Auf Goethes Knien wird sie gesessen haben, neunjährig in
Weimar, während der 71jährige Dichterfürst ihr zu ihrem Geburtstag ein schönes
Gedicht vorgelesen hat.
Es beginnt mit den Worten:
Alle Pappeln hoch in Lüften,
Jeder Strauch in seinen Düften,
Alle sehn sich nach dir um
Im weiteren Verlauf des Gedichtes* verliert man als Zuhörer angesichts
sehr verschiedener Bilder ein wenig den Faden. Große Dichter schreiben nicht
alle Tage große Gedichte. Aber Augusta wird sich über das Gedicht sicherlich gefreut haben.
Der Dichter Goethe und Augustas Großvater, Herzog Karl
August, waren gute Freunde. In Weimar und im benachbarten Jena förderten beide
die „Weimarer Klassik“ mit vielen berühmten Philosophen und Künstlern. Augusta
profitierte davon, indem sie auf verschiedenen Gebieten hervorragende Lehrer
bekam und ihrem späteren, 14 Jahre älteren Ehemann Wilhelm schon frühzeitig
durch ihren klugen Kopf auffiel.
Aus der Beziehung zwischen Augusta und Wilhelm wäre vielleicht
mehr Glück entstanden als aus dieser eher aus Pflicht eingegangenen Ehe, wenn
Augusta hübscher gewesen wäre. „Sie lässt mich kalt“, hat Wilhelm in einem
Brief an seine Schwester geklagt. Wilhelm hatte auf Druck seines Vaters auf die
Hochzeit mit der schönen polnischen Prinzessin Radziwill verzichtet. Die
Prinzessin war nicht standesgemäß genug.
Ihre glücklichsten Jahre verlebten Augusta und Wilhelm erst
etwa 20 Jahre nach ihrer Hochzeit in den Jahren zwischen 1850 und 1858 im Rheinland, in der Stadt Koblenz. Damals war Wilhelm als Prinz von Preußen bereits der designierte
Nachfolger für seinen kranken und kinderlosen Bruder auf dem Königsthron. Von Koblenz aus ging
der Sohn Friedrich recht bürgerlich nach Bonn, um dort Jura zu studieren, ein
Novum in der Geschichte der deutschen Monarchen.
Später, am preußischen Hof vertrat Augusta – sehr zum Ärger
Bismarcks – eine aufgeklärt-demokratische Gesinnung. Bismarck musste fürchten,
dass sie und ihr liberaler Flügel vollends gewinnen würden, wenn der
konservative Wilhelm I. – bei Bismarcks Amtsantritt schon 65 Jahre alt – seine
Krone an seinen liberalen Sohn Friedrich weitergeben würde. Der war mit der an eine
konstitutionelle Monarchie gewöhnten Tochter der englischen Königin Victoria
verheiratet und neigte demokratischen Gedanken zu.
Friedrich musste allerdings 57 Jahre alt werden, ehe er die Regierungsgeschäfte übernehmen durfte. Sein Vater wurde 91
Jahre alt und ließ den Friedrich lange warten - wie heute Elisabeth von England
den Charles. Und schließlich starb der unglückliche Friedrich nach nur 99 Tagen
Regierungszeit an Krebs und gab das Zepter an seinen Sohn Wilhelm weiter.
Augusta muss den ungestümen Enkel immer besonders gern
gemocht haben. Über dem Anliegen, dem damals erst 29jährigen Regenten eine gute
Führung angedeihen zu lassen, versöhnte sie sich mit dem früher immer
verhassten Bismarck. Sie starb 1890, zwei Jahre nach dem Tod ihres Mannes und
ihres Sohnes, wenige Wochen vor dem Ende der Regierung Bismarcks.
*Das ganze Gedicht:
Alle Pappeln hoch in Lüften,
Jeder Strauch in seinen Düften,
Alle sehn sich nach dir um;
Berge schauen dort herüber,
Leuchten schön und jauchzten lieber;
Doch der schöne Tag ist stumm.
Lust-Schalmeien will man hören,
Flöten, Hörner und von Chören
Alles, was nur Freude regt.
Selbst an seiner strengen Kette
Springt das Freundchen um die Wette,
Immer hin und her bewegt.
Und so täuschen wir die Ferne,
Segnen alle holden Sterne,
Die mit Gaben dich geschmückt.
Neue Freude, neue Lieder
Grüßen dich! Erscheine wieder,
Denn der neue Frühling blickt.
1 Kommentar:
Interessant zu lernen, dass Wolfgang Goethe ihr Freund war
Kommentar veröffentlichen