem Haus versammelt sieht.
Vielleicht geht der Weg zu einer größere Liebe zu den Menschen am einfachsten über eine unverdiente und als ein Geschenk zu uns kommende Freude über den Reiz und die Faszination des Fremden. Ich will hier zumindest in diesem einen Punkt den Gedanken des türkischen Frömmigkeitspredigers Fethullah Gülen, vom dem mir Herr Topel ein Buch geschenkt hat, ein wenig folgen und etwas von seinem kindlichen Glauben übernehmen, daß Gott es in der Welt überall gut eingerichtet hat. Dieser Glaube fehlt mir, zumindest in dieser Einfachheit, aber ich will doch gerne erkennen, daß Gott eine fast unendliche Zahl an liebenswerten Menschen geschaffen - oder wie es John Updike etwas bildhafter gesagt hat: es ist ein Wunder, daß Gott nicht die Gesichter ausgehen. An diesem Abend habe ich bei Senih, Ömer, Selcuk, Fatih, Hakan, Batuhan und ihren Freunden gesehen, daß es stimmt.
Vieleicht ist diese Erkenntnis der Anfang einer größeren Versöhnung mit den ansonsten ja oft als unweise und ungerecht empfundenen Einrichtungen auf dieser schönen, armen Welt.
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