Mittwoch, 12. September 2018

Augusta



Auf Goethes Knien wird sie gesessen haben, neunjährig in Weimar, während der 71jährige Dichterfürst ihr zu ihrem Geburtstag ein schönes Gedicht vorgelesen hat.

Es beginnt mit den Worten:

Alle Pappeln hoch in Lüften,
Jeder Strauch in seinen Düften,
Alle sehn sich nach dir um

Im weiteren Verlauf des Gedichtes* verliert man als Zuhörer angesichts sehr verschiedener Bilder ein wenig den Faden. Große Dichter schreiben nicht alle Tage große Gedichte. Aber Augusta wird sich über das Gedicht sicherlich gefreut haben.

Der Dichter Goethe und Augustas Großvater, Herzog Karl August, waren gute Freunde. In Weimar und im benachbarten Jena förderten beide die „Weimarer Klassik“ mit vielen berühmten Philosophen und Künstlern. Augusta profitierte davon, indem sie auf verschiedenen Gebieten hervorragende Lehrer bekam und ihrem späteren, 14 Jahre älteren Ehemann Wilhelm schon frühzeitig durch ihren klugen Kopf auffiel.

Aus der Beziehung zwischen Augusta und Wilhelm wäre vielleicht mehr Glück entstanden als aus dieser eher aus Pflicht eingegangenen Ehe, wenn Augusta hübscher gewesen wäre. „Sie lässt mich kalt“, hat Wilhelm in einem Brief an seine Schwester geklagt. Wilhelm hatte auf Druck seines Vaters auf die Hochzeit mit der schönen polnischen Prinzessin Radziwill verzichtet. Die Prinzessin war nicht standesgemäß genug.

Ihre glücklichsten Jahre verlebten Augusta und Wilhelm erst etwa 20 Jahre nach ihrer Hochzeit in den Jahren zwischen 1850 und 1858 im Rheinland, in der Stadt Koblenz. Damals war Wilhelm als Prinz von Preußen bereits der designierte Nachfolger für seinen kranken und kinderlosen Bruder auf dem Königsthron. Von Koblenz aus ging der Sohn Friedrich recht bürgerlich nach Bonn, um dort Jura zu studieren, ein Novum in der Geschichte der deutschen Monarchen.

Später, am preußischen Hof vertrat Augusta – sehr zum Ärger Bismarcks – eine aufgeklärt-demokratische Gesinnung. Bismarck musste fürchten, dass sie und ihr liberaler Flügel vollends gewinnen würden, wenn der konservative Wilhelm I. – bei Bismarcks Amtsantritt schon 65 Jahre alt – seine Krone an seinen liberalen Sohn Friedrich weitergeben würde. Der war mit der an eine konstitutionelle Monarchie gewöhnten Tochter der englischen Königin Victoria verheiratet und neigte demokratischen Gedanken zu.

Friedrich musste allerdings 57 Jahre alt werden, ehe er die Regierungsgeschäfte übernehmen durfte. Sein Vater wurde 91 Jahre alt und ließ den Friedrich lange warten - wie heute Elisabeth von England den Charles. Und schließlich starb der unglückliche Friedrich nach nur 99 Tagen Regierungszeit an Krebs und gab das Zepter an seinen Sohn Wilhelm weiter.

Augusta muss den ungestümen Enkel immer besonders gern gemocht haben. Über dem Anliegen, dem damals erst 29jährigen Regenten eine gute Führung angedeihen zu lassen, versöhnte sie sich mit dem früher immer verhassten Bismarck. Sie starb 1890, zwei Jahre nach dem Tod ihres Mannes und ihres Sohnes, wenige Wochen vor dem Ende der Regierung Bismarcks.


*Das ganze Gedicht:

Alle Pappeln hoch in Lüften,
Jeder Strauch in seinen Düften,
Alle sehn sich nach dir um;
Berge schauen dort herüber,
Leuchten schön und jauchzten lieber;
Doch der schöne Tag ist stumm.

Lust-Schalmeien will man hören,
Flöten, Hörner und von Chören
Alles, was nur Freude regt.
Selbst an seiner strengen Kette
Springt das Freundchen um die Wette,
Immer hin und her bewegt.

Und so täuschen wir die Ferne,
Segnen alle holden Sterne,
Die mit Gaben dich geschmückt.
Neue Freude, neue Lieder
Grüßen dich! Erscheine wieder,
Denn der neue Frühling blickt.

1 Kommentar:

Nasserqadi1988 hat gesagt…

Interessant zu lernen, dass Wolfgang Goethe ihr Freund war