Donnerstag, 26. November 2009

Mein Freund Nureddin feiert






Wenn es ein islamisches Fest gibt, das die Familien in ähnlicher Weise zusammenführt wie Weihnachten bei uns, dann ist es das morgen, am 27. November beginnende Opferfest. Eigentlich hätte Nureddin in die Türkei fliegen sollen, um seine Eltern zum Fest zu besuchen, aber die sind nun ihrerseits gekommen, gestern schon, um mit ihren drei in Deutschland lebenden Kindern und deren Familien zu feiern. Man muß solche Reisen um das Opferfest herum sehr frühzeitig planen, weil Flugzeuge und Eisenbahnen bis auf den letzten Platz ausgebucht sind.

Nureddin und seine Verwandten werden sich morgen festlich anziehen und zwei Stunden nach dem Morgengebet in die Moschee gehen. Danach werden in kleineren dörflichen Gemeinschaften die Opfertiere an Ort und Stelle geschlachtet, meistens einjährige Schafböcke oder Ziegen. Manchmal teilen sich auch mehrere Familien ein großes Rind. In industriellen Regionen geht die Schlachtung anders vonstatten. Nureddin hat bei einem deutschen Bauern im Raum Köln für € 200,- ein Schaf erstanden und einen deutsch-türkischen Dienstleister beauftragt, das Schaf abzuholen, für die veterinärmedizinisch überwachte Schlachtung zu sorgen und das Fleisch in Portionen aufgeteilt in Nureddins Haus zu liefern. Dort wird man einen Teil davon morgen und in den Tagen danach essen.

Das Opfer soll an das berühmte, in der Bibel wie im Koran berichtete Opfer des Erzvaters Abraham erinnern, dem es Gott erlassen hatte, seinen Sohn zu töten, und einen Widder an dessen Stelle akzeptierte. Mohammed hat seinen Nachfolgern ein jährliches Opfer geboten und damit an die jüdische Tradition angeknüpft, die von den Christen aufgegeben bzw. durch symbolische Opfer ersetzt wurde.

Das Opfern verbindet die Moslems in der ganzen Welt untereinander und dabei in besonderer Weise mit den in diesen Tagen in Mekka versammelten Pilgern, die dort ebenfalls das Opferfest feiern und nach mehreren Tagen, die mit verschiedenen Ritualen gefüllt sind , am Ende mit dem Vollzug des Opferfestes zum Hadschi werden.

Ein solcher Hadschi kann man ausschließlich durch die Pilgerfahrt im Monat Dhu l-hiddscha, dem "Pilgermonat", werden. Es ist der zwölfte Monat im Mondkalender der Moslems und lag in den letzten Jahren im Winter oder im späten Herbst. Er verschiebt sich jährlich um elf Tage nach vorne, wird also in etwa zehn Jahren im Sommer liegen. Der Fastenmonat Ramadan ist der neunte Monat. Das Ramadanfest an seinem Ende konkurriert in der Wichtigkeit mit dem Opferfest, welches etwa 70 Tage später, am 10. Dhu l-hiddscha stattfindet.

In Mekka ist wegen der jährlich steigenden Pilgerzahlen, die mittlerweile in Richtung 3 Millionen gehen, ein persönliches Tieropfer nicht möglich, vor allen Dingen keines, das man an Ort und Stelle verzehren kann. Nureddin, der selbst schon auf Pilgerfahrt war und davon auf eine mich sehr anrührende Weise berichten kann, sagt mir, daß man in den dafür vorgesehenen großen Einrichtungen in Mekka gegen einen Geldbetrag schlachten und das Fleisch als Armenspende per Tiefkühlcontainer in die Dritte Welt versenden läßt.

Ein Drittel des Fleisches soll - unabhängig ob persönlich geschlachtet oder über eine Institution wie Mekka verarbeitet - bedürftigen Menschen zugute kommen. Das sind in einer dörflichen Umgebung die ärmeren Nachbarn, in der weltweiten islamischen Familie die Menschen der ärmeren Länder. Nureddin hat auch in diesem Jahr Sorge dafür getragen, daß Freunde von ihm in Kenia zwei weitere Schafe auf Nureddins Kosten besorgen und schlachten, deren Fleisch dort an notleidende Familien verteilt wird.

Nureddins Kinder freuen sich auf dieses Fest, sie haben schulfrei bekommen, das ist mittlerweile nach deutschen Gesetzen auf Antrag möglich. Sie werden auch, ähnlich wie die Christenkinder an Weihnachten, Geschenke erhalten. Nureddin selbst kann nur einen halben Tag frei nehmen, er ist selbstständig und muß am Freitagnachmittag bereits wieder an seine Arbeit gehen. An den Tagen danach geht das Fest allerdings weiter, man besucht sich gegenseitig, tauscht Geschenke aus und läßt es, wie wir sagen würden, ein bißchen Weihnachten werden.

Auf Türkisch heißt ein Fest Bayram und das Opferfest Kurban Bayramı. Iyi steht für gut, und so grüße ich Nureddin und alle in seinem Haus versammelten von dieser Stelle mit einem herzlichen Iyi Bayramlar! Etwas ausführlicher kann man es wie unter dem nebenstehenden Bild stehend sagen, welches mir Nurredin freundlicherweise zur Verfügung gestellt hat - zusammen mit dem mit roten Bändern geschmückten, dem Tod mutig und entspannt entgegensehenden Tier weiter oben.




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