Freitag, 26. August 2022

Die pascalsche Wette

Kürzlich las ich die kritisch-spöttischen Worte eines Mannes, der sagte, im Himmel würden die Leute, die aufgrund der pascalschen Wette geglaubt haben, mit Stirnrunzeln empfangen und in einer Abteilung zweiter Klasse untergebracht. Ich habe diese Bemerkung so verstanden, dass ein Glaube, der auf reinen Wahrscheinlichkeitsüberlegungen aufbaut, nicht als vollwertig anerkannt werden kann.

Die pascalsche Wette sagt, dass die größere Wahrscheinlichkeit, bei der Entscheidung Glaube/Unglaube sein Glück zu machen, auf der Seite „Glaube“ liegt. Im Falle, dass dieser Glaube nicht richtig liegt, schadet das nichts. Im Falle dass der Unglaube dagegen sich als falsch erweist, gerät der Mensch in große Probleme.

Zur Verteidigung der pascalschen Wette las ich jetzt in einem älteren Artikel von Rüdiger Safranski, dass er gar nicht annehme, Pascals Glaube habe sich aus dieser Wette begründet*. „Es ist wohl eher so, dass etwas in ihm glauben will oder schon glaubt, und der Intellekt bietet ihm (und anderen Zweiflern) ein Kalkül an, mit dessen Hilfe er sich gegen mögliche Einreden zu seinem Glauben ermuntert.“

Was könnte das sein, das „in uns glaubt“? Safranski nimmt an, dass der Gläubige Christ sagen würde, so Safranski: „Christus ist in mein Leben getreten und seine lebendige Gegenwart ist dasjenige, was mich glauben lässt.“

Mich hat dieser Satz aus Safranskis Mund verwundert, hat mich aber auch gleichzeitig an Erlebnisse in meiner Kindheit erinnert, in denen die meisten Christen in meiner Umgebung von sich sagten, sie hätten Jesus „in ihr Herz gelassen“ und dass sei letztlich die Quelle ihres Glaubens.

Mittlerweile muss ich von den meisten Christen in meiner Umgebung annehmen, dass sie eher einer intellektuellen Erwägungen ähnlich der pascalschen Wette folgen, wenn sie von sich selbst sagen, dass sie glauben.

Die intellektuelle Durchdringung der Welt mit ihren überwältigenden Ergebnissen verlangt von uns allen, dass wir auch den Glauben intellektuell begründen können, eine „Rechenschaft vom Glauben“ abgeben können, die kritischem Nachdenken genügt.

Aber genügt sie den Ansprüchen an einen wirklich gefestigten Glauben? In dem Buch von 1995, in dem der Artikel von Rüdiger Safranski erschienen ist**, schreibt auch Botho Strauß von einem ähnlichen Zugang zum Glauben: er zitiert Ernst Jünger, dem das fragliche Buch gewidmet ist, dass zwei Denker (Vico und Hamann), die nicht in der Tradition der Aufklärung (Kant und Descartes) stehen, letzteren vorzuziehen sind, denn „die Kraft dieser Geister beruht auf Offenbarung, nicht auf Erkenntnis.“



* Pascal hat eine Offenbarung erlebt, über die er eine Aufzeichnung notiert hat, die er zeitlebens mit sich herumtrug. Sie lautete:


Jahr der Gnade 1654

Montag, den 23. November, Tag des heiligen Klemens, Papst und Märtyrer, und anderer im Martyrologium.

Vorabend des Tages des heiligen Chrysogonos, Märtyrer, und anderer.

Seit ungefähr abends zehneinhalb bis ungefähr eine halbe Stunde nach Mitternacht

                                Feuer

Gott Abrahams, Gott Isaaks, Gott Jakobs, nicht der Philosophen und Gelehrten.

Gewissheit, Gewissheit, Empfinden: Freude, Friede. Der Gott Jesu Christi.

Deum meum et Deum vestrum.

Dein Gott ist mein Gott.

[...]


** "Magie der Heiterkeit, Ernst Jünger zum Hundertsten", Herausgegeben von Günter Figal und Heimo Schwilk

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