Mittwoch, 6. August 2008

Eine Buslinie für unsere Straße




Vor ein paar Wochen sind Arbeiter der städtischen Busbetriebe in unsere Straße gekommen und haben nicht weit von unserem Haus Schilder mit einem großen H darauf aufgestellt, je eines auf beiden Seiten der Straße. Wenig später kamen dann die ersten Busse durch unsere Straße gefahren und hielten an einem der beiden H's an.

Vielleicht ist das Auftauchen der Busse die größte Veränderung unserer Straße in den 30 Jahren, in denen wir hier wohnen. Zwar werden die Busse in wenigen Wochen wieder verschwinden, denn sie nutzen nur für eine Übergangszeit unsere Straße, als Umweg um eine Baustelle herum. Aber ein Küchenfenster mit einem Blick auf einen draußen vorbeifahrenden großen Linienbus - das ist doch schon etwas ganz anderes, als ein Fenster mit einem Blick auf eine leere, stille Seitenstraße.

In meiner Erinnerung habe ich nie in einer Straße mit Bus gewohnt. Selbst die laute und viel befahrene Nordstraße, in der ich als Kind aufgewachsen bin, war damals noch nicht durch einen Bus erschlossen. Später gab es zwar einen Bus in das ruhige Neubauviertel, in das meine Eltern 1963 mit uns Kindern umzogen, aber seine letzte Station war noch ein ganzes Stück von unserem Haus entfernt, das am Ende einer Sackgasse lag. Auch unser erstes Haus in Krefeld, in dem Judith und Eva die ersten Lebensjahre verbracht haben, lag in einer Sackgasse ohne Busanbindung.

Die Zülpicher Straße in Köln, in der ich als Student wohnte, hatte eine Straßenbahn, welche beim Losfahren die Wände des Hauses erzittern lies. Aber das war nicht mein wirkliches Haus, und ich habe die Straßenbahn nie beachtet - im Gegenteil: ich habe trotz ihres Lärmens oft bis mittags geschlafen.

Christiane hatte in Wiedenest einen Bus vor der Tür, und nicht nur das: eine eigene Haltestelle, die nach dem Möbelgeschäft ihrer Familie "Haltestelle Werkshagen" hieß! Der Traum jedes Menschen: eine Straße nach sich benannt bekommen. Aber was ist das schon gegen eine Bushaltestelle...

Zurück nach Remscheid: nun haben wir also einen Bus, und ich habe staunend gesehen, daß man sich im Internet genau dieselben Tafeln herunterladen kann, die draußen an den beiden Haltestellen unter Plastik angeheftet sind und die Abfahrtszeiten anzeigen. Man könnte sich, wenn die Kinder mit diesem Bus noch zur Schule müßten, in der Küche eine kleien Ecke einrichten und dort die Tafeln aufhängen. Dann hätte man so etwas wie eine kleine eigene Haltestelle, Papierkorb dazu, ein Sitz aus Blech, fertig.

Tagsüber kommt der Bus alle 20 Minuten, das ist schon fast großstädtisch.

1 Kommentar:

Peter Oberschelp hat gesagt…

Meine Kindheit in Bielefeld habe ich in einer bus- und tramfreien Mulde unweit des Siegfriedplatzes verbracht. Die Weststraße stieg zur einen Seite an zur von Oberleitungsbussen befahrenen Stapenhorststraße, in der anderen Richtung zur Jöllenbecker Straße, auf der eine Linie der von den älteren Leuten als Elektrische bezeichneten Straßenbahn verkehrte. Mit dem O-Bus konnte ich stadtauswärts das mitten im Wald gelegene Haus der Großeltern mütterlicherseits erreichen. Über die Jöllenbecker Straße stadtauswärts führte es zu einer großen von Verwandten väterlicher, allesamt bei weitem weniger attraktiv als die Großeltern. Im graden Winkel weg von der Weststraße gelangte man zu der vom Jahnplatz eingenommenen Stadtmitte, wo sich die Mehrzahl der Bus- und Bahnlinien kreuzten. Alles kurze Entfernungen, damals aber jeweils eine andere Welt. Wie konnte die große weite Welt später so klein werden?