In der Mitte des neuen Buches von Mustafa Akyol findet sich
eine interessante Anweisung für das Gespräch zwischen Christen und Muslimen.
Verfasst hat sie der Kirchenvater Johannes von Damaskus, der um das ja 650
herum in einem bereits von den Muslimen eroberten aber für die Christen offenen Damaskus geboren wurde. Er ist einige Zeit am Hof des Kalifen erzogen worden,
und er schreibt in einer Anleitung über das Gespräch mit Sarazenen (wie er die
Muslime nennt):
Wenn dich ein Sarazene fragt und sagt: "was sagst du, wer
Christus ist?" so antworte ihm: "das Wort Gottes." Wenn du ihn dann umgekehrt
fragst, was in seinen Schriften über Jesus gesagt wird, so wird er dir
antworten, weil er nicht anders kann: "in meine Schriften wird Christus der
Geist und das Wort Gottes genannt.“
Johannes von Damaskus beginnt dann eine Kette von gelehrten
Überlegungen, die bei der Frage enden, ob es ein Wort Gottes gibt, das
unabhängig von Gott ist und erst nach ihm erschaffen wurde. Er verneint das und
will damit beweisen, dass Jesus als das Wort Gottes tatsächlich einen göttlichen Charakter hat, wie es die von den Muslimen bestrittene Gottessohnschaft ja aussagen will.
Deutlich wird jedenfalls, dass Jesus im Koran einzigartige Eigenschaften zugeschrieben werden. Sie eröffnen einen muslimischen Weg zur Verehrung Jesu und lassen es den Muslimen wohl weniger wichtig erscheinen, ob er außerdem auch noch Gottes Sohn gewesen ist.
Deutlich wird jedenfalls, dass Jesus im Koran einzigartige Eigenschaften zugeschrieben werden. Sie eröffnen einen muslimischen Weg zur Verehrung Jesu und lassen es den Muslimen wohl weniger wichtig erscheinen, ob er außerdem auch noch Gottes Sohn gewesen ist.
Das Buch von Mustafa Akyol macht Mut dazu, zu der
friedlichen und offenen Redeweise zurückzukehren, die wohl damals in dem ohne
viel Blutvergießen eroberten Damaskus zwischen muslimischen Herrschern und
christlichen Untertanen möglich war. Das muslimische Verständnis von Jesus stellt
sich nicht in jedem Punkt diametral dem christlichem Verständnis entgegen. Im
Gegenteil: gerade der Begriff vom Wort Gottes und auch davon, dass Jesus im
Koran mehrfach als Messias bezeichnet wird*, bildet eine große Gemeinsamkeit.
Mustafa Akyol geb. 1972 |
Das Buch dieses türkischen Moslems besticht durch seine mit großem Fleiß
zusammengetragene Kenntnis der modernen theologischen Literatur der Christen.
Das Material ist dabei nicht nur mit Fleiß sondern auch mit Respekt zusammen
getragen. Am Ende steht ein muslimisches Bild Jesu, dass mehr Würde
und Autorität ausstrahlt als manche Betrachtung moderner christlicher Bibelkritiker**.
Warum hat Mustafa Akyol so viel Interesse an Jesus? Nun, er hat eine
historischen Parallele wiederentdeckt, über die der britische
Geschichtsphilosoph Arnold Toynbee (1889 - 1975) bereits im Jahre 1948
geschrieben hat: dass nämlich die Muslime der Neuzeit einem ganz ähnlichen
Problem gegenüber stehen wie die Juden zu Jesu Zeiten. Beide sehen oder sahen sich
einer überlegenen westlichen Macht gegenüber (bei den Juden damals Rom, bei den heutigen Muslimen Amerika) und beide stehen oder standen vor der Wahl, sich dieser Macht kampflos
anzugleichen oder aber durch konsequente Rückbesinnung auf ihre eigenen Gesetze
Widerstand zu leisten. Dieser Widerstand wird in
beiden Fällen sehr bald auch zu einer kriegerischen Auseinandersetzung, zu einem
Guerillakrieg des Kleinen gegen den Großen.
Akyol versucht nachzuweisen, dass die sich in beiden Fällen aufdrängende Alternative
"Anpassung oder Untergrundkampf" falsch ist und dass es einen dritten
Weg gibt. Für diesen Weg steht in einzigartiger Weise Jesus.
Jesus hat vom Reich Gottes gepredigt (die Muslime würden
dazu „Kalifat“ sagen) und hat es den Menschen so dargestellt, dass es nicht im
Kampf gegen die Römer erobert werden kann, sondern dass es bereits mitten unter
den Menschen ist und in ihren Herzen lebt.
Dafür, dass er diese ewige Wahrheit den Menschen offenbart
hat, steht Jesus auch im Islam eine fast göttliche Verehrung zu. Messias, Geist Gottes, Wort Gottes – alles dies wird er in
Sure 4, 171 genannt:
Der Messias Jesus, der Sohn der Maria, ist der
Gesandte Gottes und [ist] Sein Wort, das Er in Maria legte, und [ist] Geist von
Ihm.
Der reine Wort- und Messias-Glaube ist nach der Meinung
Akyols sehr alt und reicht bis weit vor Mohammed zurück. Er hat sich in einem vergessenen Stamm der frühen Christen über 600 Jahre erhalten,
bis er von Mohammed übernommen wurde. Es war der Stamm der Jerusalemer
Judenchristen, die sich bald nach der Zerstörung Jerusalems durch die Römer im
Jahre 70 zerstreuten und an Bedeutung verloren. Die Griechisch sprechenden Christen weiter westlich, im
Römischen Reich, expandierten mit großer Macht und entwickelten in ihrem
polytheistischen Umfeld die Lehre vom Sohn Gottes und von der Trinität, die den Judenchristen fremd blieb.
Uns heutigen Christen ist diese Lehre lieb und vertraut.
Aber der Blick in Akyols Buch kann uns durchaus mit einer jüdisch denkenden Christenheit versöhnen,
die auch ohne trinitarische Lehren ihren Glauben gelebt hat. Und so können wir auch mit ihren Erben versöhnt leben, den Muslimen.
Das Reich Gottes
ist weit.
* Q 5, 75, Q 9, 31, Q 4,171 (ober zitiert)
** etwas das eine Teil der Bibelkritik auf den Punkt
bringende „Jesus Menschensohn“ des Spiegel-Gründers Rudolf Augstein, in dem die
These entwickelt wird, Jesus sei aus bescheidenen Anfängen teilweise gegen
seinen Willen von seinen Nachfolgern, besonders Paulus, zu der historischen
Figur gemacht worden, als die wir ihn kennen.
2 Kommentare:
Lieber Christian,
ich habe das Buch nun auch mit Interesse gelesen. Bei der Beschäftigung mit dem hier dargestellten Jesus (und wohl schon seit ich den Aufsatz von Berthold Klappert gelesen habe, den ich dir auch gegeben habe), frage ich mich, wie "orthodox" trinitarisch ich eigentlich denke.
Johannes
Johannes, das trinitarische Denken ist die Heimat, aus der wir kommen. Aber wir lernen, dass Glaube, Liebe und Hoffnung auch da wachsen, wo man sich auf ein schmaleres gedankliches Fundament stellt und die Gottessohnschaft beiseite lässt. Jesus ist auch dann noch über alle Vorstellungen groß, wenn er Gottes Geist, Gottes Bote, der Messias ist - und nicht mehr.
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