Montag, 2. September 2019

Havelurlaub (VI) – wo Theodor Fontane einst saß



Mit Sohn Matthias im Garten von
Baumgartenbrück
In Brandenburg ist eigentlich immer Fontane-Jahr, weil seine "Wanderungen in der Mark Brandenburg" das Land für immer aufgewertet haben. Aber in diesem Jahr, in dem sich der Geburtstag des Dichters zum 200. Mal jährt, lässt sich die Begeisterung noch weiter steigern.

Einen besonderen Grund zum Feiern hat dabei Herr Frank Herrmann in Geltow bei Potsdam, der an der Havel in sechster Generation die Gaststätte Baumgartenbrück betreibt. Hier ist Fontane gewesen, im Sommer 1869, so dass man in diesem Jahr 150 Jahre Fontane feiern kann. Aber das ist nicht alles.

Von Baumgartenbrück hat Theodor Fontane eine wunderbar poetische Beschreibung geliefert, die mein Herz schon beim Lesen erwärmt hat, von der aber Herr Herrmann, dessen Urahn  Johann Josef Hermann den Dichter im Sommer 1869 bedient hat, lächelnd sagt, dass sie doch ein wenig übertrieben sein.

Fontane steigert seine Begeisterung für den Blick von der Terrasse der Gaststätte über den Schwielowsee bis hin zu dem gewagten Vergleich, das Ganze sei der weltberühmten Brühlschen Terrasse, die in Dresden die Elbe überblickt, ebenbürtig. Herr Herrmann meint, dies sei angesichts der damals vorherrschenden Armut und Schmucklosigkeit der ganzen Gegend eine gezielte Aufwertung und Werbung Fontanes gewesen.

Wie auch immer – nachdem uns die freundliche Kellnerin einen Tisch im Garten zugewiesen hat, von dem aus man tatsächlich die Eindrücke Fontane präzise nacherleben kann, finden wir einige von Ihnen bestätigt. Besonders schön ist die Beobachtung, dass die im Halbkreis um die Terrasse stehenden großen Bäume regelmäßige Zwischenräume freilassen, durch die man ein von Baum zu Baum wechselnden Panorama von See und Landschaft hat.

"...so viele Bäume, so viele Umrahmungen" 
"Aber was dauernd hier fesselt, weit über das beste Bier und die bescheidenste Musik hinaus, das sind doch die Gaben der Natur, das ist - wir deuteten es schon an - die seltene Schönheit des Platzes. Es ist eine 'Brühlsche Terrasse' am Schwielow-See. Bastionartig springt ein mit Linden und Kastanien dicht bestandener Uferwall in den See hinein, und so viele Bäume, so viele Umrahmungen eines von Baum zu Baum wechselnden Panoramas. Welche Reihenfolge entzückender Bilder! Man sitzt wie auf dem Balkon eines Hauses, das an der Schmalseite eines langen Squares gelegen ist, und während das Auge über die weite Fläche des oblongen Platzes hingleitet, zieht unmittelbar unter dem Balkon das Treiben einer belebten Straße fort. Der Platz ist der Schwielow-See, die belebte Straße ist die Havel, deren Fahrwasser an dem Quai vorüber und durch die unmittelbar zur Rechten gelegene Brücke führt"

Ich habe später mit Herrn Frank Herrmann erörtert, ob man an einer bestimmten Stelle nicht noch einen Baum nachpflanzen sollte. Er hat das lächelnd bejaht, hat mir dann aber auch erklärt, welche Veränderungen in den 150 Jahren nach Fontane geschehen sind, die den Eindruck der "Brühlschen Terrasse" mit ihren regelmäßigen Durchblicken durch die Bäume nicht mehr möglich machen. Zwischen dem Garten des Restaurants und dem Seeufer wurde ein breiter Streifen Land angeschüttet, über den jetzt eine kleine Straße verläuft. Außerdem gibt es ein erweitertes Seeufer, das zu Fontanes Seiten nicht vorhanden war.

Man kann also das Gefühl nicht wieder herholen, auf einer "Bastion" über dem Wasser zu sitzen. Auch der lebhafte gewerbliche Schiffsverkehr, den Fontane noch gesehen hat, und der hier, am südlichsten Punkt der Havel um die südwestliche Ecke von Potsdam kurvt, um ab hier dann nicht mehr die Havel in Nord-Süd-Richtung zu befahren. Havelabwärts, rechts der Baumgartenbrücke, fließt die Havel in umgekehrter Richtung von Süden nach Norden.

Die Brücke ist über die Jahrzehnte und Jahrhunderte mehrfach verändert worden. Zu Fontanes Zeiten war sie aus Holz und konnte für die Durchfahrt des Schiffsverkehrs hochgeklappt werden. Die preußischen Könige haben hier recht ordentlich Wegezoll kassiert, sowohl für die Fuhrwerke auf der Brücke als auch für die Schiffe darunter.

Über den Gastwirt Johann Josef Hermann, der Fontane bedient hat, gibt es in der großen Gaststube eine kleine Museumsecke. Fontane hat sich den Namen des Wirtes notiert und einige Bemerkungen über seinen resoluten Charakter aufgeschrieben*. Eine Kopie des Tagebuches findet sich in einer Vitrine, die uns sein Nachfahre Frank Herrmann zeigt. Im späteren Original der Wanderung in der Mark Brandenburg finden sich diese Bemerkungen nicht mehr.

Dafür hat Fontane aber die wunderbaren Beschreibung des Abends über Havel und Schwielowsee eingefügt.

"Nun dunkelt es. In den Lindenlauben werden die Lichter angezündet und spiegeln im See. Noch hallt dann und wann ein Ruf herüber, oder ein Büchsenschuß aus dem Fercher Forst her rollt im Echo über den See - dann alles still. Die Lichter löschen aus, wie die Glühpunkte in einem niedergebrannten Papier. Ein Huschen noch hierhin, dorthin; nun verblitzt das letzte.

Nacht liegt über Baumgartenbrück und dem Schwielow."


*„Herr Herrmann, ein mittlerer Fünfziger, Pfeffer und Salz Haar, Glatze, Brille, freundlich, ein vorzüglicher Wirt mit der Brastigkeit eines guten Gewissens.“ 

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