Von der Stirne heiß
Rinnen muss der Schweiß
Soll das Werk den Meister loben
Doch der Segen kommt von oben.
Durch Vermittlung eines verwandten Architekten wollte der
Maurerpolier Christian Runkel von Barmen aus, wo er mit seiner zahlreichen
Familie wohnte, einem Freunde in Remscheid ein Haus bauen. Im Jahre 1876 hatte
er seine Heimat im Oberbergischen verlassen* und seitdem als Hilfsarbeiter,
Maurer und Polier an dem gleichen Orte gearbeitet. Am 26. Mai 1898 fuhr er nach
Remscheid und schlug den Winkel zum Hause Nordstr. 82, dessen Gesamtarbeiten er
ausführte. Seinen Plan, nach Barmen zurückzukehren, musste er bald aufgeben. Neue
Aufträge kamen hinzu. Im Herbst desselben Jahres verkaufte er seinen mit
Spargroschen erworben Haus- und Grundbesitz in Barmen und holte seine Familie
nach Remscheid, wo sie in dem von ihm erworbenen Hause Wohnung nahm. Dort wurde
auch das erste Büro eröffnet, in das als technischer Mitarbeiter der Bruder und
Architekt Gustav Runkel einzog. Fleiß, Genügsamkeit, Sparsamkeit, Ausdauer und
Wahrhaftigkeit waren die einfachen Kräfte, die das wirtschaftliche Leben der
damaligen Zeit bestimmten. Der Anteil an ihnen begründete die
Aufgeschlossenheit für alle weiteren beruflichen Kenntnisse, die zur Führung
eines Unternehmens notwendig waren und auch den Anteil der Beteiligung an dem
seltenen wirtschaftlichen Aufstieg. Im Jahre 1899 kaufte der Gründer an der damals
noch ohne Unterführung durchgehenden Bismarckstraße in der Nähe der Bahn ein
Grundstück. Nach der Bebauung wurden Wohnung und Büro nach dort verlegt. Ein
erster Telefonanschluss unter der Nummer 364 folgte als Ereignis in der
damaligen Zeit. Die zwangsläufige Übernahme mehrerer bebauter Grundstücke an
der Rosenhügeler Straße brachte im Jahre 1903 die Verlegung von Wohnung, Büro
und Lager nach dort. Schon im Jahre vorher hatte der älteste Sohn Adolf die
Arbeit im Geschäft des Vaters aufgenommen. Eine Zeit harten wirtschaftlichen
Ringens folgte. Die freie Wirtschaft hatte keinen Platz für Lässige und Müde
und für die Erscheinungen, die unnatürliche Einwirkungen mit den zerstörenden
und zersetzenden Einflüssen bis zu dem Ausmaß der Gegenwart brachten. Wohn- und
Geschäftshäuser, Fabriken, Werkstellen, Kirchen, Kapellen und Bauten aller Art
wurden in zunehmendem Umfang erstellt. Die Planungen und Berechnungen im
eigenen Büro bei schlüsselfertiger Übernahme blieben mit der eigenen Ausführung
aller Erd-, Maurer-, Beton- und Putzarbeiten Kennzeichen des Unternehmens. Im
Jahr 1905 wurden die ersten Tiefbauarbeiten übernommen, wenige Jahre nach dem
Beschluss zur Durchführung der Entwässerung des gesamten Gebietes der Stadt
Remscheid. Mit dem Vorflutkanal Heidhof – Siepen wurde der Anfang gemacht. Die
Arbeiten zur Kanalisation folgender Straßen oder Hauptteile derselben folgten:
Daniel-Schürmann-Straße, Luisenstraße, Werthstraße, Rosenhügeler Straße,
Ewaldstraße, Fischerstraße, Brucher Straße, Brüderstraße, Karlstraße,
Elberfelder Straße, Hochstraße, Saarlandstraße, Scharffstraße, Sandkuhlstraße,
Schützenstraße, Königstraße, Reinshagener Strasse, Fichtenstraße und
Unterhölterfelder Straße. Im Jahre 1909 nahm der dritte Sohn Paul die Arbeit im
Geschäft auf. Das Tätigkeitsgebiet erweiterte sich über die Städte der
Nachbarschaft. Der eigene Haus- und Grundbesitz wuchs. Wohnungen für
Kinderreiche, Arbeiter und kleine Angestellte bevorzugte der Inhaber, der mit
acht Kindern als Arbeiter innerlich mit ihren selbsterfahrenen Nöten verbunden
blieb. Die hier gewonnenen Eindrücke sind bis heute von bestimmendem Einfluss.
