Freitag, 14. Februar 2014

Maria



Die Kirche der armenischen Katholiken, in deren Gästehaus ich untergebracht bin, steht an der vierten Station des traditionellen Kreuzweges durch die Jerusalemer Altstadt, der Via Dolorosa. Hier soll Jesus seiner Mutter begegnet sein. Die Bibel berichtet von dieser Begegnung nicht, wohl wird erzählt, dass Maria unmittelbare Zeugin der Kreuzigung war. 


Über dem Eingang der Kirche wird das Wort aus Lukas 2,35 zitiert, mit dem der gottesfürchtige Simeon im Tempel der Maria großes Leid angekündigt: "es wird ein Schwert durch deine Seele gehen".

Der irische Schriftsteller Colm Toibín hat aus der Geschichte der Maria ein eindrucksvolles Theaterstück gemacht, das auch in deutscher Übersetzung und als Buch vorliegt, "Marias Testament". Toibín erzählt die Geschichte aus der Perspektive der Maria, in Ich-Form. Für manche gläubige Menschen dürfte Toibíns Version schwer erträglich sein, denn Maria stellt am Ende die Frage, ob all das grässliche Leid durch einen wie auch immer gearteten Gegenwert gerechtfertigt wurde. Sie beantwortet die Frage mit Nein.

Dies muss aber kein krasser Atheismus sein. Ich fand eher im Gegenteil auch noch in der radikal gestellten Frage den Hinweis auf eine unendlichen Liebe, die sich nicht zu schade ist, alles für diejenigen hinzugeben, denen diese Liebe gilt.

Die Franziskaner, die jeden Tag um 15 Uhr den Leidensweg in einer Prozession abschreiten, die an der Grabeskirche endet, vertiefen das christliche Verständnis des unsäglichen Leides ihres Herrn und befreien sich von der Gedankenlosigkeit, mit der viele Christen auf die Kreuze schauen, die sie in ihren Kirchen gezeigt bekommen.

In dem umstrittenen Passionsfilm von Mel Gibson ist die Begegnung des sein Kreuz tragenden Christus mit seiner Mutter eine der anrührendsten Szenen des ganzen Filmes. Maria sieht ihren Sohn unter der Last des Kreuzes stürzen, und der Film blendet zurück in eine Szene in Jesu Kindheit, wo er von seiner sorgende Mutter vor einem Sturz bewahrt und aufgefangen wird. Dann blendet der Film zurück und wieder kniet Maria vor ihrem diesmal schmerzhaft gestürzten Sohn.

Mit ersterbender Stimme sagt er ihr, "ich mache alles neu."






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