Freitag, 18. Dezember 2015

Heidi



Anuk Steffen, 9, als Heidi und Bruno Ganz, 74, als Almöhi
Das schönste, was man über diesen Film sagen kann, ist, dass er auf so natürliche Weise natürlich ist. Nirgendwo ist von dem aus Katalogen bekannten Wohlgefühl die Rede, das der moderne Städter mit "Natur pur" bezeichnet. Nirgendwo wird Natur mit einer Ideologie verbunden – etwa: Natur ist Gesundheit, Natur ist Langsamkeit, Natur ist Zu-sich-selbst-finden usw. Natur wird nicht reflektiert, sie ist in diesem Film einfach nur da. Man findet sie in den erhabenen Bergansichten rings umher, im zerfurchten Gesicht des Almöhi (wunderbar gespielt von Bruno Ganz, nie wieder wird man sich den Almöhi anders vorstellen können als in dieser Verkörperung) und am Ende in den unschuldigen Gestalten der Kinder Heidi, Klara und Peter.

Vielleicht ist es das das größte Wunder dieses Films, dass in einer Zeit, in der die Kinder für das Fernsehen angehalten werden, schon im Kindergarten in die Rollen von kleinen Männern oder Frauen zu schlüpfen, die Kinder des Films in vollkommen natürlicher Weise Mädchen und Jungen sind und ganz unbefangen miteinander umgehen. Zwar ist viel Zärtlichkeit in diesem Film – man liegt nebeneinander im Heu, hält sich an den Händen, fällt sich von Liebe ergriffen um den Hals, wenn man sich endlich wiedersieht – aber es spielt offenbar alles in einer Zeit, in der die Pädophilie noch ein entlegener Wissenschaftszweig war, und nicht mehr.


Anuk Steffen und Isabelle Ottmann, 12, als Klara
Nach meinem Eindruck ist das alles an keiner Stelle irreal oder gar kitschig. Die harte Realität lugt an allen Ecken und Enden durch – Heidi ist eine Waise, Klara ist behindert, das Leben der Dörfler hoch oben in den Bergen ist grau und schmutzig. Wer trotz allem die Sonne sehen will, muss wie Heidi seine Sonne bereits im Herzen tragen, bevor er auf die Alm aufsteigt. Erst dann ist das Auge bereit, die Schönheiten der Natur aufzunehmen und den Ruf von Adler und Murmeltier zu verstehen und zu beantworten.

Ein wenig kritisch sehe ich die noch sehr vorindustrielle Ausgestaltung der Spielorte in Frankfurt, wo alles noch voll von Pferdedroschken und Öllampen ist. Die in Johanna Spyris Buch (Erstausgabe 1879) sehr wichtige Eisenbahn, die Frankfurt und die Schweiz miteinander verbindet, ist im Film das einzige moderne Requisit. Ich glaube, die Welt, wie Spyri sie geschildert hat, war technisch schon weiter als die Welt des Filmes.

Aber sonst ist alles richtig und alles schön, und es tut der Seele gut, noch einmal die einfachen Gefühle von Heimweh, Trennung und schließlichem Wiederfinden nachzuerleben. Wer sich traut, darf seinen Augen an der einen oder anderen Stelle gestatten, ein wenig feucht zu werden.

1 Kommentar:

Peter Oberschelp hat gesagt…

Gearde lese ich, daß pünktlich zu Weihnachten auch die Sherlock Holmes-Saga in eine neue kinematographische Runde geht. Im Alter von 93 Jahren löst Holmes noch einmal einen Fall, der Darsteller Ian McKellen ist allerdings gerade mal 76. Eine treffliche Gelegenheit für bisherige Krimimuffel, sich auch auf diesem Gebiet stärker einzubringen.