Aus einem früheren Blogeintrag ist dem ein oder der anderen vielleicht bekannt, dass ich mich mit der amerikanische Schriftstellerin Marilynne Robinson beschäftige. Ich habe sie erst kürzlich kennengelernt, nachdem der irische Autor Colm Toíbín in seinem neuesten Buch (siehe Bild) über sie geschrieben hat.. Er hat in einer Sammlung von Essays Robinsons Bücher unter der Überschrift vorgestellt „Der Religion ihren Ort geben“ (Putting Religion in its Place).
Das ist ein großes Wort, ein großes Programm, aber Toíbín bleibt diesem Anspruch nichts schuldig. Er hat in den Essays davor, eine recht schonungslose Analyse der irischen Katholiken geschrieben, von denen er sich innerlich distanziert hat. Er berichtet über Einzelheiten das auch in Irland schmerzhaften Missbrauchsskandals.
Wenn er dann in einem weiteren Essay auf die protestantische Marilynne Robinson zu sprechen kommt, so ist sie indirekt eingebunden in solche Berichte. Sie bildet aber kein Gegenbild zu den dunklen Bildern, die Toíbín von den katholischen Iren liefert. Die Beschäftigung mit ihr beantwortet dagegen grundsätzlich die Frage, welche Rolle die Religion – katholisch oder protestantisch – in einer Welt spielen kann, die sich zunehmend von ihr entfernt.
Vielleicht lässt der dunkle Hintergrund die Farben eher hervortreten, die Robinson auf ihrer Palette hat. Toíbín untersucht nicht nur die Farben dieser Autorin, er greift auch auf Überlegungen des von ihm geschätzten Autors Henry James zurück, über den er sagt
Er stellt sich Charaktere vor, die etwas vom Leben selbst wollen, das nicht einfach benannt werden kann, ohne aus der Religion entlehnte Begriffe zu verwenden; es schließt Schönheit und Großzügigkeit ein, aber es umfasst noch etwas mehr – Gnade, Erlösung, Rettung – Begriffe, die religiös sind.*
Diesen Begriffen geht Robinson nach und schreibt an einer Stelle.
Nachdem ich kürzlich gelesen habe, dass es im menschlichen Gehirn mehr Neuronen gibt als Sterne in der Milchstraße, und nachdem ich unzählige Male gelesen habe, dass das menschliche Gehirn das komplexeste Objekt ist, von dem bekannt ist, dass es im Universum existiert, und nachdem mir bewusst ist, dass der Geist nicht identisch mit dem Gehirn ist, aber immer noch noch mysteriöser, erscheint es mir, dass dieser erstaunliche Zusammenhang des Selbst, so einzigartig elegant und fähig, einen Namen verdient, der einen Unterschied in der Art vom ontologischen Lauf der Dinge anzeigen würde, und für meine Zwecke würde "Seele" gut tun.**
Möglicherweise wird der ein oder andere, dieses eher literarische Eintreten für die Religion für zu schwach empfinden. Aber wenn es nach dem Verschwinden der Religion auch bestimmte Worte nicht mehr gibt, um allgemein-menschliche Verhältnisse zu beschreiben, dann ist die Frage erlaubt, was man tun muss, um diesem Verschwinden etwas entgegenzusetzen.
Gerne würde ich in den wenigen mir noch verbleibenden Jahren einen Einsatz dafür leisten, dieser Religion mehr Platz zu geben Die Welt ist ärmer ohne sie.
* He imagines characters who want something from life itself that cannot easily be named without using terms borrowed from religion; it includes beauty and generosity, but it embraces something further – grace, redemption, salvation – terms that are religious.
** Having read recently that there are more neurons in the human brain than there are stars in the Milky Way, and having read any number of times that the human brain is the most complex object known to exist in the universe, and that the mind is not identical with the brain but is more mysterious still, it seems to me this astonishing nexus of the self, so uniquely elegant and capable, merits a name that would indicate a difference in kind from the ontological run of things, and for my purposes ‘soul’ would do nicely.
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