Sonntag, 23. Oktober 2011

Fünfzig Jahre später

Hunsheim: die Gemeinde hat heute das 50jährige Jubiläum ihres Kapellenbaus gefeiert - siehe meinen gestrigen Eintrag. Auch an den Tod des Großvaters wurde erinnert, es gab Bilder und ein Tonband seiner letzten Rede. Ich habe im Namen der Familie ein Grußwort gesagt:


Liebe Schwestern, liebe Brüder,
ich überbringe Ihnen die herzlichen Grüße der Familie Runkel, das sind die 17 Enkelkinder des Mannes, der hier in diesem Raum heimgegangen ist, und deren Familien. Ich stehe vor Ihnen als ein lebendes und anschauliches Zeugnis für das, was die Zahl "50 Jahre" bedeutet. Ich war nämlich 12 Jahre alt, als ich am 22. Oktober 1961 hier unten auf dem Hof stand und mich nicht traute, zu meinem toten Großvater zu gehen, weil ich nie zuvor im Leben eine Leiche gesehen hatte. Ich kenne das Bild, wie er unten auf einer Bank liegt, noch im kompletten Anzug, den er getragen hatte, aber ich kenne es nur deshalb, weil es mein Onkel fotografiert und mir später gezeigt hat. Ich war mit meinem Vater nicht weit von hier, in Siegen, in einem Gottesdienst, mein Vater wurde herausgerufen, und als wir hier ankamen - Euer Festgottesdienst war bereits vorbei - stand mein Onkel da und sagte, unser Vater ist im Himmel. Heute bin ich 62 und damit nur noch 10 Jahre von den 72 Jahren entfernt, mit denen mein Großvater gestorben ist. So sehen also 50 Jahre aus (ich denke man erkennt auch unschwer die Wachstumsringe)!
Ich habe in der vergangenen Woche mit Matthias Pfeifer telefoniert und ihn etwas gefragt, ich habe gefragt, ob es in der Gemeinde jemals als ein Unglück empfunden worden ist, als eine Art schlechtes Omen, dass ausgerechnet zur Einweihung dieses Hauses der Architekt nach der Schlüsselübergabe tot umfiel. Matthias meinte, das habe man wohl nie so gesehen, ich solle Sie oder Euch aber ruhig danach fragen und beim Mittagessen gleich auf Reaktionen hören. Ich möchte von meiner Seite aussagen, dass in unserer Familie der Name Hunsheim niemals mit etwas Dunklem oder Traurigem in Verbindung gebracht worden ist. Im Gegenteil, vom Tod des Großvaters wurde immer so gesprochen, dass bei allem Verlust doch ein großer Segen damit verbunden war. Ein schöner Tod war das, ein Tod, wie man ihn sich wünschte. Die Söhne, die damals zwischen 35 und 40 Jahre alt waren, haben am folgenden Montag das Geschäft weitergeführt, als ob nichts geschehen sei. Der Großvater war eine wuchtige Persönlichkeit, er hatte bis zum letzten Tag seines Lebens gearbeitet, aber eigenartigerweise habe ich nie über ihn gehört, dass er eine Lücke hinterlassen hat. Vielleicht gab es eine solche Lücke im Leben meiner Großmutter, aber auch sie hat davon nie geredet. Sie hat ohne ihn noch fast 25 Jahre in guter Gesundheit und großem Gottvertrauen gelebt und ist 90 Jahre alt geworden.
Für mich war es dann nach 1961 so, dass sein ungewöhnlicher Tod sogar eine gewisse Prominenz mit sich brachte. Ich habe ein Mädchen aus der Baptistengemeinde Derschlag geheiratet, Christiane Werkshage aus Wiedenest, hier sitzt sie, und ich konnte mich im Kreis ihrer Familie und auch sonst im Oberbergischen immer wieder als der Enkel des Mannes vorstellen, der in Hunsheim bei der Einweihung der Kapelle tot umgefallen war. Das verschaffte Respekt. Also - falls Sie, falls Euch der Tod meines Großvaters je beunruhigt hat: Ihr solltet wissen, dass in meiner Familie das Wort Hunsheim einen hellen Glanz hat.
Es gibt über dem Leben von Christen, es gibt über dem Leben von Gemeinden kein schlechtes Omen, keinen Unstern. Ich sage das sehr bewußt und vor dem Hintergrund, dass es allerdings zuvor in der Familie meines Großvaters drei eigenartige Todesfälle gegeben hat, alle nach dem gleichen Muster: seine beiden jüngeren Brüder waren jeweils nach einem Redebeitrag umgefallen und in kürzester Zeit verstorben - der eine mit 52 Jahren bei einer Bauunternehmerkonferenz, der andere mit 62 Jahren bei einer Konferenz der Brüdergemeinden. Dies wiederholte sich also bei dem 72 jährigen Großvater. Ich erinnere mich noch daran, wie mein Vater einmal zu seinem jüngeren Bruder, der ebenfalls irgendwo einen Redebeitrag zu liefern hatte, mahnend sagte: Hermann, Du weißt, wie unsere Vorväter gestorben sind! Nun sind mein Vater und seine beiden Brüder eines natürlichen Todes und ohne die Einwirkung von Redebeiträgen heimgegangen, aber - - -  in Remscheid warten natürlich meine 16 Vettern und Cousinen ein bisschen bange darauf, dass ich gesund nach Hause komme!
Nein, ich sage das im Scherz. Ich wiederhole, dass es über dem Leben von uns Christen keinen Fluch gibt, kein böses Omen und keinen Unstern. Und deshalb möchte ich euch alle unter den einen wunderbaren Stern stellen, von dem es ganz am Ende der Bibel heißt: Ich bin der glänzende Morgenstern, Offenbarung 22,16. Danach kommen die bekannten Worte, dass der Geist und die Braut sagen: Komm! Und dann sind wir bald am Ende der Bibel.
Der glänzende Morgenstern! Von den vielen schönen Worten, die über Jesus gesagt werden - Hirte, Licht, Brot und vieles mehr - ist dies das letzte: Morgenstern!
Ich wünsche Euch, dass dieser Stern weiterhin über diesem Haus leuchtet, und nicht nur über diesem Haus, sondern über dem Leben eines jeden Menschen, der hier ein und aus geht. Gott segne Euch!

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