Montag, 18. August 2025

Mein Onkel Johannes Runkel, heute vor 100 Jahren geboren

 

Er war der jüngste Bruder meines Vaters und hat in meinen ersten 20 Lebensjahren immer in der Nachbarschaft gelebt. Als meine Eltern im Jahr 1952 die geräumige Wohnung in der Nordstraße 76 bezogen, wohnte der Onkel mit seiner Frau Hanna in der Etage über uns, später, nach dem Umzug zum Kremenholl, wohnte er mit seiner Familie im Haus nebenan. In der nicht besonders gut schallisolierten Nordstraße konnte ich sein weiches und warmes Klavierspiel durch die Wände hören und lernte bald Glenn Millers „In the mood“ in etwa so zu spielen, wie es der Onkel mir vormachte. Schon recht früh durfte ich an der Jugendbibelstunde teilnehmen, die wöchentlich in seinem Wohnzimmer stattfand. Hier fand ich einen lebendigen Glauben und auch einen festen Freundeskreis. in dem ich bald das Glück kennenlernte, ein Mädchen zu küssen.

Mein Onkel hatte als leibliche Kinder fünf Töchter und als Söhne den adoptierten Michael – und in gewisser Weise auch mich. Viele Leute sagten, ich sei dem Onkel ähnlicher gewesen als meinem Vater. Mir gefiel außer seinem Klavierspiel auch seine Leidenschaft für Bücher, und ich habe schon mit 14 versucht, seinen Rekord zu brechen, den ihr mit „200 Seiten Karl May pro Tag“ aufgestellt hatte. Auch erschien er mir sehr viel sensibler zu sein als mein Vater, obwohl der Onkel stark und stattlich war, einen Kopf größer als mein Vater, und Zeit seines Lebens auch 50 Kilo mehr als dieser wog.

Der Onkel rechts oben,
mit seinen Brüdern und seinen Eltern
Er war noch relativ spät zum Kriegsdienst eingezogen worden und war als Luftwaffen-Funker an der Westfront in französische Gefangenschaft geraten. Er musste lange Zeit im Bergwerk arbeiten, bevor er eine nicht weniger anstrengende Tätigkeit in einem Trockendock in der Normandie bekam. Als er entlassen wurde, war er stark abgemagert und wurde von seiner Mutter mit viel Liebe wieder aufgepäppelt. In dem behelfsmäßig errichteten kleinen Haus meiner Großeltern in einem Dorf bei Wermelskirchen hatte er ein kleines Zimmer, das auch nach seiner Hochzeit und seinem Wegzug noch besonders gehalten wurde. Dass ich bei Besuchen der Großmutter im „Zimmer von Onkel Johannes“ schlafen durfte, war immer ein Vorrecht.

Später ist er mein Chef geworden, was mir den Einstieg in die Bauunternehmung der Familie erleichterte, bei meinem Vater hätte ich nur ungern gearbeitet. Das große und weiche Herz dieses übergewichtigen Mannes machte die Zusammenarbeit gleichzeitig leicht und schwer. Er konnte wunderbar großzügig sein, aber an anderen Tagen auch missmutig und launisch. Einzelne Angestellte im Umkreis seiner Abteilung bildeten sich als Kreml-Astrologen heraus und konnten auf Anfrage mitteilen, ob es ratsam sei, an dem fragliche Tag den Chef mit irgendeinem Wunsch zu konfrontieren.

Er ist früh aus der Firma ausgeschieden, und ich bin ihm wenige Jahre später gefolgt und habe eine kleine Abteilung der Firma zu einem selbstständigen Büro gemacht, von dem ich 35 Jahre bis zu meiner Rente gelebt habe. In seinen letzten Lebensjahren habe ich ihn regelmäßig besucht und bin bei seinem Tod 2003 in tiefen Frieden von ihm geschieden.

Er hat mir viele Erinnerungen mitgegeben, die ich als einen Schatz bewahre und die ich nicht alle öffentlich weitergeben kann – man möge mir hier verzeihen. Er war ein Sünder, und er war als solcher ein Gerechter, ganz wie der berühmte Theologe Karl Barth es sagen würde. Er wollte als Sünder in Erinnerung bleiben und wollte damit Gottes Gnade über seinem Leben zum Leuchten bringen.

Keine Kommentare: