Edvard Munch: Melancholie |
Zwei Frauen baten jüngst unabhängig voneinander in zwei
großen Zeitungen auf recht dramatische Weise darum, nicht mit den gängigen
Klischees überzogen zu werden, die sich mit psychischen Erkrankungen verbinden.
Die eine, Rhiannon
Picton-James, eine Frau aus Wales, bittet in der New York Times darum, kein
"Merchandise" aus ihrer Krankheit zu machen, also keine modische Handelsware. Ein Verehrer hatte von ihren Depressionen erfahren und ihr davon
vorgeschwärmt, ein Liebesverhältnis mit ihr zu haben wie es der Schriftsteller Scott
Fitzgerald mit seiner Frau Zelda hatte. Die muss zauberhaft schön gewesen sein
- und dabei schizophren.
Für die depressive Autorin war
das eine furchterregende und vollkommen fehlgeleitete Vorstellung.
Glücklicherweise konnte sie die Ideen des Mannes ausräumen, worauf er unter
Hinterlassung einer kurzen SMS aus ihrem Leben verschwand.
Im Internet fand sie Halskettchen mit den verzierten Worten "Anxiety" oder "Depression". Sie schreibt, dass diese Verschönerung ("prettification") mentaler Erkrankungen ein vollkommen verzerrtes Bild der bitteren Realität liefert, gegen das sie sich entschieden wehrt.
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Die andere Frau, Hannah Jane
Parkinson, berichtet im Guardian darüber, wie ihre eigenen Erfahrungen mit
psychischen Notfällen all den modernen Vorstellungen widersprechen, die man von der ärztlichen Hilfe in solchen Situationen hat. In den letzten Jahren hat
sie unzählige Male den Vergleich zwischen einer psychischen Krankheit und einem
gebrochenen Bein gelesen. Er ist falsch, das weiß sie mit großer Sicherheit.
An der Wand ihrer
lokalen Apotheke hängt ein Plakat “Mentale Gesundheit kann komplex sein – Hilfe
zu bekommen muss es nicht sein!”* Sie betrachtet das Plakat mit Hass und sieht
darin einen Ausdruck des blanken Unverständnisses für psychische Erkrankungen. Hilfe ist nicht einfach, wenn sich die Finsternis über die Seele gelegt hat.
Parkinson ist so radikal, dass
sie gängige Begriffe für psychische Erkrankungen in Zweifel zieht. Gibt es das
überhaupt "bipolare Störung" oder "emotional instabile
Personalitätsstörung" oder "erwachsene ADHD"?**
Beide Berichte rühren durch
ihre unmittelbare Menschlichkeit. Beide Autorinnen sagen: ich bin nicht die Person, welche du dir als psychisch Kranken vorstellst. Ich bin ganz anders.
Behandle mich also auch anders!
* "Mental health can be complex – getting help doesn’t have to be!"
** "I doubt bipolar disorder is even a thing. (Or emotionally unstable
personality disorder, or body dysmorphic disorder, or adult ADHD, all terms
I’ve heard used about me.)"
1 Kommentar:
Ich bin nicht die Person, welche du dir als psychisch Kranken vorstellst. Ich bin ganz anders. Behandle mich also auch anders! - Ja, aber wie?
Der bedeutende polnische Autor Stachura hat ein Tagebuch hinterlassen über die drei Monate zwischen seinem ersten, weitgehend mißungenen, und dem zweiten erfolgreichen Selbstmordversuch. Viele haben sich in dieser Zeit intensiv um ihn bemüht, er hat das durchaus wahrgenommen und, wenn man so will, auch honoriert, geholfen hat es nichts.
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