Sonntag, 20. Februar 2022

Problematische Tage in Linz am Rhein

Das nebenstehende Foto von mir fand ich beim Aufräumen alter Unterlagen. Es wurde 1963 in einem Fotoautomaten aufgenommen, da war ich 14 Jahre alt. Ich benötigte es für einen Jugendherbergs-Ausweis, in diesen wurde das Foto eingeheftet. Ich stand damals kurz vor meiner allerersten selbständigen Reise, die mich zusammen mit einem Spielkameraden aus unserem Haus mit der Eisenbahn nach Linz führen sollte, eine etwa zweistündige Reise mit Umsteigen in Solingen und Köln und Weiterfahrt über Troisdorf, Bonn-Beuel und Bad Honnef. 

Wir wollten insgesamt vier Tage bleiben, sind aber bereits nach zwei Tagen wieder zurückgekehrt. Der Grund dafür war ein Anfall von tödlicher Langeweile, der mich überfiel, nachdem ich in Linz nach einem Strandbadbesuch völlig leer und ideenlos auf dem Bett der Jugendherberge lag und nicht wusste, was ich mit der zäh dahinfließenden Zeit anfangen sollte.

Im Nachhinein denke ich, dass sich damals zum ersten Mal  meine Unfähigkeit gezeigt hat, in einer fremden Stadt zurecht zu kommen. Ich fühle mich bis heute in Städten kaum einmal wirklich wohl, kann sie nicht „lesen“, kann keine Plätze in ihnen finden, an denen man einfach stehen bleibt, die Menschen beobachtet und die Atmosphäre der Stadt ruhig auf sich wirken lässt.

Selbst in mir vertrauten Städten wie Köln oder Wuppertal finde ich keinen wirklichen Ort zum Verweilen. Ich gehe meistens schnell in ein Café oder Restaurant, hole mir eine Zeitung oder ziehe mein Handy hervor und tue das, was ich auch zu Hause tun würde. Zu Hause hätte ich allerdings größeren Komfort.

So war es also auch in Linz, wo es nach dem Besuch des Strandbads schon bald mit dem Interesse an der Stadt zu Ende war. Verschlimmert wurde die Lage noch dadurch, dass ein Zimmerkamerad – kaum älter als ich – im Strandbad ein Mädchen kennen gelernt hatte, von dem er lauthals schwärmte. „Schau Frau“, wiederholte er eins ums andere Mal ("schau" war damals ein Modewort wie heute "cool"), und ich hatte wohl eine dunkle Ahnung, wie schön es wäre, eine solche Freundin zu haben, wusste aber nicht den Weg zu ihr.

Die Erinnerung an diesen Jugendherbergs-Ausweis ist also negativ besetzt. Immerhin war ich allerdings, vor ein paar Tagen, als ich ihn wiederentdeckt hatte, doch einigermaßen erstaunt, in ein wohlgeformtes Gesicht mit schönem Haar zu blicken. Damals war noch die Zeit, in welcher der Friseur mir mit einer Handvoll Creme der Marke "Brisk" eine stabile Frisur fertigte, wodurch meine Haare aus dem Gesicht gekämmt waren und meine hohe Stirn, deren Anblick mich heute  in Erstaunen versetzt, sichtbar wurde.

Wenig später kamen mit den Beatles die Langhaarfrisuren auf, die ich lange getragen habe und bei denen die Haare ins Gesicht fielen. Man wollte freundlich und friedlich wirken. Das hörte erst sehr spät wieder auf, als die Fußballspieler damit anfingen, sich durch brutales Rasieren der Kopfseiten ein kämpferisches  Aussehen zu geben.

Heute bin ich wieder eher zur Frisur von 1963 zurückgekehrt und bin eigentlich recht zufrieden damit.

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