Oberhalb des Hauses meiner Großeltern lag das
Ausflugsrestaurant „Rattenburg“. Es hatte den etwas unheimlich klingende Namen
von einem in der Nähe gelegenen sumpfigen Wald, um den eine Volkssage kreiste.
An dieser Stelle habe, erzählt die Sage, vor Urzeiten eine
stolze Burg gestanden, die aufgrund irgendwelcher Verfehlungen ihrer Bewohner
mit einem Fluch belegt worden war. In dessen Folge versank sie mehr und mehr im
Boden und war am Ende nicht mehr zu sehen. Tief unten lebten aber die Bewohner
weiter – wenn ich es richtig in Erinnerung habe in der Form von Ratten. Daher
der Name Rattenburg.
Das Gebiet gleich hinter dem Ausflugsrestaurant ist das Quellgebiet des Eifgenbaches. Der Boden ist hier an vielen Stellen gut mit Wasser gesättigt, deshalb also manchmal sogar sumpfig. Teile des Waldes wirken so, als ob sich niemand so recht um sie kümmerte. Der Wald bringt an den nassen Stellen und mit seinen entsprechend oft vermoderten und umgestürzten Bäumen vermutlich wenig Ertrag.
Ich bin oft durch dieses Waldstück gegangen und habe mir
vorgestellt, wie es wäre, in einer finsteren Nacht entlang der Moderstämme gehen zu müssen. Ein unangenehmer Gedanke! Früher haben die Menschen hier, so wird berichtet, allerlei Geister und Gelichter gesehen und haben das Gebiet gemieden.
Mein 1961 gestorbener Großvater hat mit der Rattenburg die
Erinnerung an eine eigenartige polizeiliche Vernehmung verbunden. Eines Tages kam
ein Mann vom Geheimdienst und fragte den Opa, ob er der Besitzer eines schwarzen
Mercedes sei, er sei damit in der Gegend der Rattenburg
beobachtet worden.
Der Großvater konnte alles erklären – er wohnte ja in der Nähe und
hatte auch einen schwarzen Mercedes – und erfuhr dann, dass der Geheimdienst
auf der Spur des Vorsitzenden der verbotenen kommunistischen Partei, Max
Reimann, war, von dem man offenbar wusste, dass er geheime Treffen in der
Rattenburg organisierte.
Der Opa konnte die Verfassungsschützer davon überzeugen, dass er nicht der Gesuchte war, ist aber sicherlich ab dann immer mit einem gewissen Schaudern an
dem Restaurant vorbeigefahren. Erst die Ratten, dann die Kommunisten – welch
furchtbare Brut!
Ich habe damals mit einigem Erstaunen wahrgenommen, dass sich auch
die Chefs proletarischer Parteien in der Auswahl ihrer Autos am Geschmack
der besitzenden Schichten orientierten. Diese Erkenntnis war mir damals neu.
1 Kommentar:
Wir sind als Kinder auch häufig den Weg gefahren, mein Opa kam ursprünglich aus Struksfeld. Die Region Rattenburg galt auch bei uns als Ort größter Furcht und dürfe da auf keinen Fall aussteigen. Jahrzehnte später habe ich festgestellt wie dieses Bild über die Region in mir noch wach war und dann habe ich mal geraut ganz alleine dort spazieren zu gehen, und gehen wie schön es da ist, aber ganz drin in mir ist das seltsame Gefühl geblieben und würde da nie Nachts aussteigen.....
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