Mittwoch, 1. April 2015

Mallorca-Wanderungen (III): Den Geist des Ortes mit der Zunge spüren


Vor vielen Jahren habe ich einmal einen Camembert gegessen, der mir als der beste erschien, der mir jemals in meinem Leben vorgesetzt wurde. Das war bei Freunden in Paris Als ich wenige Wochen später den Camembert der genau gleichen Marke in Deutschland kaufte, war er um Klassen schlechter.


Ähnlich ergeht es vielen Menschen, die in eine schöne Weingegend fahren und beim Winzer ihren Wein einkaufen. Sie bekommen während der Weinprobe himmlische Tropfen angeboten, die dann, nach Hause transportiert, sich zwar nicht gerade in Essig verwandeln, aber lange nicht mehr an das heranreichen, was man in selige Augenblicken beim Weinbauern getrunken hat. 
Experten haben an dem Phänomen des nach dem Transport nicht mehr so gut schmeckenden Weins lange herumgerätselt und unter anderem die Theorie aufgestellt, man dürfe italienische Weine nicht über die hohen Pässe der Alpen transportieren. Aber ich glaube, das ist alles nicht richtig.
Nein, es gibt offenbar einen Ortsgeist, einen genius loci, der sich mit den regionalen Produkten verbindet, sozusagen in ihnen steckt, und dabei hilft, ihren Charakter in Vollkommenheit zur Geltung zu bringen - aber nur, wenn man diese Produkte an Ort und Stelle genießt.
Ich erlebe das hier besonders mit dem spanischen Schinken, jamon, und den regionalen Oliven. In deutschen Läden habe ich gelegentlich spanischen Schinken probiert, aber nie etwas Besonderes daran gefunden. Hier schmeckt er gerade so, als ob die Spanier ihn erfunden hätten (nebenbei: ich habe die starke Vermutung, dass man nach dem Ende von 300 Jahren islamischer Herrschaft hier im Lande das Schwein in großer Dankbarkeit wieder neu entdeckt hat und es mehr liebt als die Völker, denen es nie verboten gewesen ist). Alles an diesem Schinken ist richtig, alles stimmt, die feste Konsistenz, der Anteil an Rauchgeschmack, der sparsame Fettrand. 
Überrascht hat mich eine Schinkenbrot-Variante, die am Hafen von Sóller als Pa amb Oli, Brot mit Öl, angeboten wurde. Der Schinken wirkte beim Hineinbeißen angenehm weich, fast wie der Überzug eines Kissens, und in der Tat befand sich unter der Oberfläche eine pastose Füllung aus einer zerquetschten Tomate und Olivenöl. Die Kombination wirkte - meine muslimischen Leser mögen mir verzeihen - göttlich.
Auch die Sobrasadas, eine örtliche Spezialität, sind charaktervoll und ihrer Art nach sogleich verständlich: in Darm gefüllte feine Wurstmasse, unserer Teewurst verwandt, aber reicher im Geschmack und von schöner paprikaroter Farbe. Sie sind vom ersten Bissen an wie ein guter Freund.
Die Oliven, die man zu allem dazugereicht bekommt, haben eine angenehme, sehr feine Säure und häufig einen leichten Knoblauchgeschmack. Sie sind in Ihrem Oliven-Sein ganz bei sich (hat das nicht Hegel gesagt, als er Chopin auf Mallorca besuchte?).
Und dann der mallorquinische Rotwein! Er ist ein wenig herb aber man meint, Rotwein könnte eigentlich nur so und gar nicht anders schmecken wie dieser hier.
Zauber überall! Es ist eben der Geist des Ortes, der uns in seinen Bann schlägt.

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