Landschaft am See Genezareth |
Der Philosoph Charles Taylor sieht in dem Verlust des Zaubers, der über der mittelalterlichen Welt lag, den größten Unterschied zwischen der damaligen und der heutigen Zeit. Wer heute ins Heilige Land reist und erwartet, dort trotzdem noch etwas von dem Zauber der Erinnerung zu finden, muss fast zwangsläufig enttäuscht werden.
Wenn
wir ehrlich mit uns selbst sind, dann ist unser Zugang zum Gottesgeschehen in
der Regel nicht an einen Erinnerungsort gebunden. Uns spricht stattdessen ein
Wort an, das wir lesen und betrachten, es trifft uns tiefer ins Herz als die
Vergegenwärtigung eines früheren Geschehens. Mit dem Luther-Motto Sola
Scriptura wird nicht nur die Einzigartigkeit der Bibel gegenüber jeglicher
Tradition behauptet, Es wird ganz generell dem Geschriebenen, dem in Buchform
Erschienenen, dem intellektuell Zugänglichen ein sehr viel größerer Wert
gegeben als dem Bildhaften und Erinnerten.
Mein
frommer Vater kehrte in den 60er Jahren ein wenig enttäuscht von seiner ersten
Israelreise zurück und konnte nur wenig Erfreuliches von den mit
Souvenirständen zugebauten Erinnerungsorten berichten. Jesus war an diesen
Orten nicht. Es war oft nicht einmal sicher, dass er jemals dort gewesen war.
Und wenn man sicher wäre – was würde es heute bedeuten?
Trotzdem
hatte ich in Israel häufig die Worte des alten Papstes Benedikt XVI. im Kopf,
der in seinen Jesus-Büchern aufgezeigt hat, dass unser christlicher Glaube ganz
fest und real in der Menschheitsgeschichte verwurzelt ist. Jesus ist als
konkret erkennbarer Mensch über die Welt gegangen und hat an den Orten, an
denen er den Menschen begegnet ist, eine große und für viele von ihnen
lebensverändernde Wirkung entfaltet. Er war nicht, wie einige Interpreten es
uns glauben machen wollen, ein Wanderprediger unter vielen, der dann später von
seinen Nachfolgern zu einem Religionsstifter hochstilisiert wurde.
Der
englische Satiriker Malcolm Muggeridge, der in seinem Leben eine späte
Bekehrung erfuhr, ist aus Israel zurückgekehrt und hat geschrieben:
Yet
still there is something else, something that, searching my heart, I find very
difficult to express in words [...] Whatever it may be called it came to pass
in Galilee. A new dimension was added to a mortal existence; a new freedom, not
for a tiny elite, not based on institutions of propositions, but burgeoning in
each human heart and needing only to be allowed to grow.**
Ja,
es ist etwas Neues geworden. Man erinnert sich am See Genezareth gerne daran.
Aber es will immer wieder aufs Neue in lebendige menschliche Herzen hinein
geboren werden..
* das Wort "entzauberte Welt" geht auf Max Weber zurück
** Übersetzung: Dennoch gibt es noch etwas anderes, etwas das, wenn ich mein Herz erforsche, ich als sehr schwierig empfinde, in Worten auszudrücken ... Was auch immer es genannt wird, es hat sich in Galiläa begeben. Eine neue Dimension wurde zu einer sterblichen Existenz hinzugefügt; eine neue Freiheit, nicht für eine winzige Elite, nicht auf Institutionen oder Lehrsätzen beruhend, sondern in jedes menschliche Herz gesät und nur auf die Erlaubnis wartet zu wachsen.
** Übersetzung: Dennoch gibt es noch etwas anderes, etwas das, wenn ich mein Herz erforsche, ich als sehr schwierig empfinde, in Worten auszudrücken ... Was auch immer es genannt wird, es hat sich in Galiläa begeben. Eine neue Dimension wurde zu einer sterblichen Existenz hinzugefügt; eine neue Freiheit, nicht für eine winzige Elite, nicht auf Institutionen oder Lehrsätzen beruhend, sondern in jedes menschliche Herz gesät und nur auf die Erlaubnis wartet zu wachsen.
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