Dienstag, 12. Juli 2022

Festschrift 1948

Von der Stirne heiß
Rinnen muss der Schweiß
Soll das Werk den Meister loben
Doch der Segen kommt von oben.

Durch Vermittlung eines verwandten Architekten wollte der Maurerpolier Christian Runkel von Barmen aus, wo er mit seiner zahlreichen Familie wohnte, einem Freunde in Remscheid ein Haus bauen. Im Jahre 1876 hatte er seine Heimat im Oberbergischen verlassen* und seitdem als Hilfsarbeiter, Maurer und Polier an dem gleichen Orte gearbeitet. Am 26. Mai 1898 fuhr er nach Remscheid und schlug den Winkel zum Hause Nordstr. 82, dessen Gesamtarbeiten er ausführte. Seinen Plan, nach Barmen zurückzukehren, musste er bald aufgeben. Neue Aufträge kamen hinzu. Im Herbst desselben Jahres verkaufte er seinen mit Spargroschen erworben Haus- und Grundbesitz in Barmen und holte seine Familie nach Remscheid, wo sie in dem von ihm erworbenen Hause Wohnung nahm. Dort wurde auch das erste Büro eröffnet, in das als technischer Mitarbeiter der Bruder und Architekt Gustav Runkel einzog. Fleiß, Genügsamkeit, Sparsamkeit, Ausdauer und Wahrhaftigkeit waren die einfachen Kräfte, die das wirtschaftliche Leben der damaligen Zeit bestimmten. Der Anteil an ihnen begründete die Aufgeschlossenheit für alle weiteren beruflichen Kenntnisse, die zur Führung eines Unternehmens notwendig waren und auch den Anteil der Beteiligung an dem seltenen wirtschaftlichen Aufstieg. Im Jahre 1899 kaufte der Gründer an der damals noch ohne Unterführung durchgehenden Bismarckstraße in der Nähe der Bahn ein Grundstück. Nach der Bebauung wurden Wohnung und Büro nach dort verlegt. Ein erster Telefonanschluss unter der Nummer 364 folgte als Ereignis in der damaligen Zeit. Die zwangsläufige Übernahme mehrerer bebauter Grundstücke an der Rosenhügeler Straße brachte im Jahre 1903 die Verlegung von Wohnung, Büro und Lager nach dort. Schon im Jahre vorher hatte der älteste Sohn Adolf die Arbeit im Geschäft des Vaters aufgenommen. Eine Zeit harten wirtschaftlichen Ringens folgte. Die freie Wirtschaft hatte keinen Platz für Lässige und Müde und für die Erscheinungen, die unnatürliche Einwirkungen mit den zerstörenden und zersetzenden Einflüssen bis zu dem Ausmaß der Gegenwart brachten. Wohn- und Geschäftshäuser, Fabriken, Werkstellen, Kirchen, Kapellen und Bauten aller Art wurden in zunehmendem Umfang erstellt. Die Planungen und Berechnungen im eigenen Büro bei schlüsselfertiger Übernahme blieben mit der eigenen Ausführung aller Erd-, Maurer-, Beton- und Putzarbeiten Kennzeichen des Unternehmens. Im Jahr 1905 wurden die ersten Tiefbauarbeiten übernommen, wenige Jahre nach dem Beschluss zur Durchführung der Entwässerung des gesamten Gebietes der Stadt Remscheid. Mit dem Vorflutkanal Heidhof – Siepen wurde der Anfang gemacht. Die Arbeiten zur Kanalisation folgender Straßen oder Hauptteile derselben folgten: Daniel-Schürmann-Straße, Luisenstraße, Werthstraße, Rosenhügeler Straße, Ewaldstraße, Fischerstraße, Brucher Straße, Brüderstraße, Karlstraße, Elberfelder Straße, Hochstraße, Saarlandstraße, Scharffstraße, Sandkuhlstraße, Schützenstraße, Königstraße, Reinshagener Strasse, Fichtenstraße und Unterhölterfelder Straße. Im Jahre 1909 nahm der dritte Sohn Paul die