Während Obamas erstem Wahlkampf (2008) musste er sich sehr hastig von dem schwarzen Pastor Jeremiah Wright trennen, zu dessen Kirche Obama damals gehörte. Pastor Wright hatte über einige Missstände im Verhältnis der weißen zu den schwarzen Amerikanern gepredigt und sich zu der Äußerung hinreißen lassen „Gott verfluche Amerika“ – „God curse America“, eine böse Umkehrung des üblichen „God bless America“.
Im
allgemeinen Aufschrei der Entrüstung fiel die Stimme des konservativen
Präsidentschaftskandidaten Mike Huckabee* auf: er setzte sich bemerkenswerterweise
für Pastor Wright ein. Man kann das Interview im Internet nachlesen. An einer
Stelle sagt Huckabee zu der Aussage „Gott verfluche Amerika“ wörtlich:
… und eine
andere Sache, an die wir uns erinnern sollten. So einfach wie es für diejenigen
von uns ist, die weiß sind, zurückzublicken und zu sagen: "Das ist eine
schreckliche Aussage!" --- ich bin in einem sehr rassengetrennten (segregated) amerikanischen
Süden aufgewachsen. Und ich denke, dass man hier ein wenig Spielraum geben muss
(cut some slack) - und ich werde wahrscheinlich der einzige Konservative in
Amerika sein, der so etwas sagt, aber ich sage es einfach so - wir müssen etwas
Spielraum lassen für Menschen, die damit aufgewachsen sind, mit hässlichen Namen
gerufen zu werden, denen man sagt, "Du musst abseits auf einem Balkon sitzen,
wenn Du ins Kino gehen willst , Du musst zur Hintertür gehen, um das Restaurant
zu betreten. Du kannst da nicht einfach mit allen anderen zusammen sitzen. Es
gibt ein separates Wartezimmer in der Arztpraxis. Setz Dich im Bus in diesen
Bereich... "Und wissen Sie was? Manchmal haben Menschen dann einfach einen
dicken Hals (a chip on their shoulders) und Ressentiments. Und man muss einfach
sagen, ich hätte das wahrscheinlich auch. Ich wahrscheinlich auch. In der Tat ich
hätte vielleicht einen noch dickeren Hals, wenn ich betroffen gewesen wäre.
Ich sage es
jetzt mir selbst: gib etwas Spielraum! Verstehe den dicken Hals, den viele
deutsche Türken gegenüber der deutschen Überheblichkeit haben, verstehe Ihren
Zorn über viele Ungerechtigkeiten und Zurücksetzungen, die sie von Kind auf
erleben mussten.
Natürlich
ist Deutschland nicht der amerikanische Süden der Rassentrennung aus der Zeit vor Martin Luther King und vor
der Bürgerrechtsbewegung. Und natürlich sind die deutschen Türken nicht die
Schwarzen, die im Bus hinten sitzen müssen. Aber der Vergleich stimmt trotzdem
in einem speziellen Punkt, nämlich in Bezug auf eine spezielle Art von Minderheiten-Wut in Richtung auf die
Mehrheit.
Diese Wut kann sich zum „dicken Hals“ aufstauen und dann in Statements umschlagen, die zunächst ganz unverständlich erscheinen. Ich habe das so erlebt, dass mir der mit zwei deutschen Staatsexamen versehene Akademiker sagt, es sei ihm vollkommen gleichgültig, was Arbeitskollegen über seine Meinung zur Polizeigewalt im Gezi Park denken, er selbst sie und bleibe in seinem Denken zutiefst Türke, oder dass ein hier geborener und mittlerweile fast 40 Jahre ansässiger deutscher Türke kühlen Mutes mit dem Gedanken spielt, die Türkei in das Staatensystem Russlands oder des Irans einzubinden – und man fasst sich an den Kopf und fragt: wo leben diese Leute?
Diese Wut kann sich zum „dicken Hals“ aufstauen und dann in Statements umschlagen, die zunächst ganz unverständlich erscheinen. Ich habe das so erlebt, dass mir der mit zwei deutschen Staatsexamen versehene Akademiker sagt, es sei ihm vollkommen gleichgültig, was Arbeitskollegen über seine Meinung zur Polizeigewalt im Gezi Park denken, er selbst sie und bleibe in seinem Denken zutiefst Türke, oder dass ein hier geborener und mittlerweile fast 40 Jahre ansässiger deutscher Türke kühlen Mutes mit dem Gedanken spielt, die Türkei in das Staatensystem Russlands oder des Irans einzubinden – und man fasst sich an den Kopf und fragt: wo leben diese Leute?
Aber man muss Huckabee folgen: „ you have to cut some
slack“ – man sollte etwas Spielraum geben. Nicht jeder, der einen schnellen Fluch für das Land hat, in
dem er lebt, hasst es wirklich. Vielleicht hat er in Huckabee’s Slang nur„a
chip on his shoulder“, einen dicken Hals. Und den nicht ganz zu Unrecht.
*Mike Huckabee ist ein Baptistenpastor aus Arkansas, einem Südstaat, dessen Gouverneur er war. Er hatte seine Kandidatur 2008 erfolgreich begonnen, sie aber nach einer Reihe von Misserfolgen bei den Vorwahlen zugunsten von John McCain aufgegeben, wenige Tage bevor er obiges Interview gab.
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