Hegel, der
von seiner Familie „Wilhelm“ genannt wurde, mit vollem Namen hieß er Georg
Wilhelm Friedrich, hat sich mit den Gegensätzen, die andere Philosophen vor ihm
aufgestellt hatten, nicht zufrieden gegeben. So hat er etwa, wie ich aus dem
schönen Hegel-Buch des Kanadiers Charles Taylor erfahren habe, die Theorie
seines älteren Kollegen Immanuel Kant abgelehnt, wonach jeder äußeren
Erscheinung eines Gegenstandes ein inneres "Ding an sich“ gegenüber steht.
Hegel sah das Wesen der Dinge anders, für ihn war es in gewisser Weise ein
Willenszentrum, welches die Dinge hervorbringt und deshalb nicht im Widerspruch
zu ihnen stehen kann.
Auch der
Mensch kann sich nicht in einen Gegensatz zu sich selbst stellen. Alles das,
was er vermeintlich über sich selbst denkt, ist er selbst. Er kann sich auch in
der Betrachtung der ihn umgebenden Welt nicht aus dem System (ich benutze hier
meine eigenen, etwas ungenauen Begriffe) heraus denken.
In der Mitte
des Geschehens sah Hegel die Wirkung von "Geist“, eines vernünftigen, sich
selbst denkenden Wesens, das die Dinge mit seinem Denken aus sich
hervorbrachte. Gelegentlich nannte er dieses Wesen auch „Gott“ und lehnte den
Gedanken ab, dass dieser Gott sozusagen der Welt gegenüber stehen und außerhalb
von ihr existieren würde. Für ihn war Gott und Welt eins, weil Gott sich
denkend in der Welt realisierte. Er hat es also durchaus nicht atheistisch
verstanden, wenn er überspitzend sagte "ohne Welt ist Gott nicht Gott“.
Nun ist der
Mensch nicht perfekt, und die Welt ist es auch nicht. Das liegt nach Hegel daran, dass beide, Mensch und Welt, auf
einer Reise sind, die erst am Ende zur Vollkommenheit führen und das wahre
Wesen beider aufzeigen wird. In diesem Endstadium, sagt Hegel, wird Gott
sichtbar, und deshalb wird dann kein Glauben mehr notwendig sein.
Auf dem Weg
zu dieser Vervollkommnung muss der in der Welt innewohnende Geist sich nach und
nach zeigen. Und dies hat er, so Hegel, in seiner bislang bedeutendsten Form
getan, indem er in Bethlehem Mensch geworden ist. In dieser Erscheinung Gottes
als Mensch (die Hegel ähnlich wie Paulus „Entäußerung“ nennt) sieht Hegel die
bedeutendste Hervorbringung aller bisherigen Religionen. Insofern ist er, der
bis zu seinem Lebensende ein Mitglied der lutherischen Kirche war, ein
christlicher Denker gewesen, auch wenn seine zentralen Gedanken den Faktor Gott
außer Acht ließen. Sie bewegten sich um die innere Vernunft, die „Logik“ der
Dinge, das Denken, in das auch Gott einbezogen ist, weil auch er denkt, indem
er die Welt denkt.
Als im Jahre
1806 Napoleon unter den Augen von Hegel in Jena einritt, hat er ihn die „Weltseele
zu Pferde“ bezeichnet. Ich vermute, dass Hegel auch im Stall von Bethlehem eine
ähnliche, aber noch größere Erscheinung aus dem Inneren der Welt gesehen hat.
Ich wünsche
allen, die dies lesen, eine fröhliche Begegnung mit dem, der die Welt denkend
aus sich hervorbringt und der sich an Weihnachten als kleines Kind in einer
Futterkrippe zeigt.
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