Montag, 15. August 2022

Mein Leben als Busfahrer

Nachdem ich im Juli aus meiner Firma ausgeschieden bin, ist mir der Gedanke vertrauter geworden, zukünftig gelegentlich statt des Autos die öffentlichen Verkehrsmittel zu benutzen. Besonders entgegen kam mir dabei das für drei Monate angebotene Neun-Euro-Ticket, das ich für den Monat Juli erworben, dann zwar nicht benutzt aber durch Internet-Recherchen rund um das Ticket doch viel Nützliches gelernt habe.

So ist etwa die Suchfunktion "Routenplaner" in Google Maps so ausgestattet, dass über das Symbol für Busse und Bahnen sämtliche Haltestellen in der Nähe und sämtliche hinterlegten Fahrpläne abzurufen sind. Ich kann also mitten im Wald auf die Idee kommen, ich wollte jetzt mit dem Bus oder der Eisenbahn nach Hause fahren – und Google Maps führt mich zur nächsten Haltestelle am Waldrand und von dort nach Hause.

Meine allererste Busfahrt mit dem neuen Wissen habe ich heute nicht ganz freiwillig gewählt – ein Augenarzttermin brachte es mit sich, dass meine Pupillen erweitert wurden, was das Fahren mit dem eigenen Auto unmöglich machte.

Tickets lassen sich papierlos auf das Handy bestellen (siehe die Abbildung) das lernte ich auch. Es erwies sich allerdings – erste negative Erfahrung – als relativ schwierig. Wer sich einmal in den komplizierten Strukturen der Internetseiten eines örtlichen Nahverkehrsunternehmens verwirrt hat, fragt sich, warum es bei Amazon mit zwei Klicks möglich ist, eine komplette Stereoanlage zu bestellen, während es etwa die Remscheider Verkehrsbetriebe darauf anlegen, den Kunden eine Reihe von Stolpersteine in den Weg zu legen, bevor sie für € 2,90 ein elektronisches Ticket erhalten können.

Nachdem mir dies nun aber mit einiger Mühe gelungen war, setzte ich mich nach Auswahl des passenden Busses an die nächste Haltestelle und wartete auf die Linie 654, die mit einigen Minuten Verspätung schließlich auch kam. Eigenartigerweise nahm der Busfahrer mein mit dem Handy hochgehaltenes elektronisches Ticket kaum zur Kenntnis. Die Frage blieb unbeantwortet, ob man das Handy  an die Stirnseite des kleinen Kastens halten muss, der vorne neben dem Fahrer aufgestellt ist, oder auf den Kasten oben drauf legen muss. Egal, ich hatte den Eintritt geschafft.

Ich ging dann zielstrebig vom Fahrer weg einige Schritte in den Mittelgang des stark überfüllten Busses, als der Fahrer dann schließlich doch etwas hinter mir her rief. Ich verstand es zunächst nicht und hatte es auch gar nicht auf mich bezogen, bis die Augen von einem guten Dutzend arabisch aussehender Frauen alle auf mich gerichtet waren und eine von ihnen auf mich zeigte und sagte „Maske!“ Jetzt verstand ich auch, was der Busfahrer in einem überaus barschen Ton rief, ich solle nämlich eine Maske aufsetzen.

Ich war jetzt recht unsanft aus der Komfortzone herausgerissen, in der ich mich regelmäßig befinde, wenn ich Transaktionen im Amazon-Paradies abwickle. Ich weiß nicht, ob der grobe Busfahrer anders reagiert hätte, wenn er gewusst hätte, dass dies die allererste Fahrt mit einem elektronischen Ticket für mich war.

Immerhin stand eine der jüngeren Frauen mit den arabischen Augen auf und bot mir ihrem Platz an – für einen älteren Mann, der in der Illusion lebt, man sehe ihm sein Alter nicht an, ein eher unangenehmer Vorgang. Allerdings konnte ich ab da meine Fahrt fortsetzen und in dem Buch lesen, dass ich mir in Erwartung einer längeren Wartezeit beim Augenarzt mitgenommen hatte. „Der Tod des Iwan Iljitsch“ von Leo Tolstoi. Wie sich herausstellte, war es eine gute Einstimmung auf die Probleme des Alters.


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