Samstag, 25. März 2017

Jesus im Koran - das Wort Gottes



In der Mitte des neuen Buches von Mustafa Akyol findet sich eine interessante Anweisung für das Gespräch zwischen Christen und Muslimen. Verfasst hat sie der Kirchenvater Johannes von Damaskus, der um das ja 650 herum in einem bereits von den Muslimen eroberten aber für die Christen offenen Damaskus geboren wurde. Er ist einige Zeit am Hof des Kalifen erzogen worden, und er schreibt in einer Anleitung über das Gespräch mit Sarazenen (wie er die Muslime nennt):

Wenn dich ein Sarazene fragt und sagt: "was sagst du, wer Christus ist?"  so antworte ihm: "das Wort Gottes." Wenn du ihn dann umgekehrt fragst, was in seinen Schriften über Jesus gesagt wird, so wird er dir antworten, weil er nicht anders kann: "in meine Schriften wird Christus der Geist und das Wort Gottes genannt.“

Johannes von Damaskus beginnt dann eine Kette von gelehrten Überlegungen, die bei der Frage enden, ob es ein Wort Gottes gibt, das unabhängig von Gott ist und erst nach ihm erschaffen wurde. Er verneint das und will damit beweisen, dass Jesus als das Wort Gottes tatsächlich einen göttlichen Charakter hat, wie es die von den Muslimen bestrittene Gottessohnschaft ja aussagen will.

Deutlich wird jedenfalls, dass Jesus im Koran einzigartige Eigenschaften zugeschrieben werden. Sie eröffnen einen muslimischen Weg zur Verehrung Jesu und lassen es den Muslimen wohl weniger wichtig erscheinen, ob er außerdem auch noch Gottes Sohn gewesen ist.

Das Buch von Mustafa Akyol macht Mut dazu, zu der friedlichen und offenen Redeweise zurückzukehren, die wohl damals in dem ohne viel Blutvergießen eroberten Damaskus zwischen muslimischen Herrschern und christlichen Untertanen möglich war. Das muslimische Verständnis von Jesus stellt sich nicht in jedem Punkt diametral dem christlichem Verständnis entgegen. Im Gegenteil: gerade der Begriff vom Wort Gottes und auch davon, dass Jesus im Koran mehrfach als Messias bezeichnet wird*, bildet eine große Gemeinsamkeit.

Mustafa Akyol geb. 1972
Das Buch dieses türkischen Moslems besticht durch seine mit großem Fleiß zusammengetragene Kenntnis der modernen theologischen Literatur der Christen. Das Material ist dabei nicht nur mit Fleiß sondern auch mit Respekt zusammen getragen. Am Ende steht ein muslimisches Bild Jesu, dass mehr Würde und Autorität ausstrahlt als manche Betrachtung moderner christlicher Bibelkritiker**.

Warum hat Mustafa Akyol so viel Interesse an Jesus? Nun, er hat eine historischen Parallele wiederentdeckt, über die der britische Geschichtsphilosoph Arnold Toynbee (1889 - 1975) bereits im Jahre 1948 geschrieben hat: dass nämlich die Muslime der Neuzeit einem ganz ähnlichen Problem gegenüber stehen wie die Juden zu Jesu Zeiten. Beide sehen oder sahen sich einer überlegenen westlichen Macht gegenüber (bei den Juden damals Rom, bei den heutigen Muslimen Amerika) und beide stehen oder standen vor der Wahl, sich dieser Macht kampflos anzugleichen oder aber durch konsequente Rückbesinnung auf ihre eigenen Gesetze Widerstand zu leisten. Dieser Widerstand wird in beiden Fällen sehr bald auch zu einer kriegerischen Auseinandersetzung, zu einem Guerillakrieg des Kleinen gegen den Großen.

Akyol versucht nachzuweisen, dass die sich in beiden Fällen aufdrängende Alternative "Anpassung oder Untergrundkampf" falsch ist und dass es einen dritten Weg gibt. Für diesen Weg steht in einzigartiger Weise Jesus.

Jesus hat vom Reich Gottes gepredigt (die Muslime würden dazu „Kalifat“ sagen) und hat es den Menschen so dargestellt, dass es nicht im Kampf gegen die Römer erobert werden kann, sondern dass es bereits mitten unter den Menschen ist und in ihren Herzen lebt.

Dafür, dass er diese ewige Wahrheit den Menschen offenbart hat, steht Jesus auch im Islam eine fast göttliche Verehrung zu. Messias, Geist Gottes, Wort Gottes – alles dies wird er in Sure 4, 171 genannt:

Der Messias Jesus, der Sohn der Maria, ist der Gesandte Gottes und [ist] Sein Wort, das Er in Maria legte, und [ist] Geist von Ihm.

Der reine Wort- und Messias-Glaube ist nach der Meinung Akyols sehr alt und reicht bis weit vor Mohammed zurück. Er hat sich in einem vergessenen Stamm der frühen Christen über 600 Jahre erhalten, bis er von Mohammed übernommen wurde. Es war der Stamm der Jerusalemer Judenchristen, die sich bald nach der Zerstörung Jerusalems durch die Römer im Jahre 70 zerstreuten und an Bedeutung verloren. Die Griechisch sprechenden Christen weiter westlich, im Römischen Reich, expandierten mit großer Macht und entwickelten in ihrem polytheistischen Umfeld die Lehre vom Sohn Gottes und von der Trinität, die den Judenchristen fremd blieb.

Uns heutigen Christen ist diese Lehre lieb und vertraut. Aber der Blick in Akyols Buch kann uns durchaus mit einer jüdisch denkenden Christenheit versöhnen, die auch ohne trinitarische Lehren ihren Glauben gelebt hat. Und so können wir auch mit ihren Erben versöhnt leben, den Muslimen. 

Das Reich Gottes ist weit.


* Q 5, 75, Q 9, 31, Q 4,171 (ober zitiert)


** etwas das eine Teil der Bibelkritik auf den Punkt bringende „Jesus Menschensohn“ des Spiegel-Gründers Rudolf Augstein, in dem die These entwickelt wird, Jesus sei aus bescheidenen Anfängen teilweise gegen seinen Willen von seinen Nachfolgern, besonders Paulus, zu der historischen Figur gemacht worden, als die wir ihn kennen.

2 Kommentare:

Johannes hat gesagt…

Lieber Christian,

ich habe das Buch nun auch mit Interesse gelesen. Bei der Beschäftigung mit dem hier dargestellten Jesus (und wohl schon seit ich den Aufsatz von Berthold Klappert gelesen habe, den ich dir auch gegeben habe), frage ich mich, wie "orthodox" trinitarisch ich eigentlich denke.

Johannes

Christian Runkel hat gesagt…

Johannes, das trinitarische Denken ist die Heimat, aus der wir kommen. Aber wir lernen, dass Glaube, Liebe und Hoffnung auch da wachsen, wo man sich auf ein schmaleres gedankliches Fundament stellt und die Gottessohnschaft beiseite lässt. Jesus ist auch dann noch über alle Vorstellungen groß, wenn er Gottes Geist, Gottes Bote, der Messias ist - und nicht mehr.