Heilig-Geist-Kirche
in unserem Ferienort Werder, Fontane schreibt über sie: „Die Munifizienz (Freigebigkeit) Friedrich Wilhelms IV., die hier überall an der Havel … neue Kirchen … entstehen ließ..." |
Der Franzose hatte im Jahre 1807 ganz Preußen überrollt und sich im Berliner Stadtschloss breitgemacht. Dem fromm und bescheiden lebenden König Friedrich Wilhelm III. blieb nur die Wahl, mit seiner Frau und seiner vielköpfigen Familie in das ferne Ostpreußen zu fliehen. Die Erinnerung daran blieb dem König und seinen Söhnen sicherlich tief eingebrannt. Der spätere Wilhelm I. erlebte als 9jähriger die Flucht über die Kurische Nehrung in Schnee und Eis, welche die Gesundheit seiner schönen Mutter Luise zerstörte, die 1810 starb. Auch wenn Napoleon wenig später bereits geschlagen wurde, blieb die Erinnerung an Unterdrückung und Leid – und am Ende der Stolz, das Joch abgeschüttelt zu haben.
Napoleon hatte eine Modernität in die Welt gebracht, die
nach dem Geschmack der Könige und sicherlich auch nach dem Geschmack vieler
Bürger zu sehr von seinem Atheismus geprägt war, um auch für deutsche Herzen
attraktiv zu sein. Vielleicht ist der das ganze 19. Jahrhundert durchziehende
Widerstand der preußischen Könige gegen eine parlamentarische Monarchie auch
von daher zu verstehen.
Die Königin Luise hat ihn als „ein moralisches Ungeheuer“
bezeichnet. Diese Beurteilung blieb bestehen, auch wenn die Königin nach einem
persönlichen Treffen mit Napoleon von seiner kultivierten und höflichen Person überrascht
war. In den Legenden, die sich um ihr Leben und ihren frühen Tod ranken, ist niemand
innerlich so stark im Widerstand gegen Napoleon gewesen wie sie.
Luise |
Wilhelm – seit 1871 Kaiser Wilhelm I. – holte 1874 den
frommen Pfarrer Adolf Stöcker als Hofprediger nach Berlin. Dieser hob in einem
Antrittsvortrag* drei historische Ereignisse als Verdienste des deutschen
Volkes hervor:
– die protestantische Reformation
– den Pietismus
– die Freiheitskriege gegen die Franzosen
– den Pietismus
– die Freiheitskriege gegen die Franzosen
Man versteht diesen Dreiklang heute nicht mehr, weil uns die
Freiheitskriege als ein immer kleiner werdender Punkt in
der Geschichte erscheinen. Die Reformation dagegen ist nach wie vor
gegenwärtig, und der Pietismus in schwächerer Weise auch.
Wilhelm |
Die Rede entfaltete in hymnischen Worten die Bestimmung der
Deutschen, den besagten Dreiklang in der Welt Geltung zu verschaffen. Der Prediger war von seinen Gedanken so ergriffen, dass er
abends beim Festbankett noch einmal zu einer zweiten Predigt anhub, die aber
recht bald vom Kronprinzen abgebrochen wurde, der sicherlich auch mit Rücksicht
auf seine katholische Frau befahl: "Krummacher, beten Sie!"
In den Jahren danach kamen mit der Königin Augusta, die am
liberalen Weimarer Hof erzogen worden war, und dann noch in viel stärker Maße
mit der Kronprinzessin Victoria, die zu Hause bei ihrer Mutter, der Königin von
England, eine funktionierende Monarchie mit einem starken Parlament
kennengelernt hatte, zwei starke Vertreterinnen einer modernen Demokratie.
Gegen ihre Männer durchgesetzt haben sich allerdings beide nicht. Sie hatten
letztlich in Bismarck einen zu starken Gegner.
Am Anfang der Geschichte stand nach meiner Überzeugung
Napoleon – den wollte man sich, in welcher Form auch immer, nicht noch einmal
ins Land holen und blieb deshalb lieber bei dem Königtum, das sich mehr auf die
Gnade Gottes als auf die Zustimmung des Volkes stützen wollte.
Ganz im Hintergrund spielte vielleicht sogar noch die
aufgeklärte Gestalt Friedrichs des Großen, der 1786 gestorben war, eine Rolle.
An dessen Hof waren ja durchaus auch moderne Gedanken erlaubt gewesen. Aber
niemand von seinen Nachfolgern hat ihn so recht beerben wollen. Der Neffe und
Nachfolger Friedrich Wilhelm II. hat sich von der knausrigen und alles Weibliche
ablehnenden Art des Onkels abgewandt und hat ein Leben in Saus und Braus
geführt. Sein Sohn Friedrich Wilhelm III. hat den lockeren Lebensstil zwar
wieder zurückgedreht, aber zur aufgeklärten Liberalität des Großonkels
zurückkehren wollte auch er nicht. Seinen Sohn Friedrich Wilhelm IV. finden wir
unter der Kanzel von Krummacher in Elberfeld. Er wird dessen Worten sicherlich
dem Grunde nach zugestimmt haben.
Krummacher hätte nur kürzer reden sollen, soviel steht fest.
* zitiert nach "Vom Pietismus zum Kommunismus, Die
Jugendentwicklung von Friedrich Engels", Karl Kupisch, 1953
3 Kommentare:
Ich habe diesen Blog übersetzt, es ist sehr interessant! Tatsächlich habe ich über den deutschen Einigungsprozess im 19. Jahrhundert von Bismarck gelesen ... Es war eine sehr interessante Geschichte. Ich denke, Bismarck war sehr schlau, allianz mit dem österreichischen Königreich gegen das dänische Königreich einzugehen, und dann begann er auch einen Krieg gegen Österreich, um die nördlichen Gebiete zu erobern, weil er das Österreich für die Stabilität des deutsches Königreich als Problem gefunden hat. Ich soll beim nächsten Mal über Wilhelm lesen.
Doch wir verstehen den Dreiklang und die Freiheitskriege. Hier, südlich von Berlin steht das Denkmal der Schlacht in Großbeeren. Wir haben Napoleon besiegt! Und dies feiern wir jedes Jahr, jedes Jahr wird die Schlacht in historischen Kostümen aufwendig nachgestellt. Wohl im August. Mannigfach zu sehen bei yt "Schlacht von Großbeeren" in die Suchmaschine eingeben. https://www.youtube.com/results?search_query=schlacht+von+Gro%C3%9Fbeeren
Über die Religiosität: Lutheraner waren wir. Aber der Staat hatte die Hoheit über die Religion und so wurden die Reformierten (Calvinisten etc.) aus Staatsraison integriert, eingegliedert in die ev. Kirche, welches ich noch heute bedauere.
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