Heute vor 80 Jahren wurde der Schriftsteller Walter Kempowski in Rostock geboren. Ich habe ihn im Gegensatz zu meinem vier Tage älteren Onkel, über den ich am Samstag schrieb, persönlich kennengelernt, und zwar an einem der monatlichen Literaturnachmittage, an denen er sein Haus in Nartum bei Bremen einem größeren Publikum öffnete*.
Er ist einer der wenigen Prominenten, von denen ich im beiläufigen Ton prahlen könnte: "Er hat mir einmal gesagt, daß ...." Was hat er mir gesagt? Daß sein Verleger Knaus versprochen hat, ihm zu seinem 80. Geburtstag, das wäre also heute einlösbar gewesen, eine Gesamtausgabe zu schenken. Den Autor habe ich unverzeihlicherweise wieder vergessen - Jean Paul, Montaigne, Goethe, Thomas Mann? Ich weiß es nicht mehr.
Was ich noch weiß, ist, daß ich damals im Dezember 2005 zusammen mit Peter Oberschelp und einigen wenigen Leuten aus den damals etwa 50 Besuchern in die erste Etage mitkommen durfte, wo sich sein Arbeitszimmer befand. Dort gab es neben anderen Dingen Ordner zu sehen, die säuberlich mit der Hand beschriftet waren und Material zu den zuletzt erschienenen Büchern enthielten. Auf einem großen Tisch lagen ausgedruckte Manuskriptbände, in DIN A 4 und dick wie Telefonbücher.
Eines davon nahm Kempowski in die Hand. Es sei fertig und würde bald erscheinen, "Hamit" würde es heißen, was "Heimat" bedeute. Er warf es mit einer lässigen, zufrieden wirkenden Handbewegung auf den Tisch zurück, wo es mit lautem Knall aufschlug. Die kurze Szene erinnerte mich an Besuche bei hiesigen Werkzeugfabrikanten, die meist am Ende der Firmenpräsentation die Packstube zeigten und dort die fertigen Produkte des letzten Tages. Der Stolz auf das Geleistete war hier wie dort offenbar derselbe.
Am 5. Oktober 2007 ist er gestorben. Er ist mir unter den deutschen Autoren der Gegenwart der liebste.
* Seine Frau Hildegard führt die Nachmittage weiterhin durch, man kann es auf der Homepage des Hauses nachlesen.