In seinem neuen Buch
berichtet Mustafa Akyol von seiner ersten Begegnung mit einer Bibel. Sie wurde
ihm als jungem Mann ausgehändigt, und zwar etwa um das Jahr 2000 herum in der
großen Einkaufsstraße von Istanbul, der İstiklal Caddesi. Akyols Buch beginnt
damit, dass er mit einer Mischung aus Skepsis und Neugierde in dieser Bibel zu
lesen beginnt.
Schon bald erfindet er für
sich selbst eine besondere Methode, das gelesene zu bewerten. Er unterstreicht
die Stellen, denen er zustimmen kann, mit einem blauen Stift und diejenigen,
die er eher ablehnt, mit einem roten. Die Berichte vom Leben Jesu haben viele
blaue Unterstreichungen, Die späteren Auslegungen, besonders die des Apostels
Paulus, dagegen viele rote.
Akyol wundert sich, dass am
Ende schließlich ein einziges Buch übrig bleibt, das keine einzige rote Stelle enthält. Es
steht weit hinten in der Bibel, ist auch unter Christen weniger bekannt und nennt als seinen Verfasser den Jesusjünger oder möglicherweise auch Jesusbruder Jakobus.
Akyol findet keine tadelnswerten
Stellen in diesem Buch. Im Gegenteil: eine Stelle fällt ihm besonders positiv ins
Auge:
Kommt nun, die ihr sagt, "heute
oder morgen lasst uns in diese Stadt gehen und uns ein Jahr dort aufhalten und
Handel treiben und Gewinn machen". Woher wisst ihr was euer Leben morgen sein
wird? Ihr sollt sagen, "wenn Gott es will, werden wir leben und dies oder das
tun".
Akyol fährt fort: „Ich war erstaunt
darüber, weil diese Stelle so ähnlich dem war, was ein koranischer Vers sagte,
den ich sehr genau kannte: ‚sage niemals über irgendetwas: ‚ich werde das
morgen tun‘ ohne zu ergänzen: ‚wenn Gott will‘.“
Der kurze Jakobusbrief, in der Bibel nur etwa
fünf Seiten lang, war beim evangelischen Kirchenreformer Martin Luther nicht sehr liebt. Er
nannte ihn - das zitiert Aktion auch in seinem Buch - eine „stroherne Epistel“.
Vermutlich kam Luther zu diesem Urteil, weil er sich an den Aussagen über die
Gerechtigkeit aus Werken stieß. Sie stehen in diesem Brief in einem recht
starken Gegensatz zu den Aussagen des Apostels Paulus.
Natürlich gefallen gerade
diese Aussagen dem gläubigen Moslem Akyol viel besser als alles, was die
Christen über die Gerechtigkeit alleine aus Glauben lehren. Jakobus sieht es anders und sagt, „der Glaube ohne
Werke ist tot“. Und so glauben es auch die Muslime.
Mustafa Akyol |
Akyol ist in seinem Buch der
Spur des Jakobus nachgegangen und entwickelt in der Folge eine Theorie, wonach eine
kleine judenchristliche Minderheit ihren Glauben an einen zwar messianischen
aber nicht göttlichen Jesus behalten und letztlich auf vielen Umwegen an die
Muslime weitervererbt hat. Währenddessen hat sich das mainstream-Evangelium von Jesu Gottessohnschaft in der westlichen Welt ausgebreitet und hat den
Glauben an einen Jesus geprägt, der in dieser griechisch sprechenden und denkenden Welt
göttliche Züge hat.
Nun ist allerdings die Grenzlinie zwischen der
Anschauung von Jesus als Messias oder als Gott manchmal schwer zu
bestimmen. Akyol weist darauf hin, dass kaum eine Begebenheit die göttliche
Natur Jesu so stark verdeutlicht wie das in Sure 3,49 berichtete Wunder,
wo Jesus aus Ton einen Vogel formt, ihm Atem einhaucht und ihn so zu einem lebendigen
Wesen macht. Wer außer Gott kann so etwas vollbringen?
Am Ende fragt man sich, ob der der Jakobusbrief eine
Brücke zwischen Muslimen und Christen sein könnte. Vielleicht sind meine Leser so frei und
finden es selbst heraus. Ich habe in einen zweiten Post den Jakobusbrief aus der Elberfelder Bibel, der wörtlichsten deutschen Übersetzung, kopiert. Dabei habe ich aber durch ein paar Änderungen ein wenig lesbarer gemacht, etwa dadurch, dass ich ihn wie eine Sammlung von unabhängigen Weisheitssprüchen thematisch
gruppiert habe, ohne Kapitel- und Verszahlen. Einige Sätze habe ich geringfügig
verändert, der im Internet vorhandene Text der Elberfelder Bibel ist aber weitestgehend im Original
erhalten geblieben.
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