Arbeit im Geschäft auf. Das Tätigkeitsgebiet erweiterte sich über die Städte der Nachbarschaft. Der eigene Haus- und Grundbesitz wuchs. Wohnungen für Kinderreiche, Arbeiter und kleine Angestellte bevorzugte der Inhaber, der mit acht Kindern als Arbeiter innerlich mit ihren selbsterfahrenen Nöten verbunden blieb. Die hier gewonnenen Eindrücke sind bis heute von bestimmendem Einfluss. Der erste Weltkrieg brachte einen völligen Stillstand, da restlos alle männlichen Mitarbeiter von Büro und Baustelle zum Heere mussten. Die Söhne des Inhabers kamen zurück. Sie übernahmen das Geschäft des Vaters um neu aufzubauen. Klein war der Anfang. Die alten, anfangs genannten Eigenschaften blieben Weggenossen und halfen die Widerwärtigkeiten der ersten Zeit und der dann bis 1923 folgenden Inflation überwinden. Jahre ununterbrochener zäher Arbeit folgten. Die Aufgaben wuchsen. Ein Lastwagenbetrieb wurde angegliedert. Die wachsenden Kräfte und Erfahrungen mit einem stets größer werdenden Kreis von treuen Mitarbeitern auf Büro und Baustelle erweiterten im natürlichen Aufbau Besitz und Ziele des Unternehmens. Großbaustellen folgten. Christianstraße (80 Wohnungen) Freiheitsstraße, gegenüber dem Amtsgericht, (80 Wohnungen) und Am Grafenwald sind Anfänge der weiteren Entwicklung. Entschwundene wirtschaftliche Hochleistungen hinsichtlich Organisation, Planung, Finanzierung und Durchführung sind unverwischbare Züge der damaligen Zeit. Bauzeiten von 5 - 6 Monaten vom ersten Spatenstich bis zur Bezugsfertigstellung dieser Großbaustellen bei vorher genau bestimmten Zeiten für alle Bauabschnitte, erscheinen heute, trotz der wenigen Jahre die verflossen sind, unmöglich. Im Jahre 1930 trat der Kaufmann Gustav Runkel, der zweite Sohn des Gründers, in die Firma ein. Der Radius für die zukünftigen Planungen wurde größer. Großbaustellen hauptsächlich für den Kleinwohnungsbau folgten in Wuppertal, Hamm, Siegen, Arnsberg, Gießen usw. Die Aufschließung von Gelände und die Ausführung der gesamten Arbeiten von der ersten Idee bis zur Gebrauchsübernahme unter Ausschluss jeder Initiative und Tätigkeit des Auftraggebers bei völliger eigener Verantwortung lag im Zuge der Entwicklung des Unternehmens. Sie führte durch den Umfang der Arbeiten im Jahre 1934 in Siegen zu einer dauernden Niederlassung. Bei Kriegsausbruch besaß die Firma Wohnungen in Remscheid, Wuppertal und Siegen, insgesamt rund 400. Ein Auftragsbestand für die Errichtung von ca. 300 Wohnungen, der in ungefähr sechs Monaten erledigt gewesen wäre, lag vor. Der Krieg brachte einen Wechsel der Aufgaben. Große Luftschutzgebäude in Eisenbeton wurden unter anderem in Remscheid und Siegen gebaut. Die Angriffe aus der Luft brachten den Verlust des größten Teils des gesamten geschäftlichen und privaten Eigentums. 144 Wohnungen in Siegen sind wieder aufgebaut worden. Die Ereignisse des Krieges und der Nachkriegszeit liegen zu nahe, um sie rückblickend zu schildern. Der Mitinhaber Paul Runkel wurde im vorigen Jahr plötzlich mitten aus der Arbeit durch den Tod abberufen. Drei Söhne der heutigen Inhaber sind nach Rückkehr aus der Gefangenschaft wieder tätig ein vierter wird noch zurückerwartet. Im Geiste der Väter wollen sie fortfahren.

