Samstag, 27. August 2022

Im Fischerhaus

Gestern hat mir der 74-jährige Eigentümer unserer Ferienwohnung die Geschichte seines Hauses erzählt. Es ist tatsächlich, wie wir bisher angenommen hatten, ein Fischerhaus, war dies aber nicht immer.

Der um das Jahr 1900 hier wohnende Fischer befischte die an dieser Stelle zu einem bis zu 600 m breiten See aufgestaute Havel und hatte zum See hin einen etwa 25 m breiten Garten, den eine stabile Mauer zum Wasser abschloss und der an einer Seite einen Anlegesteg und eine flache Stelle hatte, an der man ein Boot zu Wasser lassen konnte.

Er hat dieses Anwesen in den dreißiger Jahren an einen wohlhabenden Berliner Kaufmann übertragen, der hier ein Nest für seine Geliebte und ein gemeinsames Kind einrichtete und regelmäßig am Wochenende zu Besuch kam.

Der Großvater des gegenwärtigen Eigentümers war ebenfalls Fischer gewesen , in Pommern, und hatte sich nach den Wirren des ersten Weltkrieges, in denen der Danziger "Korridor" entstand, weiter westlich eine neue Heimat gesucht. So war er Fischer an der Havel geworden und hatte auch seine Kinder in diesem Beruf erzogen.

Auch sein Enkel, der jetzige Eigentümer, versteht sich noch auf das Aufstellen von Reusen und auf viele andere Dinge, die man für den Fischfang gelernt haben muss. Er hat aber sein Geld überwiegend mit Arbeiten in der Industrie verdient.

Sein Vater hat das Anwesen erst in den siebziger Jahren von der mittlerweile hochbetagten Geliebten des
Berliner Kaufmanns oder deren Erben erworben und hat noch eine Zeit lang von diesem Haus aus die Havel befischt. Er hatte vorher an einer anderen Stelle in Werder gewohnt und hatte dort als Fischer die Veränderungen erlebt, die durch die Enteignung und Neuordnungen der DDR entstanden waren – und später auch noch deren Rückbau. Der Sohn stellt die Arbeit in der Fischerei-Kolchose positiv dar, trotz des anfänglichen Ärgers, den der Vater aufgrund  des Verlustes seines Eigentums empfunden hat. 

Über die neuen Entwicklungen durch Zuzug reicher Leute auf die Insel spricht der Sohn, unser Wirt, kritisch, obwohl er erkennbar selbst davon profitiert hat. Einige Nachbarhäuser ähnlicher Bauart und ebenfalls mit Zugang zur Havel, würden mittlerweile für siebenstellige Beträge gehandelt, erzählt er.

Das alte Fischerhaus lag wie gesagt am oberen Ende eines langen Gartens, unmittelbar an der Straße. Der jetzige Eigentümer ist von Potsdam aus in den neunziger Jahren nach Werder gezogen, da lebte sein Vater noch, und hat sich unterhalb des alten Fischerhauses einen Bungalow in den Garten gebaut

Das Fischerhaus hat er gründlich renoviert und zwei Ferienwohnungen darin eingerichtet, in deren einer wir jetzt zum wiederholten Male wohnen. Schön ist es hier!




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