Sonntag, 5. April 2015

Mallorca-Wanderungen (V): Die Kathedrale des Lichts



Selten bin ich beim Betreten einer Kirche so verzaubert worden, wie in dieser Kathedrale am Meer! Man betritt sie von Norden her und sieht deshalb als erstes die lange Südwand vor sich mit ihrer Vielzahl von warm funkelnden Kirchenfenstern, die das Licht des Mittelmeers im Innenraum der Kirche schweben lassen. Seine Farben werden aufgenommen von den hellen Steinen, aus denen das Gebäude errichtet ist und werden noch einmal besonders dadurch verstärkt, dass eine Vielzahl von großen Rundfenstern sozusagen von den Querseiten her das ganze beleuchtet.

Diese Rosetten geben sowohl von ihrer Größe als auch von ihrer Vielzahl her (ich habe fünf gefunden, der Tourist Guide weiß sogar von sieben) der Kirche im Herzen von Palma de Mallorca eine einzigartige Stellung in der Welt. Die große Rosette über dem Hauptaltar ist, je nachdem wie man misst, vielleicht sogar die größte der Welt. Aber diese Statistiken sind nur ein schwacher Abglanz der Wirkungen, welche die Farben dieser Fenster im Innenraum der Kirche entfalten.
Auf den Längsseiten der Kathedrale* haben die gotisch schmalen Fenster, wie in anderen Kirchen auch, Bilder vom Leben der Heiligen. Sie erzählen ihre Geschichten aber nach meinem Eindruck in viel leuchtenderen Farben als anderswo. Mir ist ein Smaragdgrün in Erinnerung, das von einem wunderbaren Rubinrot beantwortet und verstärkt wurde, dazu ein tiefes Kobaldblau. Alle Farben werden dann aber noch einmal überstrahlt vom bunten Licht der Rosetten. Anders als in manchen anderen gotischen Kirchen hat man hier bei den am stärksten ins Auge fallenden Rosetten auf gegenständliche Darstellungen verzichtet und bietet dem Auge eine vollkommene Symphonie von Farben an.
Das abstrakte Spiel mit Formen und Farben wirkt modern, geht aber auf die
Entstehung der Kirche im Mittelalter zurück. Sie steht auf dem Platz einer ehemaligen Moschee und ist in ihrer Geschichte eng verbunden mit der Rückeroberung Mallorcas durch Jakob von Aragon im Jahre 1229. Bis dahin war die Insel über 300 Jahre unter muslimischer Herrschaft gewesen.
Wenn sich nach großen historischen Umwälzungen ein neuer Glaube gegen einen alten durchsetzt, kann es gelegentlich geschehen, dass der neue Glaube Elemente des alten behält. Vielleicht sind diese bilderlosen Rosetten, die auch ohne Anstoß zu erregen eine Moschee schmücken könnten, eine solche Übernahme älterer Gedanken. „Du sollst dir kein Bildnis machen“, dieses Gebot findet sich in strenger Auslegung in allen drei abrahamitischen Religionen. Es ist eine ewige Quelle von Schönheit.
Ich hatte in einem früheren Blog über George Sand und ihr Buch "Ein Winter auf Mallorca" geschrieben und mich an ihrer Kritik der christlichen Religion gestoßen. George Sand hat auch an der Kathedrale wenig Erwähnenswertes gefunden, sie sei "von ungeheurer Kahlheit" und im Inneren "streng und düster". Vielleicht hätte sie mehr Gefallen an der Kirche gefunden, wenn sie 100 Jahre später gekommen wäre und die Umgestaltung des Innenraumes durch den berühmten Architekten Antoni Gaudi gesehen hätte. Er hat in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg den abgeteilten Bereich für die Mönche, den "Chor", aus der Mitte der Kirche entfernt und an den Rand gebracht, in die Apsis. Dadurch ist das Gebäude hell und weit geworden und lässt verstehen, warum ein Betrachter einmal geurteilt hat, selten habe man mit so wenig Steinen so viel Raum und Höhe geschaffen.
Ich bin in freikirchlichen Bauten religiös groß geworden, in funktionalen Versammlungsräumen mit einem Minimum an architektonischen Anspruch. Ich kann bis heute das Leben eines großen kirchlichen Organismus nicht von Innen nachvollziehen und verstehe deshalb letztlich nicht, wie solche wundervollen Bauten möglich werden. Aber ich möchte mich gerne gelegentlich mit den Kritikern der Religion oder speziell des Katholizismus in diese Kirche setzen und sie bitten, mir zu erklären, was man gegen eine große kollektive Bewegung vorbringen will, die solche Wunder auf dieser Welt entstehen lässt.

P. S.: Ich schreibe dies nach unserer heilen Rückkehr aus Mallorca, an einem hellen Ostermorgen und wünsche allen meinen Lesern, dass sie erleben, wie das von Ostern kommenden Licht ihr Leben reicher und schöner macht.

 * Bischofssitz der Stadt Palma mit immerhin 400.000 fest dort gemeldeten Einwohnern

 

 

1 Kommentar:

Peter Oberschelp hat gesagt…

... die solche Wunder auf dieser Welt entstehen lässt: Da sitze ich in vollem Einverständnis neben Dir. Im Dezember, im Mega Frater des Prdeigers Jorge Lopez, konnten wir und ja nicht einig werden.