Dankbar blicken die Inhaber auf die verflossenen 50 Jahre zurück. Mit kindliche Gläubigkeit hat der Gründer zu Gott, dem Schöpfer und Erhalt der Welt, als zu seinem Vater aufgeblickt und im Bewusstsein vieler persönliche Fehler und Mängel seinen geoffenbarten Weisungen zu folgen versucht. Seine Söhne und Enkel haben zu tiefe persönliche Eindrücke von diesem Leben empfangen, um die damit verbundenen Erkenntnisse lassen zu können. Sie fühlen sich verbunden mit den anfangs genannten Eigenschaften und möchten Träger und Erhalter derselben sein. Ohne sie sind alle Maßnahmen für jedes Gebiet des Lebens, auch für das wirtschaftliche, wertlos. Für sie einzutreten, soll Vorsatz für die Verantwortlichen des Unternehmens bleiben, auch wenn andere Grundsätze vorteilhafter zu sein scheinen.

Den Dank gegen Gott am heutigen Tage verbinden die Inhaber mit dem Dank an alle Mitarbeiter die in den 50 Jahren mit viel Fleiß und Treue dem Unternehmen und damit der Gesamtheit dienten. Sie bekennen dass die Summe der Dienste im Rhythmus der Arbeit zu wenig Anerkennung gefunden hat. Bis zu 40 Jahren haben treue Mitarbeiter den Inhabern zur Seite gestanden. Der Raum verbietet die namentliche Aufzählung mit den besonderen Verdiensten. Es soll keine Herabsetzung anderer sein, wenn mit der herzlichen Bitte um Verständnis hierfür ein Name genannt wird, der des Prokuristen Erwin Müller. Wenn die Treue die besondere Eigenschaft vieler Mitarbeiter war so hatte sie in ihm seit dem Jahr 1904 einen Vertreter seltener Prägung. Leider kann er seit einigen Jahren wegen Krankheit seine Kräfte und Erfahrungen dem Unternehmen nicht mehr geben. Dass sein Herz allen Geschehnissen folgt, ist allen bekannt. Dank auch allen Auftraggebern. Auch hier verbietet der Raum eine Aufzeichnung von Namen und Werken. Das hinsichtlich der Mitarbeiter auf den Prokuristen gesagte sei wiederholt, wenn auch hier ein Name genannt wird, der Name Dowidat. Von der ersten Schmiede hat die Firma den seltenen Aufbau dieser Firma begleiten dürfen mit der Planung und Ausführung fast aller Bauten bis zum heutigen Tage. Zwei Namen sind außer den Namen des Gründers und der Inhaber genannt. Das Vertrauen zwischen den Trägern dieser Namen wünschen sich die Inhaber für alle geschäftlichen Verbindungen der Zukunft.

Fast fünf Jahre nach der Zerstörung von Lager und Büro hat die Commerzbank, Remscheid, der Firma in ihrem Hause Villenstr. 1 möblierte Büroräume zur Verfügung gestellt. An dieser Stelle sei ihr dafür Dank gesagt. Vor kurzem sind eigene Räume auf dem alten, zum Teil wieder aufgebauten Lager, Rosenhügeler Straße 19, bezogen worden. Dort will die Belegschaft in Remscheid am 25. Juni zusammenkommen um sich in schlichter Feierstunde des Tages zu erfreuen. Die Zeitverhältnisse*** verbieten leider die Einladung der Freunde des Unternehmens und die Herausgabe eines Werkes mit einer Aufzählung und Darstellung der hauptsächlich aufgeführten Bauten.

Gott der Herr sei mit uns und unserem Volke!

Christian Runkel

Bauunternehmung

Remscheid     Siegen


* Christian Runkel, mein Urgroßvater, war damals 16 Jahre alt, er konnte die im selben Jahr bis Wipperfürth verlängerte Bahnlinie nach Barmen benutzen und dadurch den fast 60 km langen Fußweg auf etwa die Hälfte reduzieren

** Adolf Runkel, mein Großvater, war im Jahre 1902 gerade 13 Jahre alt, hatte eine oder zwei Klassen der Volksschule übersprungen und war von den Lehrern mit der dringenden Empfehlung entlassen worden, er solle eine weiterführende Schule besuchen; das lehnte sein Vater jedoch ab. Seine Brüder Gustav (1891 bis 1953) und Paul (1895 bis 1947) waren entsprechend jünger.

*** Die Festschrift ist im Mai 1948 gedruckt worden. Verfasst hat sie vermutlich mein Großvater Adolf Runkel, damals 59 Jahre alt. Mein Vater Adolf Runkel war 28. Er hatte im Januar 1948 geheiratet, und meine Mutter Sigrid war in den ersten Schwangerschaftswochen, mit mir.

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