Samstag, 16. Januar 2010

Drei biblische Begriffe und ein Stück Black Gospel




חסד - chessed - Barmherzigkeit

Von Martin Buber stammt die schöne Übersetzung des Wortes chessed: er gibt es mit Huld wieder. Nur mit dieser Wortwahl läßt sich auch im Deutschen ausdrücken, daß sowohl Gott als auch der Mensch in gleicher Weise chessed üben können - Gott als der huldreiche Regent und der Mensch als der huldigende Treue, der Chassid. So wird die Kraft einer Bewegung von Gott zum Menschen hin in schöner Weise zurück übertragen in eine Bewegung vom Menschen zu Gott hin.

Natürlich lässt sich chessed auch weiterhin mit Barmherzigkeit übersetzen, Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang, so schreibt Martin Luther das Ende von Psalm 23, die ersten Worte dieses Satzes lauten im Hebräischen tow we chessed. Das im Alten Testament sehr häufig vorkommende Wort chessed wird auch mit anderen Begriffen wie Gnade, Gefallen, Gefälligkeit etc. übersetzt. Aber nur als Huld ist es als etwas verständlich, was sowohl von Gott als auch vom Menschen ausgehen kann.

ברח - barach - segnen

Ein weiteres Begriffspaar entsteht aus dem Wort barach, segnen , wenn man es ebenfalls als eine Bewegung von Gott zum Menschen als auch als eine Rückbewegung vom Menschen zu Gott übersetzt. Im Deutschen ist es nicht vorstellbar, daß ein Mensch Gott segnet, weshalb etwa die Stelle Psalm 16,7 (äh-barech et JHWH aschär je-azani) nicht wörtlich mit ich segne JHWH, der mich beriet, sondern in der Regel mit ich lobe oder ich preise übersetzt wird.

In der alten englischen King James heißt es an dieser Stelle noch I will bless the Lord und man muß diese Zeile nur bei YouTube eingeben, um zu erfahren, wie populär diese alte Übersetzung, die auch in den neueren englischen Bibeln nicht mehr vorkommt, immer noch bei den schwarzen Gospelmusikern ist. Hier ein schönes, lebendiges Beispiel:



Auch in der Vulgata, der lateinischen Übersetzung, wird in Psalm 16,7 "benedicere" übersetzt. Hier hat Segen und Fluch die sinnfällige Urbedeutung von gut- und schlechtreden, und das Gutreden ist natürlich eine der Möglichkeiten des Menschen, sich an Gott zu wenden.

πιςτις - pistis - Glaube

Ein neues Begriffspaar ist mir jetzt in Norbert Baumerts Buch zum Galater- und Philipperbrief begegnet. In diesem Buch wird die These vertreten, daß auch das griechische Wort pistis, Glaube, eine Bewegung von Gott zum Menschen hin enthalten kann. Hierzu muß man es auf seine ursprüngliche griechische Bedeutung zurückführen, wo es offenbar stärker trauen und vertrauen bedeutet.

Außerdem muß man Stellen der Bibel wie etwa Galater 2,16, wo von pisteos Christou gesprochen wird, konsequent als Genitiv verstehen und also mit Glauben des Christus (statt Glauben an Christus, wie z.B. Luther es tut) oder besser noch Trauen des Christus übersetzen. Demnach würde Christus und Gott zunächst uns (ver)trauen (und damit nach Galater 2,16 rechtfertigen) und uns erst dann seinerseits auffordern, diesem Trauen mit unserem eigenen Trauen zu begegnen.

Mir gefällt diese Art der Übersetzung allein schon deshalb, weil sie die vielen Bedeutungserweiterungen, die das Wort Glauben in den 2000 Jahren nach Paulus mitgemacht hat, außer Acht läßt und uns wieder näher an die alte Urbedeutung von pistis herankommen läßt.

Vielleicht ist es ja für den einen oder anderen ein Weg zu einem neuen Vertrauen in Gott.



1 Kommentar:

Peter Oberschelp hat gesagt…

Außerdem muß man Stellen der Bibel wie etwa Galater 2,16, wo von pisteos Christou gesprochen wird, konsequent als Genitiv verstehen und also mit Glauben des Christus (statt Glauben an Christus, wie z.B. Luther es tut) oder besser noch Trauen des Christus übersetzen.

Zur Rettung Luthers: Ich kann kein Griechisch, nehme aber an, daß im Altgriechischen wie im Lateinischen Genitivus subiectivus (fides Dei, timor Dei: der Glaube Gottes, die Furcht Gottes) und Genitivus obiectivus (fides Dei, timor Dei: der Glaube an Gott, die Furcht vor Gott)gleichberechtigt auftraten, während im modernen Deutsch der Objectivus so gut wie verschwunden ist. Das hatte den jugendlichen Blumenberg zu dem Mißverständnis des timor Dei dahingehend verleitet, daß Gott sich fürchtet, an dem er dann wider besseres Wissen festgehalten hat, weil es ihm so gut gefiel. Fides Dei als der Glaube Gottes ist natürlich weniger extravagant, aber vielleicht doch nicht das Nächstliegende.