Der erste Weltkrieg brachte einen völligen Stillstand, da restlos alle
männlichen Mitarbeiter von Büro und Baustelle zum Heere mussten. Die Söhne des
Inhabers kamen zurück. Sie übernahmen das Geschäft des Vaters um neu
aufzubauen. Klein war der Anfang. Die alten, anfangs genannten Eigenschaften
blieben Weggenossen und halfen die Widerwärtigkeiten der ersten Zeit und der
dann bis 1923 folgenden Inflation überwinden. Jahre ununterbrochener zäher Arbeit
folgten. Die Aufgaben wuchsen. Ein Lastwagenbetrieb wurde angegliedert. Die
wachsenden Kräfte und Erfahrungen mit einem stets größer werdenden Kreis von
treuen Mitarbeitern auf Büro und Baustelle erweiterten im natürlichen Aufbau
Besitz und Ziele des Unternehmens. Großbaustellen folgten. Christianstraße (80
Wohnungen) Freiheitsstraße, gegenüber dem Amtsgericht, (80 Wohnungen) und Am
Grafenwald sind Anfänge der weiteren Entwicklung. Entschwundene wirtschaftliche
Hochleistungen hinsichtlich Organisation, Planung, Finanzierung und
Durchführung sind unverwischbare Züge der damaligen Zeit. Bauzeiten von 5 - 6
Monaten vom ersten Spatenstich bis zur Bezugsfertigstellung dieser
Großbaustellen bei vorher genau bestimmten Zeiten für alle Bauabschnitte,
erscheinen heute, trotz der wenigen Jahre die verflossen sind, unmöglich. Im
Jahre 1930 trat der Kaufmann Gustav Runkel, der zweite Sohn des Gründers, in
die Firma ein. Der Radius für die zukünftigen Planungen wurde größer.
Großbaustellen hauptsächlich für den Kleinwohnungsbau folgten in Wuppertal,
Hamm, Siegen, Arnsberg, Gießen usw. Die Aufschließung von Gelände und die
Ausführung der gesamten Arbeiten von der ersten Idee bis zur Gebrauchsübernahme
unter Ausschluss jeder Initiative und Tätigkeit des Auftraggebers bei völliger
eigener Verantwortung lag im Zuge der Entwicklung des Unternehmens. Sie führte
durch den Umfang der Arbeiten im Jahre 1934 in Siegen zu einer dauernden
Niederlassung. Bei Kriegsausbruch besaß die Firma Wohnungen in Remscheid,
Wuppertal und Siegen, insgesamt rund 400. Ein Auftragsbestand für die
Errichtung von ca. 300 Wohnungen, der in ungefähr sechs Monaten erledigt
gewesen wäre, lag vor. Der Krieg brachte einen Wechsel der Aufgaben. Große
Luftschutzgebäude in Eisenbeton wurden unter anderem in Remscheid und Siegen
gebaut. Die Angriffe aus der Luft brachten den Verlust des größten Teils des
gesamten geschäftlichen und privaten Eigentums. 144 Wohnungen in Siegen sind
wieder aufgebaut worden. Die Ereignisse des Krieges und der Nachkriegszeit
liegen zu nahe, um sie rückblickend zu schildern. Der Mitinhaber Paul Runkel
wurde im vorigen Jahr plötzlich mitten aus der Arbeit durch den Tod abberufen.
Drei Söhne der heutigen Inhaber sind nach Rückkehr aus der Gefangenschaft
wieder tätig ein vierter wird noch zurückerwartet. Im Geiste der Väter wollen sie
fortfahren.
Dankbar blicken die Inhaber auf die verflossenen 50 Jahre
zurück. Mit kindliche Gläubigkeit hat der Gründer zu Gott, dem Schöpfer und
Erhalt der Welt, als zu seinem Vater aufgeblickt und im Bewusstsein vieler
persönliche Fehler und Mängel seinen geoffenbarten Weisungen zu folgen
versucht. Seine Söhne und Enkel haben zu tiefe persönliche Eindrücke von diesem
Leben empfangen, um die damit verbundenen Erkenntnisse lassen zu können. Sie
fühlen sich verbunden mit den anfangs genannten Eigenschaften und möchten
Träger und Erhalter derselben sein. Ohne sie sind alle Maßnahmen für jedes
Gebiet des Lebens, auch für das wirtschaftliche, wertlos. Für sie einzutreten,
soll Vorsatz für die Verantwortlichen des Unternehmens bleiben, auch wenn
andere Grundsätze vorteilhafter zu sein scheinen.
