Werder an
der Havel
Sein Sohn,
der etwa so alt ist wie ich, hat sich im Garten einen kleinen Bungalow gebaut
und vermietet die beiden Etagen im Vorderhaus an Feriengäste. Von seinem
Bungalow aus sind es noch etwa 30 - 40 Schritte bis zum Ende des Gartens, wo
sich ein überdachter Sitzplatz befindet, ein Bootshaus mit Steg und eine große,
mit Obstbäumen bestandene und von einer Mauer zum Wasser abgegrenzte
Rasenfläche.
Dieses hintere
Gartenstück am Wasser gehört uns in diesen Tagen praktisch allein, die zweite
Wohnung ist an zwei Polen vermietet, die tagsüber in Berlin arbeiten, morgens
früh aus dem Haus gehen und abends nur noch zum Schlafen heimkehren.
Die Kirche
ist nur einen Steinwurf entfernt, Der Blick ist durch die Häuserreihe auf der
anderen Seite der Gasse teilweise verstellt, die vielen zierlichen Türme, die
den Hauptturm wie ein Kranz umgeben, sind aber gut sichtbar und abends schön
angeleuchtet. Sie wurden im Jahre 1858 auf Anweisung des architektonisch
interessierten Königs Friedrich Wilhelm IV. dem Neubau hinzugefügt und erinnern
entfernt an die vom Himmel herabgeträufelten Steinstrukturen der Sagrada
Família in Barcelona.
Da die
Kirche auf einem Hügel liegt, ist sie weit ringsum zu sehen und wirkte auf
Theodor Fontane "wie
eine Kleinstadtkathedrale".
Der Beruf
des Fischers erfuhr in der DDR-Zeit eine große Verwandlung. Der Vater unseres
Hausbesitzers wurde zu einer Parteiversammlung gerufen, bei dem ihm die
Möglichkeit eröffnet wurde, seinen kleinen Fischereibetrieb in eine größere
Genossenschaft einzubringen. Wie der Sohn mir erzählte, hat der Vater dies
offenbar ohne großes Zögern angenommen und ist in der Erinnerung des Sohns auch
gut dabei gefahren. Er habe einen sehr guten Lohn bekommen und habe sich weder
um den Ankauf und die Reparatur der Netze noch um den Vertrieb der Fische
kümmern müssen. Trotzdem hat er seinem Sohn in den sechziger Jahren geraten,
einen anderen Beruf zu ergreifen, weil der Fischfang an der Havel keine Zukunft habe.
Es gibt nach
wie vor Fischerei hier, sie hat aber eigenartigerweise mit dem immer sauberer
geworden Wasser der Havel und mit eingewanderten Fischsorten neue Probleme
bekommen. Das trübe Wasser früherer Zeiten enthielt viele organische
Bestandteile, von denen die Fische leben konnten. Mit dem sauberen Wasser sind
die Fischbestände zurückgegangen, und nun ist auch noch eine neue Fischart von
kleineren Fischen hinzugekommen, die den im Uferschlamm versenkten Laich der
anderen Arten frisst und den Nachwuchs weiter dezimiert. Die in der Gegend
verkauften Aale kämen teilweise aus Italien, die Weißfische aus Skandinavien,
sagt mein Hauswirt.
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