Urfa, Türkei 23. Oktober 2009
Im Teegarten neben der großen Halil-Rahman-Moschee wird es nach der Stille des Freitagsgebetes, während dessen nur wir Ungläubigen und ein paar andere Besucher den Park um die Moschee bevölkern, lebhaft. Ein Kamerateam des türkischen Senders TRT interviewt den örtlichen Abgeordneten der AKP im Parlament von Ankara, den noch recht jungen, gutaussehenden Ramazan Başak (Foto). Man hat den schönen Teegarten mit einem großen Springbrunnen im Hintergrund als Drehort gewählt und bekäme, wenn die Kamera ein wenig schwenken würde (was sie aber nicht tut) unsere Gruppe als Statisten der Szenerie mit in den Blick. Wir sitzen nämlich am Nebentisch von Herrn Başak (gesprochen BA-schak) und sehen ihm aus nächster Nähe zu.
Der erzählt der zauberhaft schönen Frau Yağmur Bayrak, seiner Interviewpartnerin, ausführlich von seinem Leben in Urfa und seinem beruflichen Werdegang dort. Sie lächelt interessiert und hält dieses Lächeln über sicherlich 15 bis 20 Minuten durch, mit heroischer Kraft, am Ende aber nach meinem Eindruck doch ein wenig in der Gefahr einzusäuern.
Auch Ramazan Başak lächelt, aber sein Lächeln ist von ganz anderer Art. Wie Frau Bayrak hält er es über die ganze Zeit durch, aber bei ihm kommt es nicht aus einer beruflichen Routine sondern aus innerer Überzeugung. Es ist etwas ganz Wunderbares, so scheint es jeder Muskel seines Gesichtes, ja seines Körpers zu sagen, daß ich hier stehe und der Welt etwas mitzuteilen habe. Ich freue mich ganz außerordentlich darüber, und ich spüre, wie sehr alle meine Zuschauer sich ebenso freuen wie ich. Sie haben mich gewählt, haben mich auf den Schild gehoben, mich nach Ankara geschickt, und mit ihrem Wohlwollen im Rücken (das ich im übrigen herzlich entgegne) fahre ich meines Weges dahin!
Ich habe diesen Blick von Herrn Başak oft im Leben gesehen, man findet ja vor jedem Parlament der Welt Menschen, die beständig voll innerer Freude auf jedes Mikrofon und jede Kamera in ihrer Nähe zusteuern. Insofern ist der Blick von Ramazan Başak ein indirekter Beweis für die innere Verwandtschaft der türkischen Demokratie mit allen anderen Demokratien der Welt. Sie alle wählen sich ihre Fürsten und Prinzen ja selbst aus, und indem sie diese auswählen, schaffen sie ein Magnetfeld um sie herum, das in gleicher Weise die Bewegung des Volkes wie auch die des vom Volk hervorgehobenen Menschen bestimmt.
Etwas Irrationales haftet dieser Bewegung an. Manchmal denke ich, daß jeder größeren Gruppe von Menschen die Gabe zu eigen ist, aus sich selbst heraus ein selbständig agierendes Willenszentrum zu erschaffen, ein eigenes Agens, fast so etwas wie einen kleinen, gutartigen Dämon. Der schlüpft dann in den Stadtverordneten, den Bürgermeister oder den Präsidenten und läßt uns – die wir ihn doch geschaffen haben – tief erschauern, wenn wir von seiner Gegenwart berührt werden.
Das Lächeln der schönen Yağmur Bayrak überhöhte diesen Eindruck noch. Auch sie war gefangen von der mächtigen Personifizierung des Gemeinschaftswillens in Herrn Ramazan Başak, und ihr Lächeln schien fast zu sagen, daß sie in großer Liebe zu ihm entbrannt war. Vermutlich war sie es nicht, sie lächelte sicherlich immer so, wenn die Kamera lief. Aber Herr Başak wird es möglicherweise, wahrscheinlich sogar, so gedeutet haben, enthusiasmiert wie er war durch eine Welt, die sich ihm dergestalt von allen Seiten zuneigte.
Bill Clinton fiel mir ein, der von Frauen geliebte und gefährdete, und der von einer schönen Frau zu Fall gebrachte demokratische Präsidentschaftskandidat John Edwards. Sein zum Absturz führendes Lächeln kann man heute noch – von der schönen Frau persönlich gefilmt, einer für viel Geld angeheuerten Werbeberaterin namens Rielle Hunter – im Internet ansehen kann.
Man muß ein gewisses Erbarmen mit diesen Männern haben, deren Zauber kaum jemanden kalt läßt, besonders die schönen Frauen nicht. Und man muß dem sympathischen Ramazan Başak wünschen, daß er sich nicht gefangennehmen läßt, wenn ihn ein Frauenlächeln einmal allzu stark trifft.
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