Den Dank gegen Gott am heutigen Tage verbinden die Inhaber
mit dem Dank an alle Mitarbeiter die in den 50 Jahren mit viel Fleiß und Treue
dem Unternehmen und damit der Gesamtheit dienten. Sie bekennen dass die Summe
der Dienste im Rhythmus der Arbeit zu wenig Anerkennung gefunden hat. Bis zu 40
Jahren haben treue Mitarbeiter den Inhabern zur Seite gestanden. Der Raum
verbietet die namentliche Aufzählung mit den besonderen Verdiensten. Es soll
keine Herabsetzung anderer sein, wenn mit der herzlichen Bitte um Verständnis
hierfür ein Name genannt wird, der des Prokuristen Erwin Müller. Wenn die Treue
die besondere Eigenschaft vieler Mitarbeiter war so hatte sie in ihm seit dem
Jahr 1904 einen Vertreter seltener Prägung. Leider kann er seit einigen Jahren
wegen Krankheit seine Kräfte und Erfahrungen dem Unternehmen nicht mehr geben.
Dass sein Herz allen Geschehnissen folgt, ist allen bekannt. Dank auch allen
Auftraggebern. Auch hier verbietet der Raum eine Aufzeichnung von Namen und
Werken. Das hinsichtlich der Mitarbeiter auf den Prokuristen gesagte sei
wiederholt, wenn auch hier ein Name genannt wird, der Name Dowidat. Von der
ersten Schmiede hat die Firma den seltenen Aufbau dieser Firma begleiten dürfen
mit der Planung und Ausführung fast aller Bauten bis zum heutigen Tage. Zwei
Namen sind außer den Namen des Gründers und der Inhaber genannt. Das Vertrauen
zwischen den Trägern dieser Namen wünschen sich die Inhaber für alle
geschäftlichen Verbindungen der Zukunft.
Fast fünf Jahre nach der Zerstörung von Lager und Büro hat
die Commerzbank, Remscheid, der Firma in ihrem Hause Villenstr. 1 möblierte
Büroräume zur Verfügung gestellt. An dieser Stelle sei ihr dafür Dank gesagt.
Vor kurzem sind eigene Räume auf dem alten, zum Teil wieder aufgebauten Lager,
Rosenhügeler Straße 19, bezogen worden. Dort will die Belegschaft in Remscheid
am 25. Juni zusammenkommen um sich in schlichter Feierstunde des Tages zu
erfreuen. Die Zeitverhältnisse*** verbieten leider die Einladung der Freunde des
Unternehmens und die Herausgabe eines Werkes mit einer Aufzählung und
Darstellung der hauptsächlich aufgeführten Bauten.
Gott der Herr sei mit uns und unserem Volke!
Christian Runkel
Bauunternehmung
Remscheid Siegen
* Christian Runkel, mein Urgroßvater, war damals 16 Jahre alt, er konnte die im selben Jahr bis Wipperfürth verlängerte Bahnlinie nach Barmen benutzen und dadurch den fast 60 km langen Fußweg auf etwa die Hälfte reduzieren
** Adolf Runkel, mein Großvater, war im Jahre 1902 gerade 13 Jahre alt, hatte eine oder zwei Klassen der Volksschule übersprungen und war von den Lehrern mit der dringenden Empfehlung entlassen worden, er solle eine weiterführende Schule besuchen; das lehnte sein Vater jedoch ab. Seine Brüder Gustav (1891 bis 1953) und Paul (1895 bis 1947) waren entsprechend jünger.
*** Die Festschrift ist im Mai 1948 gedruckt worden. Verfasst hat sie vermutlich mein Großvater Adolf Runkel, damals 59 Jahre alt. Mein Vater Adolf Runkel war 28. Er hatte im Januar 1948 geheiratet, und meine Mutter Sigrid war in den ersten Schwangerschaftswochen, mit mir.
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